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Tagebücher318
tionen (wenn auch nicht immer an Würdige verschwendet) das volk, welches
sie macht, wie undankbar ist dagegen das terrain, auf welchem wir hier
arbeiten und uns abmühen!
[Baden] 31. July
Am 26. früh fuhr ich von hier mit einem separatzuge, welcher für die gela-
denen bestimmt war, ab und nach laibach, wo wir jedoch einiger untergeord-
neter unfälle wegen anstatt um 1/2 7 erst um 1/2 10 ankamen. ich wurde bey
einer frau reitter einquartirt, welche mich mit großem ceremoniale empfing
und mich, so lästig es mir auch war, nöthigte, an einem mir zu ehren ver-
anstalteten thee und souper theilzunehmen, zu dem sie alle alten Weiber
der guten stadt laibach geladen hatte. tags darauf um 1/2 4 mußten wir
Alle in uniform auf dem Bahnhofe seyn, um den kaiser zu erwarten, nach
dessen Ankunft der feyerliche eröffnungstrain sich in Bewegung setzte, in
divagha1 wartete die görzer deputation, mit denen ich, nachdem der kaiser
sie begrüßt hatte, ebenfalls sprach. der erste Anblick des meeres, die zwey
letzten stationen längst der adriatischen küste waren wirklich von ergrei-
fender Wirkung, die ganze Bahn imposant durch die schwierigkeiten aller
Art, welche beym Bau zu überwinden waren. nach 10 waren wir in triest,
feyerliche schlußsteinlegung im Bahnhofe, einsegnung der locomotive, re-
vue der truppen etc. Alles das dauerte bis nach 12, worauf wir endlich, von
hitze und müdigkeit erschöpft in unsere Wohnungen kamen. ich wohnte bey
einem signore giacomo monk, aufgenommen wie ein Prinz, eine enfilade
von Zimmern, equipage, dienerschaft etc. man sah es überhaupt diese ganze
Zeit über der stadt und ihren Bewohnern an, welches große fest sie feyerten,
und wie sie ihre freude durch Aufmerksamkeiten und liebenswürdigkeiten
aller Art gegen uns zu zeigen sich bestrebten. dessenungeachtet war, wie
mich Alle versicherten, der empfang des kaisers gegen frühere Zeiten kühl
zu nennen. der sichtbare verfall der geschäfte durch die steigende concur-
renz hamburgs, die valutaverhältnisse und den orientalischen krieg, die
unerschwinglich gewordenen steuern, die vexationen der Zoll- und steuer-
beamten etc., Alles dieses wird ihm zur last gelegt und noch manches An-
dere. man hatte bey seinem letzten Besuche mit der kaiserinn und auch jetzt
concessionen erwartet, die nicht erfolgten. Auch das civil- und militärgou-
vernement in händen eines generales trägt zur verstimmung bey und ist
allerdings dort ein noch größerer unsinn als anderswo.2
1 divaca, erste Bahnstation in der grafschaft görz, ca. 20 km vor triest.
2 die zivile und militärische gewalt im küstenland blieb bis 1859 vereinigt, seit 1854 war
general frh. karl v. mertens gouverneur und Präsident der Zentral-seebehörde. erst
nach dem verlorenen krieg von 1859 erfolgte die ernennung eines zivilen statthalters.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien