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Cerealienenltur anzustreben hat. Der Wiesenbau und mittelbar der schwunghafte Betrieb
der Viehzucht verlangen ebenfalls in diesem Gebiete eine entsprechende Bewässerung.
Berücksichtigt man, daß in uuserem Steppengebiete mehr als die Hälfte der wildwachsenden
Pflanzen ein- und zweijährig und im Hochsommer bereits ganz verdorrt und wie spurlos
verschwunden ist, — berücksichtigt mau ferner, daß von der anderen Hälfte noch ein guter
Theil auf Arten mit unterirdischen Zwiebeln, Knollen und Wurzelstöcken kommt, die in
der trockenen Zeit gleichfalls eingezogen haben: so bleibt nur eine verhältnißmäßig kleine
Gruppe von ausdauernden Pslauzenarteu übrig, welche im Hochsommer die Decke des
Bodens bilden. Aber auch diese wenigen Gewächse sind als Futterpflanzen von geringer
Bedeutung; die Halophyten, welche im Hochsommer am längsten saftig und grün bleiben,
werden vou den weidenden Thieren nicht angetastet; die meisten ausdauernden Gräser und
Schmetterlingsblütler aber haben im Juli bereits abgereist, zeigen von da an keinen
weiteren Zuwachs mehr und besitzen daun so viel wie keinen Futterwerth. Nur auf dem
sumpfigen Boden erhält sich die Vegetation auch im Hochsommer frisch und grün und hier
finden zu dieser Zeit die weidenden Thiere auch die ergiebigste Nahrung. Wo aber die
Sümpfe trocken gelegt wurden, stellte sich naturgemäß im Hochsommer Futtermangel ein,
was bei öfterer Wiederkehr ein Zurückgehen der Viehzucht nach sich ziehen mußte. Auch
in dieser Richtung ist daher eine sorgfältig regnlirte, mit der Entwässerung Hand in
Hand gehende Bewässerung von größter Wichtigkeit und nur durch sie kann die gesammte
Landwirthschast im Steppengebiete vor den Nachtheilen der schwankenden klimatischen
Verhältnisse bewahrt werden.
Als charakteristische Culturpflanzen des Steppenlandes sind noch die Melonen,
Kürbisse, Gurken, Tabak, Paprika und Sonnenblumen anszusühren. Sie gehören durch-
wegs zu jenen Gewächsen, welche einer rasch zu hoheu Graden sich steigernden Sommer-
wärme bedürfen, und sie gedeihen bei genügender Feuchtigkeit des Bodens mit außer-
ordentlicher Üppigkeit. Insbesondere die Wassermelone reift nach Verlauf dreier Monate
eine Fülle der saftreichsten Früchte. Wenig günstig dagegen ist die Steppenregion der
Cultur des Weinstockes, und die wenigen Weingärten, die man an sandigen Stellen hier
und da angelegt hat, liefern nnr ein sehr mittelmäßiges Prodnct. Die Cultur von Holz-
pflanzen beschränkt sich auf die Anzucht von Weiden, Pappeln, Stieleichen und Akazien
und ist nur in der Nähe von Wasserläufen und dort, wo der Boden von genügendem
Grundwasser weit herauf durchfeuchtet ist, von Erfolg gekrönt. Vielfach muß Rohr das
fehlende Holz ersetzen und man benützt dasselbe nicht nur zum Decken der Hütten und zur
Umfriedung kleiner Kärtchen, sondern auch als Feuerungsmaterial, ja selbst zur Ver-
besserung der Wege, iudem man mächtige Schichten ausgetrockneter und starr gewordener
Halme quer über die grundlosen Pfade breitet.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Band 2
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Band
- 2
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.77 x 26.41 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch