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April 1857
aus Ausländern und italienern und selbst hier zum theile aus reinen spe-
kulationsmännern oder nullen besteht, wird die Wahrung der politischen,
österreichischen interessen, welche bey dieser unternehmung jeden Augen-
blick ins spiel kommen, vorzugsweise mir zufallen, und es wird dabey eine
große klugheit nothwendig seyn, indem ich einerseits die interessen der ge-
sellschaft in wenigstens gleichem maaße zu vertreten verpflichtet bin, und
andererseits meine persönliche stellung wenigstens bis jetzt noch von der
Art ist, daß ich darauf bedacht seyn muß, im schooße unserer gesellschaft
terrain zu gewinnen. mein herz ist nicht bey allen diesen dingen, sie sind
schwierig, verwickelt, ungewiß, zweydeutig und bey allem dem mir wenig
zusagend. gerne würde ich diese thätigkeit mit einer anderen vertauschen,
welche mir homogener wäre.
die geographische gesellschaft hat eine commission niedergesetzt (und
mich in diese gewählt), um hinsichtlich der Angelegenheit wegen durchste-
chung der landenge von suez ein mémoire an die regierung zu überreichen.
es ist dieser schritt von Bruck ausgegangen, welcher gerne einen Anlaß ha-
ben möchte, um diese frage abermals vornehmen zu können. für eigentlich
politische fragen (welche doch immer drängender werden und jetzt, wo das
spekulationsfieber nachgelassen hat, und der katzenjammer täglich fühl-
barer eintritt, auch wieder die öffentliche Aufmerksamkeit zu beschäftigen
anfangen) hat er kein interesse mehr, und ich habe es schon seit langer Zeit
ganz aufgegeben, ihm von solchen zu sprechen.
ich habe neulich im Wanderer (den ich mir übrigens mehr für künftige
Zeiten reservire als jetzt viel damit zu erreichen hoffe) auf indirektem Wege
die lebensfrage der ungarischen sonderstellungsgelüste berührt, um den
ungarn damit auf den Zahn zu fühlen, und wirklich hat es einen allgemei-
nen Aufschrey gegeben,1 weiter wollte und will ich vor der hand nicht gehen,
1 erstmals wurde diese frage im leitartikel des Wanderer v. 4.4.1857, morgenblatt, „Aus
ungarn“, berührt, in dem ein Artikel der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ zum Anlass
genommen wird, der ungarische separationstendenzen verurteilt hatte. darin würde wohl
„mehr gegen eine möglichkeit, als gegen eine Wirklichkeit“ angekämpft, denn gerade der
ungarische Adel halte sich streng an den durch das silvesterpatent von 1851 vorgegebenen
legalen Boden der politischen Bestrebungen, und sein Ziel wäre ausschließlich die kräf-
tigung ungarns zum Wohle des gesamtstaats: „Wenn dieses redliche streben verkannt,
dieser wohlgemeinte rath mißdeutet und dort eine principielle opposition, eine gegen die
einheit der monarchie gerichtete separationstendenz erblickt wird, wo man nur eine in-
nige herzliche versöhnung der gegenwart mit der vergangenheit anstrebt, so ist das ein
für beide theile gleich beklagenswerther irrthum, der sich – das ist unsere hoffnung, un-
sere Zuversicht – über kurz oder lang aufklären wird und muß. es wird und muß sich bei
vorurtheilsfreier Prüfung herausstellen, daß die rücksichtsnahme auf nationale verschie-
denheiten mit einer einheitlichen Politik nicht nur verträglich, sondern jene von dieser un-
zertrennlich ist; es wird und muß sich herausstellen, daß die Entwicklung nirgends rascher
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien