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März 1854
neutral und suchte nur, durch die hoffnung eines besseren Backschisch auf
sie zu wirken.
Wir schlugen von suez die richtung nach norden, sogar mit einer leisen
Abweichung nach Westen, ein, währenddem wir, wie ich glaubte und noch
glaube, nordöstlich ziehend schneller und besser nach elArisch gekommen
wären, ich glaube, es war die furcht unserer leute, welche sich überhaupt
in diesem theile der Wüste nicht recht behaglich fühlten, mit fremden
feindlichen stämmen zusammenzutreffen, je näher sie ihrer gewohnten di-
recten straße, darb sultani von cairo nach elArisch, kamen, desto ungefü-
giger wurden sie daher in Beziehung auf die länge der tagmärsche.
so marschirten wir denn 4–5 tage fort, ohne große Abwechslung, mitun-
ter an einem sogenannten Brunnen anhaltend, dessen grünes stinkendes
Wasser nur für kamehle und Araber genießbar war, das Wetter war in die-
sen tagen mit Ausnahme einiger strichregen meistens schön, der himmel
von dunkelstem Blau, die nächte herrlich, diese weißen sandregionen er-
innerten mich zuweilen an eine europäische schneelandschaft, wir begeg-
neten 1 oder 2mahle kamehlheerden mit einzelnen Beduinen als hirten.
einige tage nachdem ich suez verlassen hatte, trafen wir an unserer
Nachtstation einen solchen Beduinenhirten, einen schönen, ernst und fin-
ster aussehenden mann, der, obwohl allein, unsern hasenfüßigen Aray-
schas großen Respekt einflößte, und auch Mohammed, dessen Heldenmuth
ebenfalls nicht weit her ist, nachdenklich machte, er war eben in meinem
Zelte, um mir die gefahren unserer lage vorzumalen, als der sheikh meiner
leute, ismail, ganz froh hereinkroch, um ihm zu erzählen, der gefürchtete
Beduine (vom stamme maree) habe so eben mit ihnen gegessen, daher sey
alle furcht vorüber, denn das ist die unwandelbare regel des Beduinen-
thums, ich mußte über diese allgemeine feigheit meiner leute herzlich
lachen. Des andern Morgens brachte mir dieser Beduine eine vortreffliche
Kamehlmilch und empfing einen Piaster Bakschisch.
Abbas Pascha läßt jetzt die Wüste von den Beduinenstämmen räumen
und zieht sie alle in die nähe von cairo und in seine unmittelbare umge-
bung, dort beschäftigt er sie mit Bauten, resp. materialientransporten aller
Art (außer tor und dar el Beda will er sich nun auch bey suez einen Pallast
bauen) und anderen dingen, was auch dabey seine Absicht seyn mag, die
sicherheit der Wüste wird dadurch nicht gewinnen, denn durch die ent-
fernung der Wüstenaristocratie, als welche die Beduinen anzusehen sind,
wird das Wüstenproletariat und alles mögliche gesindel raum gewinnen,
welches nicht zu controlliren und im Zaume zu halten ist.
überhaupt ist die politische constitution der Wüste, wenn man dieses
Wort gebrauchen darf, viel einfacher, als es Anfangs scheint, die Beduinen
sind hirten, ihr reichthum kamehl-, schaf- und Ziegenherden, deren wir
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien