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58 Tagebücher
die alte furchtsame geizige canaille, zahlte jedesmahl und lamentirte dann
stundenlang, im ganzen mußte 4mal, etwa 12–13 Piaster, gezahlt werden.
Gegen Mittag kamen wir nach Khan Yunis, von wo an die Gegend einen
sehr lieblichen und eigenthümlich syrischen character annimmt, der be-
deutend mehr an europa erinnert, als dieß in Aegypten der fall ist, nette
dörfer, angebaute felder, üppiger Baumwuchs, meist oliven, Pomeranzen,
feigenbäume, nur wenig Palmen, die felder und gärten mit immensen
Aloëhecken eingefaßt. ebenso ist dieß auch mit den menschen der fall,
malerischere costumes, edlerer typus, mehr lebhaftigkeit und stolz, wohl
auch Wildheit im Aussehen, alle bis an die Zähne bewaffnet. die öffentliche
sicherheit Aegyptens hat hier ein ende.
so kamen wir des Abends nach einem regengusse, der mich auf die haut
durchnäßte, nach gaza und campirten dicht an der stadt mitten unter
Aloën und orangenbäumen, der Abend war herrlich, das geheul der scha-
kale hörte ich in nächster nähe. in der nacht aber goß es wieder wie aus
strömen. mein schon nasses Bett, meine sachen, etc., ich selbst natürlich
waren durch und durch getränkt, kurz es war eine unangenehme lage und
ich froh, als der morgen kam, und ich mich an der sonne und durch das
gehen nach und nach trocknen konnte. der zehnte theil dessen, was mir
während dieser reise zugestoßen, hätte mir in europa gicht, erkältung,
rheuma und gott weiß was zugezogen, hier hatte es nicht die mindesten
folgen.
Als wir an der nun aufgehobenen Quarantaine vorüberzogen, mußten wir
uns doch noch der form wegen (gott weiß warum) von dem Quarantäne-
arzte inspiciren lassen, einem Piemonteser, welcher, froh italienisch reden
zu können, mich noch eine strecke begleitete. die gegend blieb dieselbe,
lieblich und schön, nur links am meere zieht sich eine reihe sandhügel
fort und macht zuweilen einen vorsprung in die grünen Wiesen des thales,
gleichsam als reminiscenz der Wüste. Wir campirten in sdutt,1 einem, wie
ich später hörte, übelberüchtigten dorfe, und zwar dicht an demselben, so
daß ich tag und nacht von neugierigen kindern und gaffern und spähen-
den dieben umgeben war. hier mußten wir ein kamehl zurück lassen, das
nicht mehr weiter konnte, und ein anderes nehmen.
Am 13. früh zogen wir weiter, an meine kleine caravane schlossen sich
der sicherheit wegen noch ein paar einzelne reisende an. Bey ibni2 schlu-
gen meine leute einen seitenweg rechts ein, um die ecke abzuschneiden,
welche die straße von hier nach ramleh macht, daher dieses zu umgehen
und Zeit zu gewinnen.
1 Wohl esdud, Ashdod.
2 Jebna, Jamnia.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien