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76 Tagebücher
aussehen, und inmitten des Waldes eine große schöne häusermasse mit
unzähligen thürmen, minarets etc.
ich habe nie etwas so schönes gesehen, auf derselben Anhöhe wie wir
steht eine alte halbverfallene moschee, von der aus mahomet damascus ge-
sehen haben soll, der mensch kann nur ein Paradies genießen, rief er aus,
ich will mir das himmlische nicht verlieren, und kehrte um. Wir kehrten
aber nicht um, sondern ritten hinab, durch die vorstadt salakhie1 hindurch
und endlich gegen 5 uhr durch die thore von damascus und dann noch
1/2 stunde lang durch Bazaars und straßen, bis wir in dem einzigen hôtel,
hôtel Palmyre genannt, ankamen, es scheint übrigens recht gut zu seyn,
der Wirth, ein Eingeborener Germanos mit Nahmen, voll Höflichkeit, als
kellner fungirt ein alter Jude mit weißem Bart und in türkischer kleidung,
der deutsch spricht.
ich fand hier m. robinson und seine ganze unausstehliche amerikanische
party, die aber glücklicherweise morgen früh weiterziehen, ich schickte
Gödl’s Brief an unseren Agenten Helias (Consul Pfäffinger ist auf Urlaub),
welcher sogleich selbst kam und sich mir zur verfügung stellte, es ist ein
häßlicher Jude aus corfù, der aber intelligent aussieht, er sagte mir, daß
hier gänzlicher kornmangel herrsche (ähnliches hörte ich schon in Jerusa-
lem und Beyrut) wegen des krieges, der vorjährigen unruhen wegen re-
krutenstellung im hauran, der kornkammer für diese länder, etc., vor ein
paar tagen wäre es deßhalb hier beynahe zu einem Aufstande gekommen,
der scheffel, welcher hier sonst 9–10, höchstens 15 Piaster koste, stehe jetzt
auf 50 und sey selbst um diesen Preis kaum zu finden. Damascus hat 110
bis 120.000 einwohner. die stadt ist im verfalle, da die industrie aus oft-
erwähnten gründen abnimmt, und auch der handel mit den urproducten
wegen des krieges stockt, die stadt ist vielleicht die älteste der Welt. elea-
zar, Abrahams knecht, war von hier gebürtig. david und salomo eroberten
sie von den Assyriern.
[damaskus] 3. April
heute vormittags ging ich mit meinem Amerikaner zu helias, und wir tra-
ten dann alle zusammen, mit cavass, dragoman etc., unsern spaziergang
an, zuerst kamen wir zu dem hause des signore fresch, eines eingebornen
und ersten dragomans beym österreichischen consulate, christ, er war
nicht zuhause, seine Frau, eine reizende Syrierinn in magnifiquer Tracht,
empfing mich und zeigte mir ihr wirklich superbes Haus, der Styl wie unge-
fähr überall, u.a. im hôtel, großer marmorgepflasteter Hof mit einem Bas-
sin und springbrunnen, rund herum Bäume, orangen und kolos
sale Wein-
1 Wohl el saleluje.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien