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Stößen weht (Resoli genannt), die oft eine so furchtbare Heftigkeit erreichen, daß sie große
Steine fortführen, Menschen, Thiere und Gefährte, auf dem Karst selbst Eisenbahnwaggons
umwerfen. Den Schiffen zur See werden diese Windstöße besonders gefährlich. Der
Ausbruch der Bora kündet sich bei heiterem Wetter durch eine Wolkenbildung über dem
Gebirgskamme an, die auf die Küste herabzustürzen scheint, aber in einer gewissen Höhe
über dem Meere sich wieder anflöst. Dieses wasserfallartig vom Gebirge herabhängende
Wolkengebilde, das unten horizontal scharf abgeschnitten erscheint, ist ein ständiger
Begleiter der Bora; so lange diese Wolkenlage bestehen bleibt, darf man an ein Aufhören
der Bora nicht denken. Sie tritt am häufigsten uud heftigsten anf im nördlichen Theile der
Adria, zu Trieft, Finme, Zengg, Zara; weiter nach Süden wird sie immer schwächer nnd
seltener. An den genannten Orten kann sie im Winter ein bis zwei Wochen anhalten mit
niedriger Temperatur (doch selten unter dem Gefrierpunkt) und großer Lufttrockenheit. Der
Himmel ist während der Bora meist heiter (die Wolkenbildung über den Bergen abgerechnet)
oder nur in sehr großer Höhe mit einem grauen Wolkenschleier bedeckt. Es kommt nicht
selten vor, daß im nördlichen Theile der Adria Bora herrscht, während an der südlichen
Küste der Seiroceo weht.
Wenn der Luftdruck über dem adriatifchen Meere niedrig ist, während er über
Mitteleuropa steigt nnd gleichzeitig daselbst mit Nordwest- und Nordwinden die
Temperatur fällt, so ist dies die günstige Wetterlage für den Eintritt der Bora an den
adriatifchen Küsten; deßgleichen wenn von Westen oder Südwesten vom Mittelmeere
herüber ein Barometerminimum heranzieht. Da das Hinterland der adriatifchen Küsten
ein kaltes Gebirgsland ist, so solgt dann die kalte Luft diesem Impuls mit gesteigerter
Heftigkeit und stürzt sich wasserfallartig auf das warme Meer herab. Da sie sich aber bei
diesem Herabsinken erwärmt (gerade so wie dies beim Föhn der Fall ist), so bringt sie der
Küste nicht eine solche Abkühlung, als wenn nnr ein flaches Zwischenland die Küste vom
Binnenlande trennen würde, wohl aber um so größere Trockenheit. In den Gebirgs-
thälern, hinter dem Küstengebirge sinkt im Winter die Temperatur sehr tief, Gospic zum
Beispiel hat fast die gleichen durchschnittlichen Winterminima wie Krakau, zu Sarajewo
fällt die Temperatur nicht selten auf —20 bis —25°. Die Bora aber, die vom Binnen-
lande herauskommt, erniedrigt die Temperatur an der Küste selten bis unter den
Gefrierpunkt. So kann man sagen, daß die hohe Gebirgsküste dem Ufersaume seine milde
Wintertemperatur bewahrt und sie vor dem Einbrechen continentaler Kältegrade schützt,
anderseits aber ebenso das Hinterland von dem mildernden Einflüsse des warmen Meeres
abschließt und hier das Entstehen abnormer Kältegrade begünstigt.
Die schwächeren Formen der Bora sind an der Küste unter dem Namen „Borino"
bekannt. Im Sommer, mit der Ausgleichung des Temperaturunterschiedes zwischen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Band 2
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Band
- 2
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.77 x 26.41 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch