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Was im Osten der griechische Freiheitskampf, das bedeutete im Westen für Metternichs
System die Julirevolution, die den Beweis lieferte, daß der mühsam aufgeführte Bau des
Wiener Cougresses doch nur eine Sisyphusarbeit gewesen, und daß das Feuer, desseu
Gluten man in Italien und Spanien ausgetreten zu haben wähnte, auf dem Herde selbst
noch immer nicht erloschen sei. Auch hier blieb schließlich Metternich nichts übrig, als
den Bürgerkönig anzuerkennen, der in directem Gegensatze zu deu iu der Staatskanzlei
herrschenden Grundsätzen über Barrieaden auf den Thron gestiegen war. Und wie ein
Unglück selten allein zu kommen pflegt, so Pflanzte sich wie ein Lauffeuer die revolutionäre
Bewegung von Frankreich über Deutschland und die Schweiz, Italien, Belgien und
Polen sort. Gelang es auch schließlich noch einmal des Brandes Meister zu werden, so
legte doch das junge Königreich Belgien, das aus dem Zwitterstaate der vereinigten
Niederlande ausschied, iu das Cougreßwerk eiue ueue Bresche.
Die wichtigste Folge der Julirevolution aber war die ueue Coustellatiou der Groß-
mächte, die sich aus der verschiedenen Stellung zu ihr ergab. Dem Bunde der Ostmächte
stellte sich ein Bund der Westmächte gegenüber, eine Spaltung, die zugleich den Gegensatz
zwischen Absolutismus und Constitntioualismus in sich schloß. Jenen Bund der Ostmächte,
der sich unter dem zwingenden Einflüsse der realen Interessen gelockert hatte, von uenem
fester zusammenzufügen, darauf war das Streben Metternichs nmsomehr gerichtet, als die
Wiedergeburt der heiligen Allianz allein Rettung gegenüber jenen revolutionären Ideen
verhieß, die damals von Frankreich aus auch in Deutschland Eingang fanden und die mit
dem Bestehenden unzufriedenen Gemüther in heftige Gährnng versetzten. Auch der Thron-
wechsel in Österreich legte den Wunsch uach einer derartigen Befestigung der Allianz mit
Preußen und Rußland nahe, zumal der sterbende Monarch die Beibehaltung seines Systems
in Allem und Jedem empfohlen hatte und der Blick in die Zukunft des Staates keineswegs
tröstlich war. — Denn Kaiser Ferdinand stand zwar bereits in reifem Mannesalter, als ihn
der Tod des Vaters auf den Thron Österreichs berief; allein schwächliche Körperanlage
und andauernde Kränklichkeit wirkten hemmend und störend auf seine Willenskraft und
gewährten uur jener Herzensgüte Raum, die im Wohlthun die reinste Freude fand und
daher dem liebreichen Monarchen bald den Beinamen des Gütigen verschaffte. So kam es,
daß Kaiser Ferdinand eigentlich nur dem Namen nach regierte, dagegen für die Leitung
der Geschäfte gleich anfangs in anderer Weise Fürsorge getragen werden mußte. So fiel
denn, da von der Einsetzung einer formellen Regentschaft aus Rücksicht auf die Verfassung
Ungarns, die eine solche Einrichtung uicht kannte, abgesehen werden mnßte, die eigentliche
Regierung der sogenannten Staatseonserenz zu, in welcher des Kaisers Oheim Erzherzog
Ludwig und in dessen Abwesenheit der Staatskanzler Fürst Metternich den Vorsitz führte,
und der außerdem als präsumtiver Thronfolger Erzherzog Franz Karl und für die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch