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Tagebücher322
auf diesen gedanken eingehen würde, wußte ich. man hat ihm jedoch geant-
wortet, es vertrüge sich nicht mit der ehre der österreichischen Armée, ein
corps unter fremdes commando zu stellen!! Welche jämmerliche engherzige
Ansicht!
Zürch 15. August Abends, hôtel Baur
Am 10. Abends verließ ich Wien, mit mir fuhr bis leipzig meine hausfrau
Baroninn tonder und von dürnkrut aus ihre tante frau v. klein. Am 11.
nachmittag gegen 6 uhr waren wir in leipzig, wo diezel mich am Bahnhofe
erwartete. ich hatte ihn dahin bestellt, weil ich manches mit ihm zu bespre-
chen hatte, was dann an jenem Abende besprochen wurde. ich werde nun
nach meiner heimkehr mit kempen sprechen und die erlaubniß zu seiner
übersiedlung nach Wien begehren, und zwar zu dem ausgesprochenen ende,
in die redaction des Wanderers zu treten, und Bruck wird mich unterstützen.
Am 12. früh fuhr ich weiter über hof, Bamberg und nürnberg nach Augs-
burg, wo ich um 8 uhr Abends anlangte. meine Absicht war gewesen, von
dort auf ein paar tage nach mittelstetten zu gehen, nun erfuhr ich aber noch
am selben tage durch leopold Andrian, daß sein vater vor nicht mehr als
10 tagen das gut verkauft habe und nun in Ansbach sey. ich mußte dann
meine reisepläne ändern und, da ich mir Briefe etc., mitunter von Wichtig-
keit, bis zum 17. nach Augsburg bestellt hatte, so entschloß ich mich nach
einiger überlegung, diese 4–5 tage zu einem Abstecher in die schweiz zu
benützen.
noch erfuhr ich durch leopold, daß sein Bruder ferdinand von der ihm
durch mich erwirkten Bewilligung, an der geologischen durchforschungs-
commission, welche diesen sommer tyrol bereist, als volontär theilzuneh-
men, gebrauch gemacht habe und bereits dahin abgegangen sey. Wenn er,
wie es scheint, lust und talent zu dieser carrière hat, so kann hiemit der
grundstein zu seiner künftigen laufbahn gelegt seyn.
den folgenden tag, 13., verbrachte ich fast ganz auf der redaction der
Allgemeinen Zeitung. kolb sah ich nur kurz und erschrak über den Zustand
physischer und geistiger hülflosigkeit, in welcher ich ihn fand, obwol or-
ges diese letztere hartnäckig in Abrede stellen wollte. Auch war an ihm eine
große scheu, mit fremden, selbst mit mir, in Berührung zu kommen, zu be-
merken, wovon noch im vorigen Jahre nichts zu verspüren war. mit einem
Worte, er schien mir un homme fini und machte einen tief wehmüthigen
eindruck. um so mehr sah ich orges, wie gewöhnlich voll lebhafter Protesta-
tionen von ergebenheit, immer den Bleystift zur hand, um niederzuschrei-
ben, was ich sagte, dabey aber ziemlich unklar und noch unfertig. meine
Absicht war eigentlich nur, durch ihn einen Aufsatz über unsere inneren
Zustände in der revue des deux mondes erscheinen zu lassen, was ich aus
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien