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Mai 1855
(mit Ausnahmen versteht sich) und die nothwendigkeit, dasselbe aufzu-
frischen. dazu hat er nun auch mich ausersehen, abgesehen davon, daß
er wünscht, mich im österreichischen dienste festzuhalten und auf kom-
mende Zeiten der reform aufzubewahren, er fühlt eben die nothwendig-
keit, sich mit männern zu umgeben, welche wenigstens in den hauptfragen
(und diese sind unbedingt die der inneren administrativen reform) seine
Ansichten theilen, denn bis jetzt steht er vereinzelt. Buol meinte, daß er
schon seit lange und auf das lebhafteste wünsche, meiner ihm unerklärli-
chen abnormen stellung zum hofe und zur regierung ein ende zu machen,
daß jedoch dieses durch eine diplomatische Anstellung zu erreichen nicht
möglich sey (Bruck meinte ganz genau zu wissen, daß es lediglich die furcht
vor der opposition und dem corpsgeiste der staatskanzleyclique, Werner à
la tête, sey, welche Buol davon abhielte, mich dem kaiser in vorschlag zu
bringen), sondern dieses am Besten durch Bach geschehen könnte. Bruck
fragte mich hierauf, ob ich wünschte, daß er mit Bach sprechen sollte? was
ich aber entschieden ablehnte.
hierauf machte er mir einen andern vorschlag, immer mit demselben
feuer und enthusiasmus, mit dem er Alles, die verschiedensten dinge auf
einmahl, ergreift, er wolle mich an die spitze der österreichischen section
der gesellschaft für die durchstechung der landenge von suez stellen.
diese gesellschaft, ein Privatunternehmen, an dem er sich vor 1848 be-
theiligte, das seitdem eingeschlafen, dann durch herrn von lesseps wie-
der aufgenommen, durch englischen Einfluß und namentlich durch Lord
redcliffe hintertrieben, jetzt aber seit dem sturze reschidPaschas auf dem
Punkte des Abschlusses sey, stehe nun auf dem Punkte sich zu constitui-
ren. lesseps würde im laufe des sommer hieher kommen, und da würden
wir die sache ins reine bringen, als eine internationale anglofranzösisch-
österreichische gesellschaft, er gab mir eine menge Akten und Papiere
über diesen gegenstand mit, und ich versprach ihm, sie zu studiren und
dann weiter darüber zu sprechen.
die Protokolle der conferenzen sind nun veröffentlicht, und es zeigt sich,
wie wenig ernst es rußland mit dem frieden war, und daß es eigentlich gar
keine wirklichen concessionen machte. Zugleich aber geht aus diesen Pro-
tocollen eine unverantwortliche rücksichtslosigkeit für unsere wichtigsten
interessen von seite der österreichischen Bevollmächtigten hervor. diese
willigten nicht nur ein, sondern schlugen sogar vor, um die russischen
Empfindlichkeiten zu schonen, die Beschränkung der russischen Seemacht
im schwarzen meere fallen zu lassen, dagegen aber den Westmächten zu
erlauben, eine gleiche Anzahl schiffe in jenem meere zu halten, also dieses
meer, welches eigentlich ein österreichischer see seyn sollte, statt in die
hand eines feindes in die dreyer zu geben! in demselben sinne waren die
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien