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Seehöhe im Jänner kälter sind, als jene in 700 bis 1.000 Meter. Im sicbenbürgischen
Berglande haben wir deßgleichen ähnliche Beobachtungen zu erwarten. Je continentaler,
dem Einflüsse des Meeres entrückter ein Bergland ist, desto häufiger und andauernder wird
sich diese eigenthümliche Vertheilnng der Wintertemperatur einstellen.
Dagegen erfreuen sich die Abhänge in einiger Höhe über den Thalsohlen, namentlich
bei südöstlicher bis südwestlicher Exposition des angenehmsten Winterklimas. Auch noch
im Sommcrbalbjahre genießen sie die Begünstigung, weniger von den kalten, thalabwärts
ziehenden Nachtwinden und von der feuchten Kälte und Nebelbildnng der Nachtstunden
zu leiden, als die Thalsohlen.
Wenn wir vorhin den Reiz eines milden, heiteren, windstillen Wintertages auf einem
Berggipfel hervorgehoben haben, so müssen wir nun auch hinzufügen, daß diese Witterungs-
zustände auf einigermaßen dominirenden Höhen doch nur einige kurze Episoden des ganzen
Winters bilden. Die längste Zeit hindurch herrscht heftiger Wind, und mit diesem kommt
stets die Kälte. Um wie viel empfindlicher aber eine niedrige Temperatur bei starkem Winde
ist als bei Windstille, weiß Jedermann. Unten im Thale herrscht die strenge Kälte bei
Windstille, oben jedoch zumeist bei starkem Winde, Wärme tritt nur bei Windstille ein. Der
Bewohner des Berghauses am Obir leidet deßhalb doch auch im Jänner viel mehr an Kälte
als die Bewohner von Klagenfurt, obgleich die Mittcltemperatureu dann nahe die gleichen
sind. Die empfindlichste Kälte kommt für die Höhen aber erst gegen Ausgang des Winters
und zu Anfang des Frühlings, wenn unten schon die Vegetation wieder erwacht. Der
durchschnittlich heitere Winterhimmel macht dann unruhigem, fast constant trübem und
schneereichem Wetter Platz. Das Frühjahr ist die schlimmste Seite des Höhenklimas,
wogegen der Herbst und namentlich der Spätherbst dessen Glanzseite ist. Im Sommer
findet ein öfterer Wechsel zwischen beiden statt.
So nahe und schroffe Gegensätze, wie sie auf großen Höhen zwischen einem
heiteren, windstillen Sommertage und einem oft über Nacht hereinbrechenden stürmischen
Regen- oder Schneetage bestehen, kennt die Niederung nicht. Jener füllt die Höhen mit
Licht und ätherischem Glänze, die trockene, frische Luft regt alle Lebensgeister an, der
Wanderer fühlt sich wie in einem überirdischen Reiche, frei von dem Drucke und den Sorgen
des Lebens. Dieser breitet über Alles sein finsteres, feuchtes Nebel- und Wolkentuch. Der
Gesichtskreis ist auf wenige Schritte eingeschränkt, der vom Sturm gepeitschte seine Regen
oder Schnee dringt durch jedes Kleidungsstück und macht den Wanderer vor Frost erstarren.
Aufschauernd fühlt er seine Ohnmacht, die Hilflosigkeit eines einzelnen Menschenlebens hier
im freien Reiche der Wolken und der Stürme.
Der Sommer (namentlich der Frühsommer) ist die Jahreszeit, wo die Temperatur-
unterschiede zwischen deu Höhen nnd den Niederungen am größten sind. Man vergleicht
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Band 2
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Band
- 2
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.77 x 26.41 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch