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48 Tagebücher
tariff, und nebstdem werden dem kaufmann für magazinage etc. 20% des
Zollbetrages bey der einfuhr, 16% bey der Ausfuhr vergütet.
seit ungefähr einem Jahre läßt der Pascha fast alle reicheren arabischen
grundbesitzer unter dem vorwande der Waffenverheimlichung arretiren
und mit 30 okan schweren halsketten nach fazoglou bringen, die güter
confiscirt er, erst neuerlich kam wieder so eine Massendeportation vor, dieß
ist theils eine politische, hauptsächlich aber eine finanzspeculation, wie
überhaupt sein Augenmerk hauptsächlich auf das geldmachen gerichtet
ist. grausam ist der kerl übrigens auch, erst gestern erzählte mir visconti,
daß er vor ein paar tagen bey AbbasPascha gewesen sey und da einen ef-
fendi vermißt habe, der ihm immer durch seinen weißen Bart aufgefallen
war. Auf seine erkundigung sagte man ihm, der mann fehle schon seit ei-
niger Zeit, er sey eines tages in den Pallast gekommen und seitdem nicht
mehr gesehen worden.
die litterarischen Bestrebungen hier und überhaupt im oriente be-
schränken sich jetzt auf zahlreiche und, wie man mir sagt, recht gute über-
setzungen europäischer schriften meist medicinischen, militärischen und
naturwissenschaftlichen inhaltes.
[cairo] 19. februar
gestern kam die Wienerpost. die nachrichten lauten immer kriegerischer,
die russischen gesandten haben Paris und london verlassen, die diploma-
tischen Beziehungen sind eingestellt. orloffs sendung nach Wien (wo er
eine bewaffnete neutralitätserklärung und den durchmarsch russischer
truppen verlangen sollte) scheint wenigstens zum theile verunglückt,
frankreich und namentlich Bourqueney in Wien führt öffentlich eine dro-
hende sprache gegen uns. Piemont rüstet, und der könig sagt unserm
chargé d’affaires, je suis l’avantgarde de l’armée française, der Prinz von
Preußen scheint ganz energisch zu gunsten einer Allianz mit england und
preußischer vergrößerungspolitik zu seyn. in der lombardie gibt es wieder
demonstrationen, und in ungarn sieht es curios aus, welche jämmerliche
stellung haben wir uns durch unsere knabenhafte Politik und durch die
allgemeine kenntniß unserer ohnmacht bereitet, es ist eine schande und
ein unglück, ein oesterreicher zu seyn. dabey steht das silberagio auf 29,
und alle materiellen Zustände sind elender als je, dank dieser hundsfötti-
schen regierung.
eine gute folge könnte diese misère haben, wenn sie dem jungen herrn
die Augen öffnete und als lektion diente, welch’ eine schmachvolle stellung
er sich selber bereitet hat. Aber selbst an dieses glaube ich nicht mehr. Al-
lerdings scheint er es für den Augenblick zu empfinden, und die öffentliche
meinung in oesterreich spricht sich mit einer für diese Zeiten merkwür-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien