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Jänner 1854
ich lese oder vielmehr durchblättere jetzt eines der vielen langweiligen
oder lügenhaften reisewerke über den orient: Warburton’s crescent and
cross,1 reine dichtung, so z.B. seine schilderung der harems à la mille et
une nuits, der orientale schätzt das Weib viel zu gering, um ihr densel-
ben luxus wie sich selbst zu gönnen, in den Pallästen der reichsten, wo
die Ausstattung des divans und der für den herrn bestimmten gemächer
prachtvoll ist, ist die des harems mehr als einfach.
Auch die gewaltthätige Abstellung zur Armée hat, wie ich bereits be-
merkte, wenigstens auf dem Papiere aufgehört, ebenso wie der durch die
truppen des Paschas bis noch vor wenig Jahren betriebene sklavenfang in
sennaar etc., freylich ist hier überhaupt in Allem druck, Bestechung und
Willkür, meist durch die untern und untersten organe, so wird es denn
auch in diesen Beziehungen in der Wirklichkeit aussehen.
der sclavenhandel ist hoch besteuert und fängt an, wenig gewinn zu
geben, für jeden kopf wird eine steuer von 350 Piaster, für Abyssinische
sclaven 500, gezahlt, am theuersten sind außer den eunuchen (welche in
kordofan fabrizirt werden) Weiber und knaben (letztere circa 1500 Pia-
ster), am wohlfeilsten erwachsene männer. der hauptsitz der sclavenjagd
ist kordofan, die hauptjäger die dort herum wohnenden Araber, welche
sie nach kordofan bringen, von da sind die hauptetappen und entrepôts
chartum, dongola, siut und cairo, wo sie dann von den käufern für con-
stantinopel etc. in empfang genommen werden.
in cairo sah ich einmahl eine ganze menge gebundener leute unter
militäreskorte und hörte, es seyen eisenbahnarbeiter, nähmlich fellahs,
welche auf diese Art ausgefangen und an ort und stelle gebracht werden,
so wird es auch mit der recrutirung aussehen. von unserer jungen mann-
schaft hat beynahe jeder ein Auge oder einen finger zu wenig, um ihr zu
entgehen. einer derselben war von cairo an bis vorgestern, da er von einem
kurzen Besuche in seinem dorfe zurückkam, einäugig, jetzt sieht er auf
beyden Augen – ! –
übrigens haben die leute auf mich überhaupt den eindruck gemacht,
daß sie nicht nur gutmüthige heitere menschen, sondern insbesondere für
europäer freundlich sind, selbst wo es nicht aus gewinnsucht geschieht,
wie oft z.B. kamen, wenn ich jagte, leute auf mich zu, um mir Wild zu zei-
gen, sogar tauben in der nächsten nähe der dörfer, welche doch nach der
Bauart derselben zu schließen (die taubenkogel sind immer der beste theil
des dorfes) ihr schatz zu seyn scheinen.
1 eliot Warburton, the crescent and the cross, or, romance and realities of eastern travel
(london 1845).
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien