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62 Tagebücher
so geht es denn in Allem und Jedem. frankreich möchte sich die mit
österreichischem und fremden gelde erbauten und erhaltenen häuser, An-
stalten etc. approppriiren und wird vom Patriarchen mit leidenschaft un-
terstützt, doch hat er bisher noch nichts erreicht, und seine Parthey und
sein Ansehen hier ist trotz des auf dem Papier bestehenden Protektorates
null, nur durch die franziskaner, die seit 600 Jahren hier sind und allge-
mein verehrt werden, läßt sich die katholische religion in diesem lande
vor dem steigenden übergewichte der griechen bewahren.
die griechen intriguiren bekanntlich stark, um uns aus Jerusalem hin-
auszuwerfen, und sie machen allerdings fortschritte, sowie sie uns z.B. in
der heiligen grabkirche aus den hauptsächlichsten Punkten, welche wir
früher allein inne hatten, ganz oder zum theile hinausgedrängt haben. Am
meisten geschah in dieser richtung während der napoleonischen Zeiten,
wo der katholizismus hier ganz schutzlos war. nach dem Brande von 1808
bauten die griechen das Abgebrannte neu, zerstörten auch mit fleiß man-
ches stehengebliebene und eigneten sich dieses und jenes zu, denn nach
türkischem gesetze gehört das erbaute dem erbauer, daher will auch jetzt
kein theil dem anderen die herstellung der kuppel gestatten, die seit 5–6
Jahren scandalös aussieht, nun soll, wie ich höre, ein Abkommen getroffen
worden seyn, daß der sultan diese reparatur vornehmen ließe. ohnehin
betrachtet sich die türkische regierung als eigenthümer der grabkirche, in
und über welcher auch mehrere türkische Wohnungen sind (u.a. über dem
chor der katholischen kapelle ein Pferdestall), und erlaubt daher z.B. die
reparatur und den neubau des katholischen hospizes (klosters), welches
an die kirche angebaut ist, nicht.
Am ersten tage meines Aufenthaltes, dem 15., machte ich bloß einen
langen spatziergang mit captain Bridgeman und einigen Amerikanern
zum Jaffathor hinaus, an dem Berge Zion und moriah (auf dem salomons
tempel und jetzt die moschee omars steht) vorüber, ins thal Josaphat,
wo nach türkischem glauben das jüngste gericht wird gehalten werden,
zur Quelle siloah, zum Brunnen der heiligen Jungfrau, dem thale hin-
nom, dem Blutacker Akeldamac, den alten Judengräbern, dem Brunnen
des Joab, den grabmälern des Zacharias, heiliger Jakob, Absalon und Josa-
phat, dann zum garten von gethsemane, ohne jedoch einzutreten, dem gol-
denen thore, durch welches christus einzog und das nun vermauert ist, da
eine tradition der türken sagt, daß die christen einst durch dieses thor
in Jerusalem wieder eindringen werden, dann dem stephansthore und dem
orte, wo der heilige stephan gesteiniget wurde, etc. in die stadt zurückge-
kehrt, sahen wir die via dolorosa, den Bogen des ecce homo, von welchem
christus dem volke gezeigt wurde, das haus des Pilatus daneben, den ort,
wo Er zum erstenmahle fiel und ein Loch in der Mauer gezeigt wird, die das
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien