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Bahnen (in gesellschaft mit rothschild) hier ist, wurde von seinen Princi-
palen an mich gewiesen und war schon ein paar mahle bey mir, die sache
scheint auf gutem Wege zu seyn, da die gesellschaft sich erbothen hat, die
hälfte der summe sogleich zu erlegen, ein Anerbieten, welches natürlich
bey der jetzigen finanzlage unserer regierung äußerst lockend ist. da es
ungefähr dieselben leute sind, welche für die Westbahn in unterhandlung
treten, so hoffe ich, daß dieses italienische unternehmen auch das meinige
fördern werde.
ich habe übrigens gleich bey meiner Ankunft eine unangenehme sache
beyzulegen gehabt. Blühdorn nämlich, den die herren in london und Pa-
ris etwas cavalièrement beyseite geschoben haben, um die vollmachten etc.
mir zu übertragen, hat hier feuer und flammen gespieen, ist zu Bruck und
cordon gelaufen, um sich über uzielli und auch über mich zu beschweren,
hat erklärt, mit dieser sache nichts mehr zu thun haben zu wollen (nous
ne demandons pas mieux), und scheint nun ein erbitterter und bösartiger
feind geworden zu seyn. mir war die ganze geschichte unangenehm, weil
ich nicht in die mäuler dieses Börsengesindels kommen mag, und wollte da-
her mit Blühdorn darüber mich directe verständigen. cordon aber wider-
rieth es mir, indem bey seiner jetzigen leidenschaftlichkeit eine ruhige Aus-
einandersetzung nicht zu erwarten sey, so sprach ich denn mit Blühdorns
geschäftsfreunde, einem herrn homberg, erzählte ihm den ganzen hergang
der sache und wie ich zu meiner jetzigen stellung gekommen sey, ohne sie
je weder ambitionirt noch verlangt zu haben, und überließ ihm das Weitere.
dabey wird es nun wohl auch bleiben, mir aber ist der ganze vorgang fatal,
weil ich selbst den schein einer Zweydeutigkeit oder Jüdeley namentlich in
geldsachen fürchte. mir ist überhaupt diese ganze Wirthschaft, in welche
Bruck mich hinein gedrängt hat, widerwärtig, während die Anderen große
(oder auch kleine) Politik treiben oder ehrlich mit den Waffen dreinschlagen,
soll ich mit allen robert macaires, mit der ganzen Judencanaille von europa
jüdeln und schachern. – – – das widersteht [sic] mir, und ich verliere dabey
am ende ehre und guten nahmen.
Brucks finanzoperationen liegen in den geburtswehen, wie ich fürchte,
wird die eine schlechter ausfallen als die Andere. Zuerst soll die hypothe-
kenbank und zwar als ein departement der nationalbank!! ins leben treten
mit 35 millionen fl silber als capital, ein Pappenstiel für eine so große mon-
archie, abgesehen davon, daß jede hypothekenbank auf einer anderen Basis
als der einer wechselseitigen Pfandbriefanstalt, wie in schlesien, galizien
etc. nichts nütze ist. hierauf soll rothschild, hinter welchem fürst schwar-
zenberg, fürstenberg, lobkowitz und andere große böhmische gutsbesitzer
stehen, einen crédit mobilier gründen, wozu diese gutsbesitzer ihre beyzu-
tragenden fonds eben erst aus jener hypothekenbank werden entnehmen
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien