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einberufenen Landtage wurden verboten, die ständischen Ausschüsse ausgehoben und deren
Geschäfte der Landesregierung, allerdings unter Beiziehung vou ständischen Abgeordneten,
übertragen. Die alten Comittunalverwaltuugen wurden beseitigt, die Rechtspflege gelehrten
Richtern, die Verwaltung von der Regierung bestellten uud von den Gemeinden bezahlten
Magistraten anvertraut. Zur Durchführung der landesfürstlichen Verordnungen wurde
das Beamtenheer ansehnlich vermehrt und das bureaukratische System zu großer äußerer
Vollkommenheit ausgebildet.
Aber auch für Ungarn sollten dieselben Gesetze, dieselbe Verwaltung und dieselben
Stenern wie in den anderen österreichischen Provinzen maßgebend sein. Der ungarische
Landtag wurde nicht mehr berufen, die Cougregatioueu der Gespanschasteu, an die sich
die Regierung nm Geld und Truppen wenden innßte, wurden nahezu auf das Niveau der
erbläudischeu Landtage herabgedrückt. Der Sitz der ungarischen Statthalterei ward von
Preßburg nach der Mitte des Landes verlegt und die deutsche Sprache statt der bis dahiu
üblichen lateiuischeu als Amts- und Gesetzessprache erklärt.
Freilich darf man anderseits den Centralismns Josefs nicht ganz mit dem Begriffe
identifieiren, den man später so oft mit diesem Schlagworte verband. Was Josef anstrebte,
war vor Allem, daß die Staatsgeschäfte gleichmäßig und einheitlich geleitet werden sollten.
Bei der Durchführung aber räumte er de» Chefs der Läuderstelleu ein nicht geringes
Maß von Selbständigkeit ein, da detaillirte Vorschriften nicht nach seinem Geschmacke
waren. In jener Denkschrift von 1761 finden wir eine Provinzialisirnng des Heerwesens
in der Art geplant, daß jede Provinz ihre Trnppen selbst rekrntiren nnd erhalten sollte.
Und während er einerseits zur Beschleunigung des Geschäftsganges überall die deutsche
als Amtssprache einführte, warnte er anderseits aufs dringendste vor Überschwemmung
Galiziens mit dentschen Beamten nnd zeigte sich sogar geneigt, die Richter aus dem
heimischen Adel zu nehmen.
Auch hat Josef die dualistische Staatsform nicht völlig beseitigt. Wie ehedem steht
anch unter ihm der böhmisch-österreichischen die ungarische Hofkanzlei gegenüber, mit der
er die siebeubürgifche vereinigte. Es ist ein Jrrthnm, wenn man behauptet, Josef habe
Ungarn lediglich durch deutsche Beamte regiert; die vornehmsten Ämter bekleideten Mit-
glieder der eingeborenen Aristokratie. Es gelang ihm nicht einmal die Zollgrenze zwischen
Österreich nnd Ungarn auszuheben und einen völlig freien Verkehr zwischen beiden Reichs-
hälften herzustellen.
Josef gehört zu jenen Persönlichkeiten, deren ganzes Wesen eine Idee beherrscht.
Diese Idee war für ihn der Staat. So wie Josef sich selbst als „Verwalter" des Staates
und als dessen ersten Diener bezeichnet, so heischte er, der eigentliche Gründer des öster-
reichischen Beamtenstaates, auch vou jedem andere» Staatsdiener die gleiche Hingebung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch