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Oktober 1855
dirt nun die von den regierungsingénieurs ausgearbeiteten Pläne, insoferne
diese bereits beendet sind und hier vorliegen, welches für die strecke salz-
burg–linz und für einen theil der weiteren strecke von linz hieher der fall
ist, hinsichtlich des erst in der Aufnahme begriffenen theiles wird er die
trace bereisen müssen. von salzburg bis Purkersdorf ist die trace bereits
durch kaiserliche entscheidung festgestellt, von Purkersdorf hieher aber
noch weder ein Plan vorgelegt noch ein entschluß gefaßt, und doch ist dieses
vielleicht der wichtigste und jedenfalls der verhältnismäßig kostspieligste
theil.
ich habe bey dieser gelegenheit gestern meine erste unterredung über
diesen gegenstand mit toggenburg gehabt, in dessen ressort die sache ei-
gentlich gehört, ich fand ihn sehr bereitwillig und ebenso ungeduldig für das
Zustandekommen der Bahn, als man es oben ist, in Betreff der finanziellen
stipulationen fand ich ihn sogar viel traitabler als Bruck und zwar aus dem
begreiflichen grunde, daß dieselben ihn als handelsminister nicht angehen,
womit für mich freylich nicht viel gewonnen ist.
die von talabot & c. beantragte modalität der Betheiligung der regie-
rung mit einem drittheile wird nach den unterredungen, welche ich darüber
mit Bruck und toggenburg gehabt habe, nicht beliebt werden, obwol Bruck
im August auf diese meine idée einging, es handelt sich nun also darum,
ein annehmbares gegenproject aufzustellen, und darum habe ich die beyden
minister ersucht und hoffe, es in wenig tagen zu erhalten, da ich nun doch,
was ich seit meiner Abreise von Paris noch nicht gethan habe, meinen com-
mittenten ein lebenszeichen geben muß. meine stellung ist eine ziemlich
delicate: ich will und kann mich nicht lediglich als Agenten jener fremden
speculanten betrachten und mit der regierung jüdeln, sondern stelle mich
vielmehr als vermittler hin, welcher die vernünftigen interessen beyder
theile berücksichtigt, welche hier auch sehr wohl zu vereinigen sind, falls
die Pariser nicht gar zu übertriebene forderungen machen.
es haben sich bereits mehrere gesellschaften wegen dieser selben Bahn
gemeldet und auch schon die Bewilligung zur vornahme der tracirungsar-
beiten erhalten, eine Bewilligung, die ich meinerseits für überflüssig halte,
da wir uns ohnehin an die von der regierung ausgearbeiteten Pläne etc. hal-
ten wollen.
die ganze sache gibt mir viel zu schreiben und zu arbeiten, und Blitters-
dorf, in seinem gewöhnlichen feuereifer, bombardirt mich mit Briefen und
finanzprojecten.1
1 Mehrere Briefe von Frh. Friedrich von Blittersdorf finden sich in K. 115, Umschlag 666,
so v. 15.10.1855: „Auch in politischer Beziehung ist der gedachte schienenstrang zur un-
bedingten Nothwendigkeit geworden. Der politische Einfluß Oesterreichs muß sich haupt-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien