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jenen, welche die Geologie als maßgebend für die Gestaltung des Erdreliess erkannte, die
den Boden, das Klima und die für die Thierwelt so überaus belangreiche, mit ihr in
innigstem Counexe stehende Flora veränderten, beeinflussen auch jetzt noch, freilich in der
kurzen Dauer eines Menschenlebens oft kaum merklich, die Zusammensetzung der Thierwelt
je eines bestimmten Gebietes — sie bedingen einen steten Wechsel. Uns selbst werden solche
Veränderungen am auffälligsten in den genauer bekannten höheren Thierclassen, vor Allem
in jenen der Wirbelthiere; hier zunächst in der der Beobachtung leichter zugänglichen
Vogelwelt, die ja für so viele Landschaften oft die einzig charakteristischen Elemente beistellt,
und durch Verschleppung von Thiereiern ganz besonderen Einfluß auf die Gestaltung der
Fauna nimmt. Welchen Antheil an den vielfach constatirten örtlichen Verschiebungen der
Stand- und Brutplätze der Vögel der Zufall, die active Wanderlust, der Kampf ums
Dasein, das Überhandnehmen räuberischer Arten und locale Ereignisse in der ursprüng-
lichen Heimat haben, ahnen wir freilich nur in den seltensten Fällen; gewiß spielen häufig
auch die für das colonienweife Zusammenleben der Vögel so verderblichen culturelleu
Bestrebungen des Menschen eine große Rolle, wie Urbarmachung des Bodens, Entwässerung
ausgedehnten Sumpfterrains und Ausrodung der Wälder; andernfalls begünstigen der
finanziellen Frnctificirung spottende Riede oder entlegene alpine Forste die Ansiedluug neuer
Formen; wir sehen z. B., daß nordische Vögel, die vordem nur als durchziehende Gäste
uns bekannt waren, in unserem, nach Klima und Vegetation außerordentlich abweichenden
Gebiete eine auch ihnen zusagende Heimstätte erkennen, so der Mornellregenpfeifer, der
Zwergfalke, die Uralseule, der rauchfüßige Bussard oder Schneegeier der Tundra, die
Wachholderdrossel. Südliche und östliche Gestalten rücken in unsere Zone vor, zunächst als
„Jrrlinge" notirt, dann gelegentlich wohl auch zum Brutgeschäfte sich entschließend,
gewiß häufig unerkannt und unbeachtet bleibend. Bekannt ist diese freiwillige Acclimatisation
vom egyptischen Aasgeier; daß der sogenannte orientalische Adler öfter bei uns erscheine,
ahnte man schon lange und wahrscheinlich gilt Ähnliches vom Schmarotzermilane und
vielleicht von dem bisher freilich noch nicht ganz sicher constatirten schönen Gleitaare,
dem afrikanischen Kuhreiher, dem Sporenkiebitze und anderen. Auch die Herpetologen
berichten über jüngst stattgefundene Verschiebungen von Standorten, über das Vorrücken
südlicher Reptilien, das Seltenerwerden der einen, das Überhandnehmen der anderen Art.
Auf die dermalige Verbreitung, beziehungsweise Verdrängung nnd Verminderung
vieler Säugethiere unserer Fauna, namentlich der jagdbaren ist, wie naheliegend, die
Thätigkeit des Menschen von größtem Einflüsse gewesen; mehrere, wie der europäische
Wieseut und der Steinbock sind in der Monarchie im Laufe dieses Jahrhunderts völlig,
der Biber nahezu ausgerottet worden, Bär und Luchs, weniger noch die Wildkatze zählen
ihre Lebenstage und sind gezwungen, ihren Aufenthalt in einigen der unzugänglichsten,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Band 2
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Band
- 2
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.77 x 26.41 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch