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Vorwort
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Zur Uraufführung vonHimmelwärts am Deutschen Theater kam es schließlich nicht.
Hilpert wurde von höchster Stelle an diesem Vorhaben gehindert.47 Schlösser schrieb
in diesem Zusammenhang an den Propagandaminister Goebbels:
Horváth, dem eine gewisse literarische Geschicklichkeit nicht abzusprechen ist, konnte für
seine „G’schichten aus dem Wienerwald“, die spezifisches System-Theater sind, seinerzeit den
Protest der gesamten nationalen Presse quittieren, andererseits freilich die begeisterte Zustim-
mung Kerr’s.48
Der als „Edelkommunist“49 und „Salonkulturbolschewis[t]“50 verschriene Horváth
hatte bereits im Februar 1933 Murnau verlassen müssen, nachdem er anlässlich der
‚Sportpalastrede‘ Hitlers am 10. Februar 1933 in einem Murnauer Wirtshaus gebeten
hatte, das Radio abzuschalten, bzw. nachdem er während der Rede vermeintlich „Be-
merkungen schlimmster Art“51 geäußert hatte und von anwesenden Nationalsozialis-
ten angegriffen worden war.52 Er verließ daraufhin fluchtartig Murnau und siedelte
sich vorerst in Wien an, kehrte in den folgenden Jahren jedoch wiederholt nach Mün-
chen und Berlin zurück, wo er versuchte, als Drehbuchautor im reichsdeutschen Film-
betrieb mitzuwirken, um sich damit seinen Lebensunterhalt zu sichern.53 Parallel
dazu bemühte er sich, über den Beitritt zum RDS weiterhin im deutschen Theaterbe-
trieb mitzumischen.54 Der Vertrag mit dem Neuen Bühnenverlag über Himmelwärts
vom 19. Juli 1934 schien diese Entwicklung zu besiegeln.55 Die Querelen um die Ur-
aufführung des Stückes durch Hilpert, die dem vorausgingen, liefen quer zu dieser
Entwicklung. Horváth versuchte deshalb selbst in das Geschehen einzugreifen. In ei-
nem Brief an den Neuen Bühnenverlag vom 18. Juni 1934 schreibt der Autor:
[M]an hat mir erzählt, dass Hilpert im V.B. [Völkischen Beobachter; Anm.] (Berliner Ausgabe)
und im „Der Deutsche“ angegriffen worden ist, weil er in der nächsten Spielzeit ein Stück von
mir bringen will.56
47 Hilpert plante bereits 1945 wieder eine Aufführung von HorváthsHimmelwärts durch eine von
ihm und Wilfried Seyferth konzipierte Wanderbühne mit dem Namen Der Grüne Wagen, die je-
doch erst 1955 wirklich zustande kam; vgl. Dillmann 1990 (Anm. 41), S. 211.
48 Brief Rainer Schlössers an Joseph Goebbels, Original im Zentralen Staatsarchiv Potsdam [heute:
Deutsches Bundesarchiv], Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Akte
Nr. 296, Bl. 74, 75; zitiert nach Dillmann 1990 (Anm. 41), S. 328.
49 Schreiben der Gendarmeriestation Murnau an das Bezirksamt Weilheim vom 18. Januar 1935,
Staatsarchiv München, LRA 3862.
50 RS [i.e. Rainer Schlösser]: Der Kleistpreisrummel. Ein Musterbeispiel neudeutscher Propagan-
da-Praktiken. In: Völkischer Beobachter (Berlin), 19.11.1931.
51 Anonym: Murnau. In: Murnauer Tagblatt – Staffelsee-Bote, 11.2.1933.
52 Vgl. WA 2, S. 229.
53 Vgl. zu seinen Aktivitäten im reichsdeutschen Filmbetrieb Evelyne Polt-Heinzl/Christine
Schmidjell: Geborgte Leben. Horváth und der Film. In: Klaus Kastberger (Hg.): Ödön von Hor-
váth. Unendliche Dummheit – dumme Unendlichkeit. Mit einem Dossier „Geborgte Leben. Hor-
váth und der Film“. Wien: Zsolnay 2001 (= Profile. Magazin des Österreichischen Literaturar-
chivs, Bd. 8), S. 193–261, hier S. 235–258.
54 Vgl. den Abschnitt „Datierung und Druck“ sowie Polt-Heinzl/Schmidjell 2001 (Anm. 53),
S. 229f.
55 Vgl. den Abschnitt „Datierung und Druck“.
56 Brief des Neuen Bühnenverlags an Rainer Schlösser vom 26. Juni 1934, zitiert nach dem Ab-
druck in: Heinz Lunzer/Victoria Lunzer-Talos/Elisabeth Tworek: Horváth. Einem Schriftsteller
auf der Spur. Salzburg/Wien [u.a.]: Residenz 2001, S.113–115, hier S.113. Der Brief findet sich
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Band 1
- Titel
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Untertitel
- Historisch-kritische Edition
- Band
- 1
- Autor
- Ödön von Horváth
- Herausgeber
- Klaus Kastberger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 338
- Kategorien
- Weiteres Belletristik