Seite - 37 - in „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band III
Bild der Seite - 37 -
Text der Seite - 37 -
374.
Februar 1854
[am nil zwischen kenneh und girgeh] 4. februar
vorgestern erhielt ich noch einen Besuch von mustapha Aga, der mir un-
ter anderen dingen von den Bedrückungen erzählte, welche der mudir von
esnè über die hiesige Bevölkerung ausübt, überhaupt schinden die unter-
beamten, Beys, mudirs und scheik el Beled’s (nur die letzteren sind Araber,
d.i. ansässige leute, alle anderen türken) die fellahs und anderen ein-
wohner nach leibeskräften, theils durch robothen auf den ihnen angehö-
rigen oder zugewiesenen gründen, theils durch Wuchergeschäfte, doppelte
erhebung der regierungssteuern, fingirung solcher etc. AbbasPascha übt
strenge Justiz, wenn er dergleichen erfährt, was aber nur selten geschieht,
so z.B. erzählte mir mustapha, daß ein hier lebender franzose, m. monnier,
welcher für Ausgrabungen in luxor etc. vom Pascha 10.000 thaler erhalten
hat, im einverständnisse mit dem mudir die leute ohne allen lohn arbei-
ten läßt. nachts werden sie ins gefängniß gesteckt, am tage müssen sie
arbeiten, und nach 14 tagen werden sie abgelöst. das ist überhaupt eine in
egypten sehr beliebte Art, sich Arbeiter zu verschaffen.
Am Abende desselben tages hatte ich eine sehr unangenehme ge-
schichte, die erste dieser Art, an Bord unseres Bootes zu schlichten. es war
nähmlich, kurz ehe wir zu fletcher zum essen gingen, ein copte da gewe-
sen, welcher Alterthümer aller Art zum verkaufe brachte, was ein von der
regierung strengstens verbothener handel ist (so zwar daß sie sogar Wäch-
ter unter dem nahmen von führern aufgestellt hat, welche die reisenden
zu den ruinen etc. begleiten sollen, eine zwar sehr vernünftige, aber völlig
wirkungslose maßregel, indem die europäer so wie in Allem auch in dieser
Beziehung sich nichts befehlen oder verbiethen lassen). War es nun aus
diesem grunde oder, was wahrscheinlicher ist, daß unsere schiffsmann-
schaft von dem copten ein Bakschisch verlangte und nicht erhielt, kurz
der mann wurde windelweich geprügelt und kam, als wir eben bey tische
saßen, sich bey mir beklagen. ich ging gleich zu unserem Boote, rief mo-
hammed und den reis und erklärte, ich würde der ganzen mannschaft, den
reis inbegriffen, die Batonade geben lassen. mohammed weinte fast und
bath mich, ich möchte ihn die sache beylegen lassen ohne intervenirung
der Autoritäten, und da es mir ohnehin nicht damit ernst war, so sagte ich
ihm, wenn die leute dem copten seinen schaden ersetzen und dieser sich
in meiner gegenwart zufrieden erklären würde, so solle er die 2 hauptmis-
sethäter (deren nahmen ich nicht wissen wollte) durch den reis prügeln
lassen, und damit sey die sache abgethan. das hoffte ich denn auch, aber
nach einer halben stunde kam michele, der ein unausstehlicher sich in Al-
les mengender kerl, dabey ein misérabler Poltron, ein ächter neapolitaner
ist, athemlos mit seinem gewehre dahergerannt, der kerl hatte mit einem
jener beyden verbrecher händel angefangen, endlich zu seinem gewehre
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien