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80 Tagebücher
sich am nachmittage des 4. auf, und so hatten wir am 5. schönes Wet-
ter, doch ziemlich starken Wind. nach ungefähr 2 stunden verließen wir
die Beyruter straße und wandten uns nordwestlich, hügel auf, hügel ab,
über die gebirgskette, welche dicht hinter damascus anfängt, kamen durch
das wild romantische thal des Barradastromes, bis wir das gebirge über-
stiegen hatten und in das mit dem Antilibanon parallel laufende thal ka-
men, welches wir dann nordwärts entlang ritten und endlich in dem am
fuße des Antilibanon liegenden dorf Zebdani [an]kamen, wo wir in einem
Araberhause übernachteten. unterwegs wurden vor unseren Augen eine
schaar maulesel mit kisten, Ballen etc. von einer kleinen truppe drusen
ausgeraubt, während sie die unsrigen und uns selbst mit einem höflichen
gruße vorüberziehen ließen. europäern thun die drusen, wie man uns ver-
sicherte, nie etwas zu leide.
Am 6. früh überstiegen wir den Antilibanon bey abwechselndem regen
und sonnenschein, fanden ziemlich viel schnee auf dem Wege und eilten
dann über die hügel fort, welche die Ausläufer des Antilibanon bilden, an
dem äußersten ende desselben, also dem schneebedeckten libanon gerade
gegenüber, in einer herrlichen lage liegt Baalbek, wo wir um 5 uhr Abends
ankamen. Die Ruinen sind magnifique (Antoninus), mehr Geschmack und
kunst hier beysammen als in ganz egypten, dazu diese herrliche lage.
Am 7. ritten wir, nachdem wir die ruinen noch einmahl besehen hatten
(es war die nacht über und am morgen grimmig kalt, übrigens ein herrli-
cher tag), das thal Bekaa, oder coelesyrien, hinab bis Zachle, wo wir wie
gestern wieder in einem hause übernachteten, alle diese häuser waren
ganz nett und viel reinlicher, als ich erwartete. ich jagte zu Pferde noch ein
paar kraniche, ohne jedoch einen zu treffen, ein paar junge ziemlich vulgäre
Yankees (ich hatte an dem Meinigen übergenug) ritten mit uns und kamen
dann spät am Abende wieder zurück, da sie ihre Bagage etc. verfehlt hatten,
wir gaben ihnen zu essen und ließen sie für ihr nachtquartier selbst sorgen.
gestern früh nach einem 2stündigen ritte kamen wir an den fuß des li-
banon und zugleich wieder an die directe straße nach Beyrut, von hier reg-
nete es ohne unterlaß fort, der Berg war mit tiefem schnee bedeckt, ebenso
die Wege, und Pferde und maulesel (mit Ausnahme meines Pferdes, das
überhaupt ein vortreffliches Thier war) brachen oft durch und stürzten, als
es dann abwärts ging, hörte zwar der schnee auf (die wärmere seeluft war
schon stark zu spüren), doch wurden die Wege über alle Begriffe schlecht,
kurz mit Ausnahme des unvergeßlichen rittes vom 2. dieses monats war es
der beschwerlichste tag dieser ganzen mühsamen tour. gegen 3 uhr ka-
men wir an einem stattlichen gebäude nebst kirche vorbey: der dragoman
sagte, es wäre ein kloster, da es nun heftig regnete, ich bis auf die haut naß
und das nachtquartier noch 3 stunden entfernt war, so bestand ich darauf,
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien