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Mai 1854
energischesten drohungen von Wien ruhig geblieben, und der russische in-
trigant kowalewski endlich ausgewiesen worden sey etc.
Wir scheinen dem könig otto truppen angebothen zu haben, um ihn
gegen die Philhellenen in seinem lande zu schützen, was er aber, selbst
von diesem schwindel ergriffen, nicht annahm, wir haben hier wieder mehr
glück als verstand gehabt, denn nun hat es die franzosen getroffen, für
england die kastanien aus dem feuer zu holen und sich in griechenland
zu depopularisiren, und wir können daraus vortheil ziehen, übrigens sind
sie bey diesem Anlasse mit einer ganz überflüssigen, unprovocirten und
beyspiellosen insolenz und härte vorgegangen, kamen als befreundete
truppen, „um den könig zu schützen“, und als sie im hafen waren und
der könig ihre unangemessenen forderungen bewilligt hatte, landeten sie,
entwaffneten truppen, nahmen schiffe etc. das wird ihnen nicht vergessen
werden, die engländer aber lachen ins fäustchen.
ich bin immer entschiedener der Ansicht, daß wie jetzt nichts besseres
thun können, als was wir thun, rüsten und zuwarten. in der türkey, so-
wie in griechenland, gestaltet sich Alles zu unserem, und nur zu unse-
rem vortheile, wir brauchen nichts weiter zu thun, als ihn zu benützen
und den rechten moment abzuwarten. sind einmahl russen und Alliirte
handgemein geworden, der Ausgang mag seyn welcher er will, so werden
diese letzteren einsehen, daß sie ohne uns nichts ausrichten können, und
dann können wir die Bedingungen dictiren. in unserm interesse liegt es,
daß am Ende rußland den kürzeren ziehe, denn was wir bey der ganzen
geschichte erreichen wollen und müssen, ist eine freye donau und das Pro-
tektorat der donaufürstenthümer. das eben sind concessionen, welche wir
nur von rußland, also nur von dem besiegten rußland erhalten können.
Wir brauchen uns da weder um die Westmächte noch um Preußen viel zu
kümmern, noch uns durch tractate, Allianzen etc. die hände zu binden.
die katholiken im königreich griechenland sind ebenfalls unter franzö-
sischer Protektion, sowie ihr Bischof in syra, wo der ganze obere theil der
stadt katholisch ist – ! –
um 1/2 5 nachmittag fuhren wir bey superbem Wetter von corfù ab.
Wir haben den russischen generalconsul daselbst sammt seiner fami-
lie an Bord. dann seit Athen einen bayerischen gesandtschaftscourier v.
niethammer und einen langweiligen schwadronnirenden Arzt dr. kramer
aus Wien etc., ein dänischer edelmann aus Jütland ist seit constantinopel
mein hauptsächlichster umgang.
triest 31. may
der vorgestrige tag war der unangenehmste meiner reise. Wir hatten bey-
nahe den ganzen tag und die folgende nacht einen heftigen sturm, sci-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien