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nämlich, wie sich nach und nach herausstellt, allerdings anullirt, werden
jedoch binnen 14 tagen und unter derselben regierung wieder vorgenom-
men werden, und in Betreff der union scheinen bindende verabredungen
getroffen worden zu seyn, durch welche frankreich seine bisherige uni-
onspolitik aufgibt. nun ist allerdings der schein eines sieges im oriente
besonders keine unbedeutende sache, dennoch aber ändert dieses die sach-
lage bedeutend.
Boulogne 10. september Abends
Am 6. um 10 uhr fuhr ich mit dem dampfboote von trouville nach havre,
wo ich ein paar stunden blieb, die docks, den hafen, die dort liegenden gro-
ßen dampf- und Paketschiffe, darunter auch ein Auswandererschiff (mit
deutschen), welches am folgenden tage nach neworleans abfahren sollte,
das museum, die seebäder in frascati etc. besah und um 2 mit der eisen-
bahn weiter nach rouen fuhr, wo ich übernachtete, eine höchst interessante
stadt mit den herrlichsten gothischen Bauwerken: die cathedrale, die kir-
chen von st. ouen und st. maclou, das magnifique palais de justice, das pa-
lais Bourgtheroulde, einige alte häuser, u.a. der diane de Poitiers, der Platz,
wo die Jungfrau von orléans verbrannt wurde, etc. Am Abend trieb mich die
lange Weile auf eine stunde in das höchst mittelmäßige theater.
Am vormittage des 7. fuhr ich per eisenbahn nach dieppe, wo ich ein
seebad nahm, ein äußerst eleganter und comfortabler Badeort, wo es mir
ausnehmend gut gefiel, eine Art BadenBaden an der see, welch ein contrast
gegen das armselige, primitive trouville. von Bekannten traf ich jedoch an
diesem tage nur fugger, den Abend brachte ich im conversationshause zu,
wo ein concert gegeben wurde. Am nächsten tage um 7 uhr früh fuhr ich in
einer ziemlich mittelmäßigen diligence, bis eu im coupé mit einer sehr ge-
sprächigen französischen dame, von eu weiter in das intérieur eingepfercht
nach Abbeville, wo ich um 1/2 2 ankam und nach 1 1/2 stunden mit der ei-
senbahn weiter fuhr. in Abbeville sah ich abermals eine superbe kirche de
st. Wolfram, wie überhaupt die normandie von gothischen Baudenkmälern
strotzt. um 5 uhr war ich hier und wohne in einem hause mit gabriele neu-
wall, im Pavillon impérial.
daß ich diese zwey tage beynahe fortwährend in ihrer gesellschaft zu-
gebracht habe, versteht sich von selbst, so wie, daß ich sie mit jeder stunde,
welche ich mit ihr verlebte, lieber gewonnen habe, es liegt ein solcher Zau-
ber in dieser einfachen, unverhohlenen und doch dabey so reinen, treuen
Anhänglichkeit, hier, wo sie weder durch ihre umgebung noch sonst gênirt
war, war sie liebenswürdiger und fröhlicher als je. heute nachmittag 1/2 5
begleitete ich sie auf die eisenbahn nach Paris, und morgen früh, nachdem
ich mein 19. Bad werde genommen haben, folge ich ihr nach, ich hätte es
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien