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Tagebücher110
Auf mich hat die ganze sache einen äußerst unangenehmen eindruck
gemacht, erstlich weil es mir dann doch zu viel wird, immer und überall
nur england und frankreich die hauptrolle spielen und uns vergessen und
im hintergrunde zu sehen, dann weil mich das miserable, echt königliche
verfahren könig ottos anekelt. hätte der mann den muth, zu Pferde zu
steigen, so würde er wenigstens mit ehren fallen, während die insolenz
der franzosen (weislich bleiben die engländer im hintergrunde) ihn jetzt
in den koth zieht. die gerechtigkeit muß übrigens den griechen gelassen
werden, daß sie Alle indignirt sind und, wie mir scheint, sehr leicht zum
losschlagen zu bringen wären, vielleicht zu leicht für ihren vortheil, die
nächsten tage sind unberechenbar. Bis jetzt, und als wir abfuhren, war
meines Wissens nichts entschieden, oder wenigstens der sieg der franzo-
sen noch nicht definitiv, sie hatten sogar ein Ministerium bezeichnet: Kal-
ergis, maurocordatos, christides etc. Alles ihre und der engländer leute.
Was mir dabey für uns am bedenklichsten vorkam, war der gedanke, wie
leicht uns einmahl in triest Ähnliches passiren könnte … ohne seemacht
ist ein staat null, und wir richten durch dummheit und eigensinn die uns-
rige zu grunde, während z. B. Preußen mit riesenschritten emporsteigt,
eine superbe preußische dampffregatte lag heute im hafen, von uns zum
glücke nichts.
um 1/2 6 fuhren wir ab, an der insel Aegina vorüber, und sind jetzt, 9
uhr Abends, gegenüber von hydra.
die hitze ist seit smyrna enorm, und millionen fliegen plagen mich in mei-
ner cabine, das abgerechnet ist es bisher eine sehr angenehme fahrt gewesen.
[n Bord des egitto vor korfu] 28. mai
gestern früh 7 uhr passirten wir das cap matapan und um 12 ganz dicht
an Modon, gleich darauf Navarino, das Meer fing hier an, ziemlich hoch zu
gehen, bey conträrem Wind, und mir wurde so unbehaglich, daß ich mich
aufs Bett legte. das hielt bis gegen Abend an. um 10 uhr nachts waren wir
in Zante, fior di Levante, wie das Sprichwort sagt, leider sah ich bey der
nacht nichts davon, und nach einer halben stunde fuhren wir weiter und
kamen heute nach 11 uhr in corfú an. hier verließ uns frau v. kletzl, ihr
Bruder, der generalconsul eisenbach,1 kam mit 2 sehr hübschen töchtern
an Bord, sie abzuholen. er erzählte mir, daß der Aufstand in epirus im
erlöschen sey, hauptsächlich in folge der gewaltthaten und erpressungen,
welche die griechischen Partheygänger gegen ihre eigenen glaubensgenos-
sen ausübten, dann daß der sogenannte fürst von montenegro durch die
1 August ritter v. eisenbach, generalkonsul in korfu, war ein schwager, nicht Bruder, von
theresia v. klezl (sic).
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien