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Mai 1854
Wünsche der consulatsbeamten und Anderer, die ich von meiner reise mit-
genommen, sowie auch über manches Andere, was mir unterweges vorge-
kommen war, gewissenhaften Bericht erstattet hatte. Bruck war von der
Affaire wegen der kämmererwürde ämtlich in kenntniß und las mir das
betreffende dekret vor, Pillersdorf, lonovics, Breuner, karaczay, mehrere
Ungarn und ich, er war ebenso erstaunt, mich auf dieser Liste zu finden,
als es Jedermann, der mich und meine vergangenheit kennt, seyn muß,
und meinte, ich solle, ehe ich sonst irgend einen schritt thäte, vor Allem
diese sache aufklären, er zweifelt nicht, daß dieses leicht sey, und hält sie
für ein bloßes mißverständniß, er versprach mir von freyen stücken, in die-
sem sinne einen Privatbrief an Buol zu schreiben, und will zugleich auf
eine verwendung für mich im öffentlichen dienste hinweisen, er möchte
mich gerne nach singapore haben (eine idee, womit er sich schon seit lange
trägt) und sprach mir sehr lebhaft zu. ich willigte ein, überzeugt, daß eine
solche positive empfehlung mir für meine nächsten Zwecke jedenfalls nur
sehr nützlich seyn kann, und daß die weitere frage Wie? und Wo? dann nur
noch eine secundäre und leichter zu lösende seyn werde, übrigens hätte ich
auf eine nicht zu lange Zeit gar keine Abneigung gegen jenen Posten, wel-
cher in so vielen Beziehungen interessant wäre. er sprach mir noch beym
Abschiede davon und will in diesen tagen schreiben.
Xerxes ging bey den dardanellen, darius und Xenophon im Bosphorus
bey den 2 schlössern über.
[an Bord des egitto im hafen von syros] 25. mai
gestern früh gegen 3 uhr waren wir in smyrna, nach dem frühstücke
mußte ich frau v. kletzel sammt ihren kindern ans land begleiten, ich
brachte sie zu Weckbecker und ging dann trotz der fürchterlichen hitze in
der Stadt herum flaniren, saß in einem Pavillon am Hafen und versuchte,
auf jede Art die Zeit bis 2 uhr todtzuschlagen, da ich um diese stunde
meine etwas lästige Pflegebefohlene abzuholen versprochen hatte. Einer
der unzähligen testas, welcher hier toskanischer generalconsul ist, beglei-
tete uns an Bord.1
um 4 uhr fuhren wir ab, hatten ziemlich starken südwestwind, also
conträr, diesen morgen waren wir im Angesicht von mycone und tinos,
den ersten der cycladen, zwischen denen wir hindurch fuhren, kahle fel-
seninseln von röthlicher farbe, hie und da darauf ein weißes dorf, die
dunkelblaue herrliche see, der blaue himmel, das Alles zusammen gibt
ein superbes Panorama, wir fuhren an delos vorüber, ließen Paros und
1 frh. ignaz v. testa, toskanischer generalkonsul in smyrna, war ein Bruder von theresia
v. klezl (sic).
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien