Seite - 939 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Mythologie
ner Fremdsprache (auch nicht in der fremdsprachigen
→
Bildungssprache) von Eltern an die Kinder vermit-
telt werden können, weshalb ein → Sprachwechsel als
kollektive Erscheinung ein kulturell langwieriger Pro-
zess ist (→ Akkulturation). Aufgrund der emotionalen
und persönlichkeitsprägenden Ebenen der M. ist eine
durch → Assimilation bzw. durch → Assimilations-
zwang bedingte Verneinung der M. eine zutiefst trau-
matisierende und transgenerationell wirkende Erfah-
rung, zumal dies einer Verneinung tiefster emotionaler
persönlichkeitsbildender Prägungen gleichkommt, was
in der Regel durch Gegenstrategien (über-)kompensiert
werden muss, um eine gewisse Integrität der eigenen
Persönlichkeit zu wahren (→ Assimilant, → Assimila-
tion und posttraumatische Belastungsstörung). Diese
Überkompensation tritt im politischen Bereich vielfach
in einer aggressiven Verneinung der Sprachenrechte
und des Existenzrechtes der verneinten und verdräng-
ten Sprache und Volksgruppe (→ Dezemberverfassung
1867, dort Art. 19 ; → »Minderheit« – Volksgruppe)
oder in einer überbetont konstruierten neuen Identität
(→ Deutschtümler) in Erscheinung.
Die Bedeutung der M. für die Identität und die
sprachpädagogischen Implikationen, wenn auch mit
christlichem Beisatz, erkannte früh Anton M. Slomšek,
der deshalb auch einsprachige Lehrbücher für den Re-
ligionsunterricht forderte (→ Immersion, →
Relevanz
und Redundanz von Sprache).
Ein häufiges Phänomen, das aufgetreten ist, als in
Kärnten/Koroška die Menschen noch eine klar defi-
nierte M. hatten und erst später Deutsch lernten und
sich assimilierten, und das die identitäts- und persön-
lichkeitsbildende Bedeutung von M. unterstreicht, ist,
dass vielfach ältere Menschen in der letzten Lebens-
phase oder nach schwerer Krankheit die angelernte
Zweitsprache bzw. das Deutsche vergaßen und nur
noch die Sprache ihrer Kindheit, d. h. das Slowenische
sprachen, auch wenn ihre jüngeren Angehörigen diese
Sprache nicht mehr verstanden.
M. ist nicht zu verwechseln mit → Bildungssprache,
in der eine Person mit fortschreitendem Schulbesuch
bzw. Alter die besten funktionalen Sprachkenntnisse
entwickelt, d. h. eventuell eine Fremdsprache. Im ge-
sellschaftspolitischen Kontext mit mehreren frühkind-
lichen Bezugspersonen, die ihrerseits verschiedene M.
haben und diese aktiv dem Kind vermitteln (nach dem
System der → Immersion one person one language), kann
dieses auch mehrere Mutter- bzw. Vatersprachen haben
(etwa in sog. Patchwork-Familien). Lit.: E. Prunč : Frühkindliche Mehrsprachigkeit in einsprachiger Umge-
bung. In : Slowenische Jahrbücher (1986–1988), S. 73–98 (Bibliogra-
fie S. 96–98) ; G. Fischer : Das Slowenische in Kärnten, Bedingungen
der sprachlichen Sozialisation. Eine Studie zur Sprachenpolitik. Wien,
Sprache und Herrschaft, Zeitschrift für eine Sprachwissenschaft als
Gesellschaftswissenschaft, Reihe Monographien Nr. 1/1980 ; Klaus-
Börge Boeckmann [u. a.] : Zweisprachigkeit und Identität. Klagenfurt/
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schichtsbewusstsein, Erinnerung, Geschichte, Identität 2. Frankfurt/
Main 1998, 256–274 ; A. B. Mitzman : Vom historischen Bewusstsein
zur mythischen Erinnerung. Nationale Identitäten und Unterdrückung
im modernen Europa. In : J. Rüsen, J. Straub (Hg.) : Die dunkle Spur
der Vergangenheit, Psychoanalytische Zugänge zum Geschichtsbe-
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politik und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit in Österreich. Klagenfurt/
Celovec 1998 ; S. Zavratnik Zimic : Pogovori s koroškimi Slovenci, O
etnični identiteti, slovenščini, dvojezični vzgoji in samopodobi. Celovec
1998 ; E. Burkhardt Montarini : Wie Kinder mehrsprachig aufwachsen.
Ein Ratgeber. Frankfurt/Main 2000 ; J. Marketz : Slomšek in vloga
materinščine pri oznanjevanju evangelija. In : H. Filipič (Red.) : Anton
Martin Slomšek na Koroškem/Anton Martin Slomšek in Kärnten.
Zbornik simpozija 26. in 27. novembra 1999 v Katoliškem domu
prosvete v Tinjah (Sammelband des Symposiums am 26. und 27. No-
vember 1999 im Katholischen Bildungsheim in Tainach. Klagenfurt/
Celovec [e. a.] 2000), 53–61 ; A. F. Reiterer : Lebenswelt Muttersprache,
Das Slowenische und seine heutige Wahrnehmung – ein Bericht. In : K.
Anderwald, P. Karpf, H. Valentin (Hg.), Kärntner Jahrbuch für Poli-
tik. Klagenfurt 2000, 340–362 ; L. Ogorevc-Feinig (Hg.) : Korak za
korakom … In zwei Sprachen leben. Fachinformation zur zwei- und
mehrsprachigen Erziehung im Vorschulalter/Strokovna informacija o
dvo- večjezični vzgoji predšolskega otroka. Klagenfurt/Celovec, DS pri-
vatnih dvo- in večjezičnih vrtcev/AG privater zwei- und mehrspra-
chigen Kindergärten 2001 ; A. F. Reiterer : Minderheiten wegzählen ?
Methodische und inhaltliche Probleme amtlicher Sprachenzählungen. In :
Martin Pandel [e. a.] (Hg.) : Ortstafelkonflikt in Kärnten – Krise oder
Chance ? Wien 2004, 25–38 ; J. Edwards : Language Minorities : In :
A. Davies, C. Elder (Hg.) : Handbook of Applied Linguistics (Malden
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Klagenfurt/Celovec 2006 ; E. Montarini : Mit zwei Sprachen groß
werden. Mehrsprachige Erziehung in Familie, Kindergarten und Schule.
München 2007 ; B.-I. Schnabl : Asimilacija in sindrom posttravmats-
kega stresa. In : KK 2011. Celovec 2010, 117–130 ; B.-I. Schnabl : Ne-
kaj ključnih jezikoslovnih pojmov za javni diskurz na Koroškem. Iz naše
»Enciklopedija slovenske kulturne zgodovine na Koroškem, od začetkov do
leta 1942«. In : KK 2015, Klagenfurt/Celovec 2014, 113–118.
Bojan-Ilija Schnabl
Mythologie, 1. die wissenschaftliche Erforschung des
mythologischen Materials aus historischen Quellen
und aus literarischen, ikonografischen oder mündlich
übermittelten Erzählungen über die Glaubens- und
Vorstellungswelt der Menschheit von Anbeginn bis
heute. 2. der Korpus der Mythen, auf die eine Kul-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur