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Februar 1848
zweifle, es jetzt von excess zu excess bis zu einer 2. Auflage der mailänder
ereignisse kommen wird. das ist nun zwar insofern kein großes unglück, als
um ein paar hundert wälscher canaillen kein schade ist, aber es erbittert
und wendet uns die gemüther der gemäßigten und namentlich der unteren
classen (welche bis noch vor ganz kurzer Zeit an der ganzen Bewegung gar
keinen Antheil nahmen) ab, indem es dazu dient, den nationalhaß aufzusta-
cheln, ich habe in dieser Beziehung schon gelegenheit gehabt, die traurigen
resultate des 3. Jänners zu bemerken.
call’s Benehmen in allen diesen sachen ist mir unerklärlich, und er
scheint mir ebensowenig à la hauteur de sa position seyn als Palffy.
Wien 12. februar
den tag nach jenem theaterskandal, montag den 7., war eine Art von kat-
zenjammer über der stadt venedig, die leute gingen herum mit verlegenen
gesichtern und wunderten sich, noch nicht eingesperrt zu seyn, am markus-
platze war keine einzige dame zu sehen außer unsere coterie, Palfy, Zichy etc.
ich ging, nachdem ich bey giovannino serbelloni gefrühstückt hatte und dann
mit ihm auf seine specola gestiegen war, um bey dem schönen tage die herr-
liche Aussicht zu genießen, zu Palfy, der mir ein Paket an kolowrat mitgab
und mich bath, hier die dortigen Zustände so laut als möglich zu schildern, er
beklagte sich sehr über call und sprach sogar davon, ihn zu suspendiren.
die frechheit dieser wälschen hundsfötter, da sie sehen, daß ihnen Alles
ungestraft hingeht, übersteigt allen glauben. correr und die ganze munici-
palität verlangten am montage von Palfy die Bestrafung des hauptmanns
steinhofer, welcher allein in der fenice seine schuldigkeit gethan, und eine
Petition an den kaiser (!!) um dessen Bestrafung wurde noch am selben tage
angefertigt. kurz, der theaterabend vom 6. scheint mir eine Art von Wen-
depunkt für venedig geworden zu seyn, und ich war froh, tags darauf ab-
zureisen, denn ich fühlte, wie mich meine bisherige ruhe und gelassenheit
verließ, noch einige tage länger, und ich hätte vielleicht losgeschlagen.
ich aß noch am 7. bey marmont mit nani esterhazy, den Apponyis und
dametto, ein sehr angenehmes diner, ging von da zu thurn, wo viele leute
hinkamen, um mich noch zu sehen, Palfy, Zichys, Jane Pallavicini etc. um 9
empfahl ich mich, die damen gingen von da zu Wetzlar auf den Ball, den er-
sten dieses faschings, und man erwartete, daß es dort eingeworfene fenster
geben werde. in meinem Wirthshause erwarteten mich micherl strasoldo
und serbelloni, assistirten meiner toilette und begleiteten mich zur gondel.
vor 10 war ich an Bord des dampfschiffs sofia.
Wie ich an Bord war, wäre ich gerne wieder umgekehrt. venedig hat so-
vielen Zauber, besonders die letzten tagen waren so schön und angenehm
gewesen, daß man darüber manches verschmerzen kann. Zudem habe ich
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien