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Juni 1848
temberger1 etc. gehören) vereinigen und für einen reichsverweser (statt 3
directoren, wie im entwurfe steht) stimmen wollen, in der voraussetzung,
daß gagern dieser eine sey. dabey hat sie allerdings die arrière-pensée, r.
Blum oder soiron als Präsidenten zu bekommen. das linke centrum geht
schon weiter: es wäre auch mit einem fürsten als Präsidenten einverstan-
den und hält uns oesterreichern den erzherzog Johann als lockspeise vor,
damit auch wir für einen stimmen. Ja sie soll, wie man mich versichert,
sogar erklärt haben, daß, wenn auch ihr Antrag durchfallen sollte, sie sich,
um eine große majorität zu erzielen, dem commissionsantrage (also auf 3)
anschließen werde. Wieviel davon Wahrheit, wieviel finte sey, lasse ich un-
entschieden. die rechte, im steinernen hause, ist ganz entschieden für den
commissionsantrag.
dazwischen standen dann wir, die größte fraction der versammlung, und
waren auf dem Punkte übertölpelt zu werden. Wir hatten, und so auch ich,
erklärt, daß wir an der dreyheit festhielten. gestern Abend auf der mainlust
und auch anderwärts sprachen sich aber so gewichtige stimmen für die ein-
heit aus, von sovielen seiten wurde mir hinterbracht, daß für die dreyheit
keine oder doch nur eine sehr geringe mehrheit zu erhalten seyn würde, daß
ich mir, namentlich da ich erzherzog Johann vielfach nennen hörte, im stil-
len vornahm, unter dieser voraussetzung für die einheit zu stimmen, sobald
ich mich überzeugt haben würde, daß für die commission keine überwie-
gende majorität zu erreichen sey. in diesem sinne wollte ich denn auch auf
die oesterreicher wirken. ebenso wie ich waren schon eine menge Andere im
Begriffe umzusatteln. Auf der mainlust sprach ich gestern Abend nicht, um
mir für heute, wenn die discussion die Parteyen schärfer gezeichnet haben
würde, den übergang vorzubereiten.
diesen Abend hatten wir eine Zusammenkunft im russischen hofe, ich
sprach wieder entschieden für drey, sagte aber zugleich, daß ich auf eine
große majorität das höchste gewicht legte und dieser rücksicht viele
concessionen machen wollte. Auch erzherzog Johann wurde, von Andern,
genannt. da sprachen sich dann aber die Altpreußen, Bayern und hannove-
raner entschieden für die dreyheit aus, schmerling setzte auseinander, daß
die regierungen dieses letztere Projekt bereits angenommen hätten, wäh-
rend das der einheit die sache wieder um wenigstens 3–4 Wochen verzö-
gern würde, die oesterreicher sprachen ebenfalls für drey oder wenigstens
ganz entschieden gegen gagern und jeden Andern als erzherzog Johann,
die rechte läßt von der dreyheit ohnehin nicht ab, in der mainlust wurde
förmlich abvotirt und mit großer mehrheit für die dreyheit entschieden, so
bin ich denn nun wieder beruhigt und halte fester als je am commissionsan-
1 das linke Zentrum hatte seinen sitz im Württemberger hof.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien