Archäoastronomie#
Definitionen und Forschungsmethode#
Die Archäoastronomie beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Basis u.a. mit der Orientierung von heiligen Stätten (Tempel, Kirchen, etc.) nach der aufgehenden Sonne. Dass solche Heiligtümer häufig nach Osten ausgerichtet sind ist allgemein bekannt. Konkret sind sie aber nach dem tatsächlichen Sonnenaufgang im Laufe des Jahres zwischen Sommer- und Wintersonnenwende orientiert. Das bedeutet, dass in diesen Bauwerken eine Zeitmarke verborgen ist, die naturwissenschaftlich erschlossen werden kann. Dabei ist es gleich, ob es sich um eine Tempelanlage, eine Burgkapelle oder einen Dom handelt, die Forschungsmethode ist dieselbe.
Im Christentum gilt die Sonne als Metapher für Christus. Einen sicheren Hinweis, ob ein christliches Heiligtum tatsächlich nach der aufgehenden Sonne orientiert ist, liefert ein Achsknick im Bauwerk. Dieser wurde früher als geneigtes Haupt Christi interpretiert oder einfach als Baufehler abgetan. Nach meinen Forschungen handelt es sich aber um das Ergebnis jeweils unterschiedlicher Orientierungen von Langhaus und Chor nach den im jeweiligen Bauprogramm festgelegten (unterschiedlichen) Orientierungstagen. Wichtig ist dabei, dass die Heiligkeit dieser Tag vom Langhaus (Raum der Gemeinde) zum Chor (Abbild des Himmlischen Jerusalems) steigen muss (z.B. Karfreitag – Ostersonntag).
Die Forschung gliedert sich stets in die Abschnitte Bauanalyse und Archäoastronomie.
Die Bauanalyse umfasst die Rekonstruktion der Bauwerke in ihren jeweiligen historischen Maßsystemen. Dabei werden aus metrischen Abmessungen meist runde Werte in Fuß und Klafter, die zum Verständnis der Planung beitragen. Die ermittelten Achsen sind Grundlage für die folgenden astronomischen Untersuchungen, weil nur durch sie die Verknüpfung mit dem Kosmos hergestellt werden kann.
Im Abschnitt Archäoastronomie werden die gesuchten Zeitmarken (die Orientierungstage) ermittelt. Gelingt dies, dann kann das Ergebnis einen wesentlichen Beitrag zur Geschichtsforschung darstellen, wie das an den folgenden Beispielen zum Ausdruck kommt. Für diese Forschung sind jedenfalls Wissen in Bauplanung, Geodäsie und Astronomie erforderlich.
Tempelanlage in Jerusalem. #
Die ursprüngliche Motivation war, das Viereck der herodianischen Tempelanlage zu rekonstruieren. Im Zuge dieser Forschung hat sich eine besondere Gerade ergeben, die die Mitte der Ostseite schneidet, auf diese senkrecht steht und durch die Spitze des Felsendoms verläuft. Diese Gerade wurde als Achse des Salomonischen Tempels interpretiert und damit in der Folge seine Lage und die Zeitmarke seiner Orientierung erforscht. Zur Lage gelang der Nachweis, dass der Tempel genau dort stand, wo sich heute der Felsendom befindet. Der zum Teil rechtwinklig bearbeitete Heilige Felsen kann als „Abdruck“ des Tempels gesehen werden. Als Orientierungstag wurde der 15. Nisan 957 v. Chr. bestimmt; es war der Tag des Paschafestes (Frühlingsvollmond) im vierten Jahr der Regierung Salomos. Als Weihetag des Tempels wurde der 10. Tischri 951, der Tag der Übertragung der Bundeslade, ermittelt. Das entspricht der in der Bibel angegebenen Bauzeit des Tempels von sieben Jahren. Das naturwissenschaftliche Forschungsergebnis ist daher bibelkonform.St. Stephan in Wien: #
Nach exakter Vermessung der für die Rekonstruktion der Achse des romanischen Gründungsbaus maßgeblichen Punkte, konnte als Orientierungstag der 26. Dezember 1137 bestimmt werden. Es ist der Tag des hl. Stephanus, der hier verewigt wurde. Es gibt auch einen Achsknick, der vermutlich vom abgebrochen romanischen Chor auf die Orientierung des gotischen Chores übertragen wurde. Sein Datum wäre Sonntag der 2. Jänner 1138 gewesen. Es war die Zeit der Stadterweiterung, die planmäßig um die alte Römersiedlung Vindobona angelegt wurde. Dabei ist der Portalpunkt von St. Stephan der Ursprung des Achsenkreuzes, das nach der Orientierung der Achse des Stephansdomes angelegt wurde. Die Achsabschnitte betragen nach Norden und Osten jeweils 250 Klafter; nach Süden 350 Klafter und nach Westen 500 KlafterNäheres:
Autor: Erwin Reidinger
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