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Tagebücher334
strecke zu fuß und kehrte vor 2–3 tagen per dampfschiff zurück. ich war
mit den resultaten der bisherigen Arbeiten sehr zufrieden, ebenso mit den
leistungen und dem esprit de corps unseres gesammten ingénieurpersona-
les, das Wetter war herrlich, die gegend durchweg reizend, und der ganze
Ausflug hat mir sehr wohl gethan.
gabriele neuwall, welche die ganze Zeit über hier war, ist gestern auf
einige Wochen nach klobauk abgereist, meine schwester gabrielle am näm-
lichen tag nach ofen in Winterquartiere, sie war erst vor 4–5 tagen von der
Weilburg in die stadt gekommen, wo ich sie einmal vor etwa 14 tagen be-
suchte. das Wetter ist bisher ganz außerordentlich schön und warm, einige
regnerische tage abgerechnet. meine gesundheit ist gut, doch stellt sich
die eingenommenheit des kopfes und neigung zum schwindel wieder ein.
Wurm scheint sie mehr für eine Afficirung der Augennerven zu halten und
hat mir übermäßige Anstrengung derselben verbothen, was soll ich dann
aber thun, wenn ich nicht lesen darf?
felix Jablonowsky ist gestern begraben worden – !! – so ist der erste aus
unsrem kleeblatte von venedig Anno 1835 geschieden.
die Zustände hier sind zerrütteter als je, der finanzielle ruin wahrhaft
erschreckend, täglich gibt es neue Bankerotte, und mitunter die solidesten
häuser. die speculationswuth der vergangenen Jahre, die Bankrestrictio-
nen, welche Bruck in Aussicht auf die bevorstehende Wiederaufnahme der
Baarzahlungen mit unerbittlicher strenge durchführen will, dazu die ost-
indischen Wirren und die dadurch hervorgerufene allgemeine geldklemme,
endlich die finanzielle crisis in nordamerika, das Alles trägt dazu bey,
der mißmuth, die Angst sind allgemein, natürlich wendet sich Alles gegen
Bruck, welchen nun auch Jene, die einstens etwas von ihm hofften, aufge-
geben haben. er aber müht sich noch immer ab, die curse, namentlich die
der Bahnpapiere zu halten, und vermehrt dadurch unnöthigerweise seine
schwierigkeiten. ich war von Anfang an der meinung und bin es jetzt mehr
als je, daß es ein verkehrtes Beginnen ist, die valuta wiederherstellen zu
wollen, so lange das deficit in den staatseinnahmen nicht gehoben ist. dazu
aber geschieht nichts. Bruck hat in dieser Beziehung nicht nur kein terrain
gewonnen, sondern sogar bedeutend verloren, es ist so weit gekommen, daß
jedes ministerium, namentlich aber das militär, ihm sein Ausgabenbudget
als ein fertiges ganzes, worüber nicht mehr discutirt werden darf, mit
theilt
und ihm nur die Beschaffung der mittel überläßt. die verschwendung, na-
mentlich im militär, für Bauten, übungslager, truppendislocationen etc.
nimmt jährlich überhand, und daher wendet sich das allgemeine geschrey
und ein immer bitterer werdender haß gegen die Person des kaisers, wel-
chem man diese verschwendung, namentlich in militärischen Ausgaben, zur
last legt, während zur selben Zeit die leute durch die immer drückender
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien