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Minderheit/Volksgruppe
Kulturabkommen Österreich-
Slowenien, 2002
Sprache ist die Staatssprache. Die den sprachlichen Min-
derheiten eingeräumten Rechte werden dadurch nicht
berührt« (Hervorhebung vom Autor). In der Folge wur-
den in den Kärntner Landtag zwei Slowenen als Ver-
treter der Volksgruppe entsandt (Karel → Mikl und
Albert → Breznik) sowie der slowenische Prälat Ru-
dolf → Blüml, der darin die katholische Kirche vertrat
(→ Abgeordnete, ethnopolitisch engagierte Slowenen).
Mit dem →
»Anschluss« 1938 kommt es zur gesetz-
lichen Negation des Existenzrechts der Slowenen und
zum systematischen, gesetzlich gedeckten Ethnozid an
den Slowenen. In Kärnten/Koroška wurden im Laufe
des Krieges ca. 1.000 Slowenen deportiert (im Gebiet
des heutigen Slowenien waren es 60.000 Slowenen ; vgl.
→ »Generalplan Ost«, → Deportationen 1942). Nach
dem Krieg wurde von der Provisorischen Staatsregie-
rung im Rahmen des Verfassungs-Überleitungsgeset-
zes (rückdatiert auf den 1. Mai 1945) die Verfassung in
der Fassung von 1929 wieder in Kraft gesetzt.
Die Europäische Menschenrechtskonvention
(EMRK) aus 1950 statuiert in Art. 14 ein allgemei-
nes Diskriminierungsverbot, verwendet aber noch
den Begriff »nationale Minderheit« und besagt : »Der
Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte
und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere
wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der
Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen
Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft,
der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status
zu ge währleisten.« Eine nur kursorische Betrachtung
der Lage der ethnischen »Minderheiten« in den ver-
schiedenen west- und osteuropäischen Staaten jener
Zeit deutet darauf hin, dass zwischen Rechtssprache
und Politik Verbindungen hergestellt werden können,
zumal vielerorts den »Minderheiten« ein gesellschaft-
liches Existenzrecht abgesprochen wurde und die sys-
tematische Assimilationspolitik einem breiten gesell-
schaftlichen Konsens entsprach, auch auf der Ebene
der internationalen Beziehungen.
1955 kommt es zur völkerrechtlichen Wiederherstel-
lung der Republik Österreich durch den Staatsvertrag
von Wien (StV Wien). Der die Volksgruppen betref-
fende Artikel 7 ist ein konstitutiver Grundsatzartikel
der Verfassung (und nicht eine beliebige Neben- oder
Schlussbestimmung). Artikel 7 greift die Begrifflich-
keit der Minderheit auf, unterscheidet jedoch nicht
zwischen dem Status der slowenischen und kroatischen
»Minderheiten« in Kärnten/Koroška, Steiermark/Šta- jerska und Burgenland/Gradišće/Gradiščanska. Diese
Unterscheidung bzw. regional unterschiedliche Inter-
pretation kommt erst bei der Umsetzung zum Tragen.
Diese unterschiedliche Interpretation erhält jedoch
aufgrund des Völkergewohnheitsrechtes, wenn sie
von den völkerrechtlichen Vertragspartnern unwider-
sprochen ist, mit der Zeit auch völkerrechtlich einen
rechtsverbindlichen Charakter. Art. 7 lautet : »Rechte
der slowenischen und kroatischen Minderheiten 1. Ös-
terreichische Staatsangehörige der slowenischen und
kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und
Steiermark genießen dieselben Rechte auf Grund glei-
cher Bedingungen wie alle anderen österreichischen
Staatsangehörigen einschließlich des Rechtes auf ihre
eigenen Organisationen, Versammlungen und Presse in
ihrer eigenen Sprache […].« (→ Raabtaler Slowenen,
→ Steirische Slowenen)
Eine terminologische Neuerung bedeutet im Hin-
blick auf die geltende völkerrechtliche Rechtslage das
Konzept der Minderheit in § 1 (2) des Volksgruppen-
gesetzes von 1976, in dem als Volksgruppen im Sinne
dieses Bundesgesetzes definiert sind : »[…] die in Teilen
des Bundesgebietes wohnhaften und beheimateten
Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeut-
scher → Muttersprache und eigenem Volkstum«. Das
Abstellen auf autochthone Minderheiten (»beheima-
tet«) umfasst also nicht neuere Migrantengruppen, was
verschiedentlich diskutiert wurde.
Der Begriff nationale Minderheit findet sich schließ-
lich im Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
Minderheiten des Europarates aus dem Jahr 1995 wie-
der, das in Österreich 1998 in Kraft getreten ist. Art. 1
besagt : »Der Schutz nationaler Minderheiten und der
Rechte und Freiheiten von Angehörigen dieser Min-
derheiten ist Bestandteil des internationalen Schutzes
der Menschenrechte und stellt als solcher einen Be-
reich internationaler Zusammenarbeit dar.« Die Be-
deutung des Rahmenübereinkommens und anderer
internationaler Instrumente liegt in einem Wandel der
Einstellungen, wie dies Klemenčič/Harris (2010)
hervorheben.
Einem terminologisch-konzeptuellen Festhalten an
alten Mustern entspricht das Kulturabkommen zwi-
schen der Republik Österreich und der Republik Slo-
wenien, das in Art. 10 Abs. d von der »slowenischen
Minderheit in der Republik Österreich« spricht (BGBl.
2002/90 vom 30. April 2002).
Die Europäische Grundrechtscharta bzw. Charta der
Grundrechte der europäischen Union (2000/C 364/01) ist
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur