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wünschte er doch die permanente Union Polens und Sachsens und die innere Consolidation
der Republik, um sie dem gefährlichen Einflüsse Preußens und Rußlands zu entziehen.
Zugleich begann die französische Revolution jetzt zum ersten Male ihre Rückwirkung
auf die allgemeinen europäischen Verhältnisse geltend zu machen. Die Allianz zwischen
Österreich und Frankreich war vernichtet, Leopolds Schwester Marie Antoinette war auf
das äußerste bedrängt; eine Anzahl von im Elsaß begüterten Reichsfürsten hatte durch die
Franzosen materielle Rechtsverletzung erlitten; die Emigranten riefen alle Höfe um Beistand
an, die Jakobiner suchten die Bewohner der Grenzlande aufzuwiegeln.
Leopold widerrieth, so lange die Verwickelungen im Osten Europas seine Kräfte
in Anspruch nahmen, seiner Schwester jeden eutscheidenden Schritt — namentlich die
beabsichtigte heimliche Flucht — und wies auch das Hilfegesuch des Grasen Artois ab. So
wie Kaunitz hielt Leopold die dauernde Beschränkung der königlichen Gewalt in Frankreich
und die Eindämmung der Fluten der französischen Revolution im Interesse des europäischen
Friedens für gleich wüuscheuswerth. Als das geeignetste Mittel hierzu betrachtete er die
Schaffung eines haltbaren constitutionellen Zustandes iu Frankreich mit ausreichender
Autorität des Köuigs und breite» verfassungsmäßigen Rechten des Volkes. Wenn irgend
möglich, sollte dieser Ersolg ohne Waffengewalt erzielt werden, namentlich ohne Abreißung
französischer Grenzgebiete, um die über deren Vertheiluug voraussichtlich entbrennenden
europäischen Händel zu vermeiden. Daher kam Leopold auf deu Plau eines großen
europäischen Concerts, in dem alle Mächte auf Frankreich einen moralischen, zugleich von
militärischen Demonstrationen begleiteten Druck ausüben sollten. Da aber das Zustande-
kommen eines derartigen Concerts längere Zeit in Anspruch nahm, mahnte er seine
Schwester zu Vorsicht und Geduld. Erst als er von dem fehlgeschlagenen Fluchtversuche und
der Gefangennehmung des französischen Königspaares vernahm, erließ er, tief erschüttert,
von Padua aus ein Rundschreiben an alle europäischen Souveräne, worin er sie auf-
forderte, sich gemeinsam der Sache Ludwigs XVI. anzunehmen, schloß Frieden mit der
Pforte (zu Sistowa), um sich die Hände im Osten frei zu machen, und ging mit Preußen
eine» Vertrag ein, worin sich beide Höfe ihre Territorien garantirten und erklärten, sich um
die Herbeiführung jenes europäischen Concerts bezüglich Frankreichs bemühen zu wollen.
Aber selbst jetzt noch suchte Leopold den Bruch mit Frankreich sorgfältig zu vermeiden,
zumal bei der Abneigung Englands wider dasselbe das europäische Concert im weiten Felde
lag. Selbst noch bei der Zusammenkunft Leopolds und Friedrich Wilhelms II. zu Pillnitz
wurde der europäische Charakter der frauzösischeu Frage, die nur durch ein gemeinsames
Vorgehen aller Souveräne zu erledigen sei, betont, und wie wenig begründet die vielver-
breitete Ansicht ist, daß zu Pillnitz die erste Coalition zum Augriffe auf die französische
Revolution gestiftet worden sei, zeigt abgesehen davon, daß die Denkschrift, welche der
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch