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Die slavische Ansiedlung — der letzte Act der Völkerwanderung — geschah nicht
etwa durch friedliche Einwanderung, sondern unter blutigen Kämpfen, in welchen die
bis dahin noch übrig gebliebenen Muuicipieu und romanischen Orte von der Donau
bis an die Küsten Jstriens und Dalmatiens zerstört wnrden. Die germanischen Völker
haben stets die römische Cultur geschont und sich so rasch in dieselbe eingelebt, daß dabei
sogar ihre eigene Nationalität in Gefahr kam. Nunmehr legte sich eine mächtige Schichte
mit ganz primitiven Verhältnissen, welche früher gar keine Beziehungen zur römischen Welt
gehabt hatte, über den Romanismus und erstickte dessen Cultur vollkommen. Die neueren
Forschungen über die slavischen Ansiedluugeu in unseren Ländern haben die volle Unab-
hängigkeit derselben von den römischen Ortschaften nachgewiesen. Dies gilt sogar bis zu
einem gewissen Grade von den in beiden Culturepochen besiedelten Gegenden. In vielen
Fällen waren jedenfalls bei der slavischen Oceupation ganz andere Gesichtspunkte maß-
gebend als bei der römischen, da die erstere sich auf das Princip der individuellen
Vertheidigung und die letztere auf ein kunstvolles, von einem mächtigen Staate getragenes
Vertheidigungssystem stützte. Mögen sich auch in abgelegenen Thälern noch spärliche Reste
der Romanen erhalten haben, so verlieren dieselben von nun an jede ethnographische
Bedeutung. Übrigens finden sie sich hauptsächlich in Gegenden, in welchen, wie in Tirol
und Salzburg, die Slovenen keinen festen Fuß faßten.
Die Reaction der in rascher Befestigung begriffenen germanischen Herrschaft gegen
den Slavismns begann bereits am Ende des VII. Jahrhunderts dnrch die Aufnahme der
christlichen Mission unter deu Alpenslaven. Das Bedürfniß nach Schutz vor den Avaren
trieb die Karentaner in die Arme der Baiern und führte schließlich zn einer baierischen
Oberherrschast über Karentanien, Kram und Frianl, welche durch die Einfügung des
baierischen Herzogthums in das mächtige Reich Karl des Großen noch gefestigt wurde. Erst
im Gefolge des dnrch die Vernichtung der Avarenmacht 803 zum Abschlüsse gelaugten
fränkischen Verwaltnngssystems erhielten die energischen und großartigen Occnpationen
der römischen Kirche im Slavenlande eine gesicherte Basis. Gegen Ende des IX. Jahr-
hunderts begauueu die baierischen Bisthümer und Klöster, sowie die Herzoge und
deutschen Adelsgeschlechter, welche im Dienste derselben oder sonstwie in den slavischen
Landen sich festgesetzt hatten, die planmäßige, aber durchaus friedliche Culturarbeit mit
Hilfe von aus allen Theilen des Reiches herangezogenen deutschen Ansiedlern.
Die Colonisation derselben erfolgte in der Ostmark hauptsächlich durch Rodungen
in den ungeheuren Wäldern, welchen die Gründungen von Hösen und Dörfern folgten.
Charakteristisch ist, daß dabei mit Vorliebe die Spuren römischer Cultur uud Ortsaulageu
von den Deutschen aufgesucht wurden. Auch die von deu Sloveueu gemiedenen breiten
Thalebenen kamen wieder unter den Pflug.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch