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Tagebücher224
da ich mrs. norton für sich und ihre freunde in der englischen Presse
eine gewisse thätigkeit in Beziehung auf oesterreich zugedacht und dieses
in Paris mit ihr besprochen habe, so möchte ich sie nun auch über unsere
inneren Zustände, welche allen diesen leuten spanische dörfer sind, ein bis-
chen au fait setzen. in dieser Absicht habe ich in diesen tagen die franzö-
sische übersetzung meiner beyden Broschüren: „oesterreich und seine Zu-
kunft“ vorgenommen, welche ich bisher noch nie gelesen habe,1 es war mir
aber unmöglich, mich über die hälfte des 1. theiles durchzuarbeiten, so jäm-
merlich, so impertinent schlecht ist die übersetzung, es ist eine so infame
verstümmelung des originales, daß ich, wenn die sache nicht schon veraltet
wäre, irgend einen ernstlichen schritt thun würde. Aber es wurmt mich zu
denken, was die vielen leute, welche diese hundsföttische übersetzung ge-
lesen haben, von mir und von dem lande gedacht haben mögen, in welchem
eine solche Jämmerlichkeit sensation machen konnte! übrigens gestehe ich
ebenso freymüthig, daß ich auch das original, den 1. theil nämlich, vollkom-
men ungenießbar, mitunter beynahe läppisch gefunden habe, so daß ich, da
ich das Zeug seit Jahren nicht mehr gelesen hatte, eine Art von demüthi-
gung darüber empfand, die einzige entschuldigung ist, daß ich damals 26
Jahre alt und in oesterreich (dem damaligen oesterreich) aufgewachsen
war, lieb aber ist mir jedenfalls, wenn dieses opus mit dem schleyer der
vergessenheit bedeckt wird. nicht so ist es mit dem 2. theile, wenigstens
insoweit ich ihn bis jetzt durchgegangen habe. Zu diesem kann ich mich mit
ehren bekennen, ja wahrscheinlich werde ich ihn im deutschen original an
caroline norton schicken, die sich dann die nöthigen stellen leicht überset-
zen lassen kann, einen commentar dazu werde ich mitschicken.
Zur situation: gottfried möchte in den deutschen orden treten und hat
schon seit letztem Winter schritte dazu gethan, nun zeigt es sich, daß erz-
herzog max, der großmeister, gegen seine Aufnahme ist, weil – – er mein
Bruder ist! die nadelstiche scheinen noch nicht aufhören zu wollen, dabey
haben die kerle nicht einmahl den muth, es öffentlich zu thun, sondern sie
scharwenzeln und thun freundlich. lumpenpack.
[Wien] 25. oktober
der von talabot hieher geschickte ingénieur michel ist angekommen, und
ich habe ihn mit den betreffenden Personen in verbindung gesetzt, er stu-
wirkungen der französischen Juli-revolution von 1830 auf die länder des deutschen Bun-
des zu bekämpfen.
1 de l’Autriche et de son avenir. traduit de l’allemand sur la dernière édition. unter diesem
titel erschienen jeweils im Pariser verlag Amyot 1843 der erste und 1847 gemeinsam der
erste und zweite teil.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien