Seite - 942 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Nachbarschaft/soseščina (soseska) im Unteren Gailtal/Spodnja Ziljska dolina
denen ursprünglich vor allem Alm-, Weide-, Holz-
und Streurechte am grundherrschaftlichen Besitz zu-
standen, die von ihnen gemeinschaftlich auf Basis des
Gewohnheitsrechts und/oder von gesatzten Nachbar-
schaftsordnungen genützt wurden. In späterer Zeit
traten auch gemeinschaftliche, zu bestimmten Zeiten
genützte Rechte an Grundstücken (z. B. für Frühjahr-
oder Herbstweide), die zum Teil zu den Hofstellen
der einzelnen Bauern gehörten, aber auch an solchen,
die sich in bäuerlichen Gemeinschaftsbesitz befanden,
hinzu.
Die der einzelnen Na./so. zukommenden Nutzungs-
und späteren Eigentumsrechte verpflichteten diese zur
Erhaltung von Einrichtungen, die im öffentlichen In-
teresse lagen, etwa bestimmter Wege, Straßen, Brücken
und Übergänge, zur Durchführung von Kultivierungs-
und Rekultivierungsmaßnahmen im Rahmen des Wei-
debetriebes (z. B. Schwendungen von Weideflächen)
oder Sanierungs- und Schutzmaßnahmen (Sicherung
von Bächen, Aufräumarbeiten nach Unwettern). Vor
allem oblag der Na./so. die Organisation des Weide-
betriebes (Bestellung des Hirten, Kontrolle des Viehs,
Verhinderung der Einweidungen von Vieh nichtnut-
zungsberechtigter Eigentümer oder Gemeinschaften).
Zu den Pflichten der einzelnen Teilgenossen gehörte
auch die Teilnahme am Taiding. Nach außen hin wur-
den diese Gemeinschaften durch zumindest zwei in
freier Wahl durch die Anteilsberechtigten bestimmte
Sprecher vertreten, denen auch die Finanzgebarung
und die Verwahrung der Urkunden oblagen.
Bis ins 18. Jh. hinein besaßen die einzelnen Na./so.
kaum eigenen Grundbesitz, sondern waren vielmehr
Inhaber von Nutzungsrechten, die – aus heutiger Sicht
– Servituten entsprachen. Das damit belastete (»die-
nende«) Gut war im Regelfall grundherrschaftlicher Be-
sitz. Sämtliche Na./so. waren naturgemäß bestrebt, jede
Minderung ihrer Rechte, sei es vonseiten der Grund-
herrschaft, fremder Na./so. oder Dritter, zu unterbinden,
was vor allem im Streit um Weiderechte zu heftigen
Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Na./so.
führen konnte, die insbesondere bei Streitigkeiten der
Untergailtaler Na./so. nicht selten die Kärntner Lan-
des- und sogar Wiener Hofstellen beschäftigten. Ein
weiteres Konfliktpotenzial bedeuteten die – ungleichen
– Anteilsrechte innerhalb der einzelnen Na./so., deren
Ausmaß mit der Größe der jeweils berechtigten Hof-
stelle korrelierte, bzw. der Widerstand gegen die Auf-
nahme neuer Anteilsberechtigter aus dem Kreis später
entstandener Hofstellen (Neukeuschen). Zudem ver- stärkten sich ab dem frühen 19. Jh. das Streben nach
wirtschaftlicher Selbstständigkeit und die Forderungen
der einzelnen Na./so. nach Umwandlung der bisheri-
gen Servitute in Eigentum an den genützten Flächen.
Einzelne Grundherrschaften, so im Unteren → Gailtal/
Spodnja Ziljska dolina, kamen diesen Forderungen da-
hin gehend nach, dass kleinere Weidefluren und Wald-
stücke einzelnen Na./so. überlassen wurden, die diese
– vor allem bei Weiden – ins gemeinsame Eigentum
übernahmen und als Gemeinschaftsbesitz nützten und
verwalteten oder – vor allem bei Wald – eine Verteilung
unter den einzelnen Mitgliedern, zumeist differenziert
nach der Größe der Hofstelle (Bauer, Keuschler), zur
Einzelnutzung vornahmen.
In den Jahrzehnten nach der Grundentlastung durch
die Revolution des Jahres 1848 (→ Revolutionsjahr
1848) traten zu den bereits bestehenden Na./so. zahlrei-
che weitere Agrargemeinschaften, in denen Servituts-
berechtigte zusammengefasst bzw. der durch die Ab-
löse von Servituten entstandene Gemeinschaftsbesitz
organisiert wurden. Bereits bestehenden Na./so. wurde
im Zuge der Grundentlastung ebenfalls in den Ge-
meinschaftsbesitz, durch den vornehmlich Alm- und
Weiderechte am ehemaligen grundherrschaftlichen
Besitz abgelöst wurden, übertragen. Im Unterschied
zu anderen Kronländern, insbesondere in Tirol, waren
in Kärnten/Koroška Na./so. und Ortsgemeinden kaum
ident. So gab es 1885 in Kärnten/Koroška 3.013 Agrar-
gemeinschaften, jedoch nur 230 Ortsgemeinden.
In den folgenden Jahrzehnten wurden zahlreiche
dieser Agrargemeinschaften und mit ihnen auch die
historischen Na./so. rechtlich neu geregelt. Die nun-
mehr endgültig fixierten Anteilsberechtigungen, die
Besitzverwaltung, die Waldnutzung und der Weidebe-
trieb wurden dabei jeweils durch einen sog. Generalakt
geregelt. Insgesamt gab es in Kärnten/Koroška rund
2.000 solcher Regulierungsmaßnahmen, von denen
rund zwei Drittel auf Oberkärnten/Zgornja/Koroška
entfielen. 1913 wird die Zahl der Agrargemeinschaf-
ten in Kärnten/Koroška mit 2.065 angegeben, wobei
jedoch mehr als die Hälfte einen Gutsbestand von we-
niger als drei Hektar umfasste.
Heute sind auch die – seit Jahrhunderten bestehen-
den – historischen Na./so. rechtlich als Agrargemein-
schaften organisiert. Die Rechtsgrundlage für ihre Ge-
schäfts- und Verwaltungstätigkeit bilden der jeweilige
Generalakt bzw. die Statuten. Als Aufsichtsbehörde
und Berufungsbehörde 1. Instanz gegen Beschlüsse
der Vollversammlung fungiert die jeweilige Agrarbe-
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Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur