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Mai 1857
merksamkeit und so stürmischem Beyfalle aufgenommen, daß die ernste
stimmung und der politische hintergedanke dabey nicht zu verkennen war.
kleyle hielt eine ganz vortreffliche rede über die Bedürfnisse des grundbe-
sitzes in oesterreich und die nothwendigkeit seiner organisirung, hlubek
sprach über die nothwendigkeit einer centralisirung der landwirthschaft-
lichen interessen und ihrer vertretung etc. kurz es waren die Anfänge ei-
nes vereinigten landtages (nur ungarn war spärlich vertreten) deutlich
zu bemerken, und hätten sich dieselben bey längerem Beysammenbleiben
noch mehr herausgebildet. das gemeinsame interesse, die gemeinsame
noth schien endlich die zähen Privinzialgeister überwunden und zahm ge-
macht zu haben. und was nicht minder bedeutungsvoll war, die minister,
die höchsten Würdenträger wohnten aufmerksam den versammlungen bey
und hatten nur Worte des Beyfalls für alle Äußerungen, die da fielen. der
kaiser kam eigens von ofen, um die Ausstellung zu besichtigen, und über-
schüttete das festcomité mit lob und vertheilte am schlusse der feyer meh-
rere orden und Auszeichnungen, namentlich an kleyle, dessen rede doch
die meiste sensation gemacht hatte. offenbar scheint, wenigstens für den
Augenblick, ein umschwung zu gunsten des grundbesitzes eingetreten zu
seyn und bey der regierung der gedanke raum zu gewinnen, daß eine ver-
tretung desselben denn doch noch nicht der untergang der Welt wäre. Bach,
der immer mit jeder momentanen stimmung und laune seines herrn koket-
tirt, abundirte sogar in diesem sinne zuweilen in ziemlich geschmackloser
Weise, wie ihm überhaupt, eine canaille wie er ist, der halt und die Würde,
ja selbst der takt in allen dingen fehlt. es ist ihm auch dieses wieder eine
Waffe gegen Bruck. ich nahm an allendiesen dingen gar keinen officiellen
(denn ich wurde gerade 2 tage nach dem schlusse von der görzer land-
wirthschaftsgesellschaft zu ihrem ständigen vertreter bey der hiesigen er-
nannt, was ich übrigens bey gelegenheit zu benützen gedenke), aber einen
sehr lebhaften persönlichen Antheil, vermied es aber geflissentlich, irgend-
wie in den vordergrund zu treten, um der sache nicht noch mehr, als es oh-
nehin schon der fall war, einen politischen Anstrich zu geben, doch habe ich
in mancher Beziehung mitgewirkt, namentlich darin, daß ich kleyle kräf-
tig unterstützte, der von hlubek angeregten Bildung eines centralorganes,
resp. centralcomités zur vertretung der landwirthschaftlichen interessen
in Wien einen legalen Ausdruck zu geben, was dadurch geschehen ist, daß
das Ausstellungscomité an Bach eine förmliche Adresse in diesem sinne in
feyerlicher deputation überreichte, was nun geschehen wird, wollen wir se-
hen. daß es hiebey an festessen etc. nicht gefehlt hat, versteht sich, an dem
größten und entscheidenden bey dommayer nahm ich theil.
diese ganze Jubelfeier war jedenfalls ein schritt vorwärts, möge sie nun
ein unmittelbares handgreifliches resultat erreichen oder nicht. Jedenfalls
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien