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September 1857
Ansbach 29. september
ich verließ Paris am 19. Abends 9 uhr, es waren acht höchst angenehme
tage, welche ich dort zubrachte, und die ich ausschließlich meiner lieben
gabrielle neuwall widmete, da ich dießmal gar keinen andern Zweck hatte
(meine nicht zu stande gekommene entrevue mit lord cowley etwa ausge-
nommen) als den, mit ihr beysammen zu seyn und ihren umgang, ihre lie-
benswürdige Persönlichkeit recht ungestört zu genießen, ein glück, welches
mir nun wer weiß wie lange nicht wieder zu theil werden wird. Am letzten
tage war ich noch mit ihr im Jardin des plantes und führte sie bey dieser
gelegenheit durch den marais, einen ihr bisher ganz unbekannten stadt-
theil.
von Bekannten traf ich dießmal beynahe niemand: ottenfels, robert
mohl und am letzten tage Borkowski waren außer den bereits genannten
beynahe die einzigen.
Am 19. Abends fuhr ich, nachdem ich noch bey gabrielle gegessen hatte,
auf den Bahnhof und war am folgenden tage um mittag in strassburg und
um 1/2 5 in BadenBaden, da doblhoff eben auf urlaub ist, wählte ich diesen
Weg. in Baden blieb ich 2 tage, es war noch immer sehr voll, russen und
franzosen die dominirende Anzahl, darunter manche Bekannte, wie ich aus
den Badelisten entnahm, von denen ich aber nur Wenige sah, da ich viele
einsame Promenaden machte, um das schöne Wetter und die herrliche ge-
gend zu genießen, und viele meiner Bekannten theils auf Ausflügen, theils
in stuttgart waren, um die dortigen feste mitzumachen,1 doch sah ich Blü-
cher, toni Waldstein, der dort eine nachcur braucht, semsey, den französi-
schen gesandten de serre etc.
Am 23. mittags fuhr ich fort und war nach 4 in frankfurt, wo ich den
Abend mit schreiben zubrachte und am nächsten tage um 1/2 7 abreiste,
meinen kammerdiener ließ ich bis auf weiteres in frankfurt zurück, um 11
uhr war ich in Würzburg, um 3 in nürnberg, und da ich dort wider meiner
erwartung niemanden von den Andrians auf dem Bahnhofe fand, nahm ich
einen Wagen und fuhr hieher, wo ich gegen 9 uhr Abends ankam.
hier bin ich nun den fünften tag in dem zahlreichen familienkreise der
Ansbacher Andrians und Angehörigen (sie sind mit Ausnahme ferdinands,
der in tyrol seine erste geologische campagne macht, jetzt alle hier versam-
melt), die wie immer voller freundlichkeit und liebe für mich sind. doch
sind mir diese kleinstädtischen spießbürgerlichen verhältnisse zu unge-
wohnt und heterogen, als daß ich mich darein finden könnte, ich warte daher
mit ziemlicher ungeduld auf meine Abreise, welche am 1. oder 2. erfolgen
1 Zar Alexander ii. und kaiser napoleon iii. hatten sich von 25.–28.9.1857 in stuttgart ge-
troffen.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien