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Vorwort
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schriftlichen Nachbearbeitungen, weshalb eher davon auszugehen ist, dass sie für
Horváth keine weitere Gültigkeit hatten. Dennoch muss man annehmen, dass
K2/TS1–TS6 bei der Uraufführung Anwendung fanden, denn im dabei von der Regie
bzw. Dramaturgie verwendeten Exemplar des Stammbuchs (ÖLA27/S 17) finden sich
Markierungen mit rotem und blauem Buntstift sowie Bleistift, mit denen genau die
in den Fassungen in Form von Seitenangaben notierten Referenzstellen gekenn-
zeichnet sind. Damit war für Regie, Dramaturgie und Schauspieler eindeutig erkenn-
bar, an welcher Stelle die Abweichungen vom Stammbuch zu spielen waren, wie sie
mit den Nachbearbeitungen K2/TS1–TS6 gegeben sind.
Uraufführung und zeitgenössische Rezeption
Am „Märchen in zwei Teilen“Himmelwärts (1934) zeigt sich paradigmatisch die pro-
blematische und ambivalente Situation, in der sich Ödön von Horváth seit der Macht-
ergreifung Hitlers 1933 befand. Der Kleist-Preisträger des Jahres 1931, der mit Stü-
cken wie Italienische Nacht, Geschichten aus dem Wiener Wald (beide 1931) sowie
Kasimir und Karoline (1932) große Erfolge auf den Berliner Bühnen gefeiert hatte
und zumindest von der (links-)bürgerlichen Kritik eines Alfred Kerr oder Alfred Pol-
gar als eines der größten Talente unter den jungen Autorinnen und Autoren gerühmt
wurde,34 konnte auf den nun gleichgeschalteten Bühnen nicht mehr gespielt werden.
Polemiken von Seiten der völkischen Kritik hatte Horváth seit seinen frühesten
dramatischen Arbeiten (etwaSladek, Die Bergbahn und Italienische Nacht) zu gewär-
tigen gehabt.35 Dennoch wurde er von Regisseuren wie Francesco von Mendelssohn
oder Heinz Hilpert an den großen Berliner Bühnen bis 1933 relativ problemlos und
überaus erfolgreich gespielt. Nach 1933 wurden jedoch bereits geplante Inszenierun-
gen durch gezielte politische Agitation von rechts verhindert; so etwa eine für Ja-
nuar 1933 von Hilpert avisierte Uraufführung vonGlaube Liebe Hoffnung (1933), auf
die der Regisseur schließlich unter dem Druck der Nationalsozialisten verzichtete.36
Hilpert wies noch im März/April 1933 in denBlättern der Volksbühne Berlin darauf
hin, dass „ein Theater der Zeit auch den Autoren der Zeit gehören soll“ und dass er
von den jungen Autoren vor allem „Broch und Horvath“ schätze.37 Ein ebenfalls in
denBlättern erschienener anonymer Artikel verdeutlicht jedoch, dass sich die Berli-
ner Theater bereits zu diesem Zeitpunkt in der Krise befanden und dass zahlreiche
Theater im laufenden Spieljahr pleite gegangen waren.38 Andere wiederum, wie etwa
das Staatliche Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, waren „unter den Einfluß poli-
tischer Machthaber gekommen, die in ihren bisherigen Aeußerungen leider erkennen
ließen, daß eine unparteiische, höchsten Zielen zustrebende Kunstpflege nicht ihre
Sache ist“.39 Und weiter heißt es dort:
34 Vgl. etwa die zeitgenössische Rezeption vonGeschichten aus dem Wiener Wald, WA3, S. 28–32.
35 Vgl. etwa die Rezeption von Sladek und Italienische Nacht, WA2, S. 12 und 222–225.
36 Vgl. KW 6, S. 156 und Horváth 2007, S. 101.
37 Heinz Hilpert: Zeitgenössische Dichter und wir. In: Blätter der Volksbühne Berlin, Jg. 1932/33,
Heft 4, März/April 1933, S. 1.
38 Vgl. Anonym: Berliner Theater in der Krise. In: Blätter der Volksbühne Berlin, Jg. 1932/33,
Heft 4, März/April 1933, S. 1–3, hier S. 1f.
39 Ebd., S. 2.
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Band 1
- Titel
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Untertitel
- Historisch-kritische Edition
- Band
- 1
- Autor
- Ödön von Horváth
- Herausgeber
- Klaus Kastberger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 338
- Kategorien
- Weiteres Belletristik