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Christkönigskirche und Nibelungenviertel#

Christkönigskirche#

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg gab es Pläne, auf den östlichen Schmelzgründen Sakralbauten zu errichten. Otto Wagner beispielsweise projektierte eine Kirche im Bereich Stutterheimstraße/Walkürengasse sowie flankierend zu Museumsbauten eine Gedächtniskapelle Ecke Hütteldorfer Straße/Verlängerung Moeringgasse und eine Kapelle der Maria-Theresien-Ordensritter Ecke Moeringgasse/Gablenzgasse. Im letzten Kriegsjahr 1918 galt einer seiner letzten Entwürfe einer Friedenskirche auf der Schmelz mit rundum laufendem Kolumbarium.

Anfang der Dreißigerjahre kam es in Österreich inmitten der großen wirtschaftlichen Depression zu einer nicht zuletzt politisch bedingten Neubelebung des Kirchenbaus. Die Präambel der von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß am 1. Mai 1934 erlassenen autoritären Verfassung hebt an mit den Worten: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung.“ Die Christkönigskirche in Neufünfhaus ist der vollkommene Ausdruck der neuen Staatsideologie. Beabsichtigt war dies zunächst jedoch nicht.

Die Historikerin Verena Pawlowsky hat 2002 in ihrer Studie „Staatsmonument von kurzer Dauer - Zu den Bedeutungszusammenhängen einer Wiener Vorstadtkirche der 1930er Jahre“ dargelegt, wie in Neufünfhaus eine Privatinitiative und immer stärker werdende politische Interessen ineinander griffen.

Gedächtniskirche#

Als am 2. August 1932 Altbundeskanzler Ignaz Seipel verstarb, fasste seine langjährige Vertraute Hildegard Burjan spontan den Entschluss, ihm eine Gedächtniskirche zu errichten. Als Gründerin der Schwesterngemeinschaft „Caritas socialis“ (nicht zu verwechseln mit der diözesanen Caritas) und im Hinblick darauf, dass Prälat Seipel ein ausgewiesener Sozialexperte gewesen war, sollte die Kirche mit einer Fürsorgeeinrichtung verbunden sein. Gebaut werden sollte nach Möglichkeit in einem Arbeiterbezirk.

Dass die Wahl auf den Vogelweid- bzw. Kriemhildplatz fiel, hatte mehrere Gründe. Erstens war das Grundstück für ein Bauwerk mit sozialer Dimension frei gelassen worden; zweitens lag es zwischen bürgerlichen Wohnhäusern und einer Wohnhausanlage der Gemeinde Wien (wobei sich der Johann-Witzmann-Hof sehr dezent ins sezessionistische Ensemble einfügte und andererseits die Häuser Langmaisgasse 5 und 7 von Franz Gessner, einem der Architekten des Roten Wien, geplant worden waren); drittens war Ignaz Seipel in unmittelbarer Nähe zum zukünftigen Pfarrgebiet in der Märzstraße 42 geboren worden.

Dank ihrer ausgezeichneten Verbindungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft brachte Hildegard Burjan in kürzester Zeit eine namhafte Geldsumme auf, sodass ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden konnte, zu dem Clemens Holzmeister, Alexander Popp, Robert Kramreiter und der Generalkonservator und spätere Dombaumeister Karl Holey eingeladen wurden. Das Rennen machte Holzmeister, der damals bereits zwei Christkönigskirchen - in Untermais bei Meran sowie in Gloggnitz - projektiert bzw. errichtet hatte. Das Patrozinium sollte nämlich den Ende der Zwanzigerjahre forcierten Christkönigskult aufgreifen. Dieser kann einerseits als katholische Ausprägung des damals generell um sich greifenden autoritären Trends begriffen werden, positiv aber auch als Protest gegen jeglichen Personenkult unter den Menschen.

Kaum hatte das Projekt konkrete Gestalt angenommen, verstarb am 11. Juni 1933 die Initiatorin. Nun nahmen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß und seine Gemahlin Alwine, die beide Hildegard Burjan und der „Caritas Socialis" bzw. der „Sozialen Hilfe“, dem weltlichen Arm der Schwestergemeinschaft, nahe standen, den Bau in die Hand. Einen Monat vor seiner Ermordung übergab der Kanzler den Fürsorgebau, in dem ein Frauenasyl eingerichtet wurde, seiner Bestimmung und soll bei einer Besichtigung der Krypta angemerkt haben, dass dort Nischen für zwei Särge und nicht nur jenen Ignaz Seipels ausgespart waren.

Wallfahrtskirche#

Als Dollfuß am 25. Juli 1934 im Bundeskanzleramt von Nationalsozialisten ermordet wurde, war der Kirchenbau noch nicht abgeschlossen, sodass der Kanzler zunächst auf dem Hietzinger Friedhof beigesetzt wurde. Erst drei Monate später, am 29. September, wurde er nach gemeinsamer Aufbahrung mit dem am Zentralfriedhof exhumierten Ignaz Seipel im Stephansdom zur Kanzlergruft gebracht, wo die beiden Kanzler bis zur Rückführung in ihre ursprünglichen Gräber durch die Nationalsozialisten zum Gegenstand groß angelegter Wallfahrten wurden. Die Neufünfhauser Christkönigskirche wurde zum neuen Nationalheiligtum.

Von außen erscheint die Kirche als Bau von franziskanischer Schlichtheit, vor allem der Verzicht auf einen Kirchturm irritierte so manchen Betrachter. Doch innen ist sie prächtig geschmückt. Ins Auge sticht sofort das Christkönigsmosaik an der Altarwand, das Karl Sterrer 1936 als Krönung des Baus fertig stellte. Schon bei der Kirchweihe leuchteten die beiden aus elektrischen Lampen gebildeten Kreuze, damals ein Zeichen unerhörter Modernität. Den Kreuzweg von Josef Dobner stiftete Benito Mussolini, den Gong sandte die Regierung des demokratischen China. Dollfuß hatte noch die Pietà des kriegsblinden Künstlers Ernesto Masuelli und, aus Dankbarkeit für das Überleben eines früheren Attentats, eine romanische Madonna aus dem 13. Jahrhundert gespendet. Sie steht auf dem linken Seitenaltar, während den rechten ein modernes Gemälde der heiligen Hildegard von Bingen von Victor Hammer ziert.

Bezug auf Hildegard Burjan und ihr Werk nehmen auch mehrere Glasfenster, ein Relief in der Eingangshalle und die Caritas-divina-Plastik im Arkadengang. Der Initiatorin des Kirchenbaus war möglicherweise auch die starke Mitwirkung von Frauen an der Ausstattung zu verdanken: Gudrun Baudisch schuf die Deckenstuckreliefs nach Themen der Lauretanischen Litanei, Angela Stadtherr Treibarbeiten am Tabernakel, Hilde Leitich-Uray 18 Leuchtenträger, Herta Bücher die zwölf Tauben über dem Seiteneingang in der Langmaisgasse, die die zwölf Apostel symbolisieren. Dort an der Außenwand haben vom ehemaligen Schmelzer Friedhof ein schmiedeeisernes Priestergrabkreuz aus dem Jahr 1726 sowie ein neugotischer Tabernakelpfeiler von der Hand des Dombaumeisters und Schöpfers von Schloss Grafenegg Leopold Ernst aus dem Jahr 1856 Platz gefunden; drei weitere Grabdenkmäler wurden im Rasen vor der Kirche platziert.

Gemeindekirche#

Die rasche Erbauung der Kirche bewirkte eine außergewöhnliche Geschlossenheit der Ausstattung bis hin zu den liturgischen Geräten, doch das hierarchische Raumkonzept ist durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils und durch das Selbstverständnis von Christinnen und Christen in einer demokratischen Gesellschaft heute in Frage gestellt. Ausdruck eines Neuansatzes ist die Neugestaltung der Krypta, die vom gegenwärtigen Pfarrer Martin Rupprecht bald nach seiner Amtsübernahme in Angriff genommen und im Jahr 2003 zum Abschluss gebracht wurde. Nur mehr Hans Andres trauernde weibliche und männliche Steinfiguren an den Seitenwänden und die beiden leeren Grabnischen erinnern an die ursprüngliche Bestimmung des Raumes; ein kreisrunder, transparenter Altartisch und mobile Bestuhlung ermöglichen die Feier von Gottesdiensten im kleinen Kreis, aber auch andere liturgische Vollzüge verschiedenster Art. Die diskreten Bilder in Mischtechnik mit Wüstensand stammen abermals von einer Künstlerin, Ruth Lynen.

Auf mannigfache Hindernisse finanzieller, bautechnischer und denkmalschützerischer Art stößt hingegen eine ebenfalls angedachte Anpassung des großen Kirchenraums. Welch kreative Herausforderung es darstellt, die Barrieren des Aufstiegs zum hoch gelegenen Presbyterium und der beiden steinernen Kanzeln zu überwinden, erwies sich in einem Seminar, das 2005 am Institut für Architektur und Entwerfen, Raumgestaltung und Entwerfen an der Wiener Technischen Universität abgehalten wurde. Sechs Studentinnen und Studenten legten unterschiedlich innovative Entwürfe vor und zeigten jedenfalls auf, dass diese Kirche kein Allerweltsbau ist. Leben mit Geschichte kann manchmal beschwerlich sein, aber man kann daran auch reifen.

Das Pfarrgebiet#

Wir müssen wohl kurz die Augen schließen, um uns vorzustellen, wie Neufünfhaus vor 300 Jahren ausgesehen hat. Selbst Straßennamen wie Felberstraße und Goldschlagstraße bedürfen erst einer Erklärung, um vor unserem inneren Auge Weidenbäume und Weingärten erscheinen zu lassen (die Weingartenried Goldschlagen wird schon 1375 erwähnt und Felber sind Weidenbäume). Jedenfalls war die Gegend unverbautes Gelände, das etwa die Türken 1683 verlockte, Wien vor allem von dieser Seite her anzugreifen.

Der Linienwall, der Anfang des 18. Jahrhunderts als zweiter Befestigungsring um die Stadt gelegt wurde, markierte deutlich die Ostgrenze des Gebiets. Die spätere Gürtelstraße folgt im Wesentlichen seinem Verlauf, wurde aber gerade im Bereich des Neubaugürtels etwas stadtauswärts angelegt, sodass bei der Eingemeindung der selbständigen Gemeinde Fünfhaus nach Wien der neu entstandene 15. Bezirk zunächst bis zur Wimberger- und Kenyongasse reichte; erst 1907 wurde der Gürtel zur Bezirksgrenze. Unter den Grundbesitzern aus der Stadt finden wir auch geistliche Herren wie die Barnabiten, die bis 1923 die Michaelerkirche in der Inneren Stadt sowie die Mariahilfer Kirche betreuten; eine Michaelsstatue am Haus Lohrgasse (ehemals Michaelergasse) 19 erinnert an diese Verbindung bis heute.

Der Schmelzer Friedhof#

Unübersehbar wurde das Hinauswachsen der Stadt 1782, als Kaiser Josef II. aus hygienischen Gründen Erdbeisetzungen innerhalb des Linienwalls verbot und zugleich mit dem Sankt Marxer, Matzleinsdorfer, Hundsturmer und Währinger Friedhof auch den Schmelzer Friedhof anlegen ließ. Das beinahe quadratische Rechteck dieses „Kommunalfriedhofs“ lag nicht parallel zum heutigen Gürtel; den stadtseitigen Abschluss bildete eine gerade Linie etwa von der Ecke Sorbaitgasse/Wurzbachgasse bis zur Ecke Hütteldorfer Straße/Pelzgasse, den schmelzseitigen Abschluss die gedachte Verlängerung der heutigen Schinnaglgasse etwa bis zur Ecke Vogelweidplatz/Loeschenkohlgasse. Dass die Straßenbahnlinie 49 vom Urban-Loritz-Platz stadtauswärts nicht geradeaus weiterfährt, sondern in die Märzstraße ausweicht, verrät noch heute, dass die Hütteldorfer Straße kurz nach ihrem Beginn durch den Friedhof unterbrochen war.

Auf dem Schmelzer Friedhof, der bis 1879 belegt, aber erst nach dem Ersten Weltkrieg aufgelassen wurde, waren bekannte Persönlichkeiten begraben wie der Klavierbauer Ignaz Bösendorfer und der Entdecker der Ursache des Kindbettfiebers Ignaz Philipp Semmelweis. Ins Gedächtnis der Stadt eingeprägt hat er sich aber durch die Beisetzung der ersten Opfer der Revolution von 1848, der so genannten Märzgefallenen. Der ihnen hier gesetzte Obelisk wurde 1888 zusammen mit den exhumierten Leichen auf den Zentralfriedhof überführt. Ein Markstein war 1848 die bis dahin verpönt gewesene gemeinsame Beisetzung von Menschen verschiedener Konfession und verschiedenen Glaubens; das Wort ergriff auf dem Schmelzer Friedhof nicht nur der katholische Legionskaplan Anton Füster, sondern auch der evangelische Pfarrer Josef Bauer und der Rabbiner Isaak Noah Mannheimer.

Die Schmelz#

1847, im Jahr vor der Revolution, hatte die Armee vor allem von der Gemeinde Rustendorf, an die heute noch der Rustensteg erinnert, riesige Flächen auf der Schmelz erworben. Hatten bis dahin weite Felder das Landschaftsbild bestimmt, so verwandelte sich das bis zum Gürtel reichende Exerziergelände nunmehr in eine Staubwüste, die bei den Wienern auch wegen der nächtlichen Unsicherheit schlecht angeschrieben war. Wenige Jahre nach der Revolution kam es aber noch zu einer zweiten Veränderung, denn 1858 ging die Kaiserin-Elisabeth- Westbahn in Betrieb. Mit einem Schlag wurden die bahnhofsnahen Grundstücke lukrativ. Das Gebiet zwischen Felberstraße und Hütteldorfer Straße wurde parzelliert und im Lauf der Sechzigerjahre als erstes Grätzel des Pfarrgebiets rasch bebaut; etliche zweistöckige Häuser lassen die frühe Bebauung noch heute erkennen.

Die weiterhin riesige freie Fläche musste natürlich Begehrlichkeiten der verschiedensten Stellen hervorrufen, zumal das Areal mit Wirkung vom 1. Jänner 1892 komplett nach Wien eingemeindet worden war. Während im heutigen Bewusstsein die Trennungslinie innerhalb des Bezirks von der Westbahn gebildet wird, liegt sie historisch betrachtet genau quer dazu. Die einst selbständige Gemeinde Fünfhaus umfasste das gesamte Gebiet entlang des Gürtels vom Wiental bis zur Gablenzgasse; die Grenze zur stadtauswärts gelegenen ebenfalls selbständigen Gemeinde Rudolfsheim verlief von der Grenzgasse und der Schmelzbrückenrampe quer über die Westbahn, dann durch die Pouthongasse, Hütteldorfer Straße, Schanz- und schließlich Ibsenstraße zur Gablenzgasse. Die gesamte heutige Schmelz gehörte also zum traditionell bürgerlich-wohlhabenden Fünfhaus, das als 15. Bezirk zu Wien kam, während das eher proletarisch-ärmliche Rudolfsheim damals den 14. Bezirk bildete.

Das Nibelungenviertel#

Die Pläne Otto Wagners, der als Erbauer der hier 1898 in Betrieb gegangenen Stadtbahn mit den städtebaulichen Möglichkeiten der Gegend vertraut war, sind in die Architekturgeschichte eingegangen; über einen Nachdruck verfügen die Büchereien Wien am Urban-Loritz-Platz. Zunächst projektierte der leidenschaftliche Neuerer entlang der Achse der verlängerten Sorbaitgasse bis in die Gegend der heutigen Kleingartenanlage „Zukunft auf der Schmelz“ eine neue Akademie der bildenden Künste mit monumentalem Museumsbau und Aula etwa an der Stelle der heutigen Christkönigskirche. Beim zweiten Entwurf ein gutes Jahrzehnt später setzte er davor noch ein Kaiser-Franz-Josef-Stadtmuseum; in beiden Fällen hätten sich die unzähligen Ateliers halbkreisförmig bis zur Hütteldorfer Straße und zur Gablenzgasse erstreckt. Mit dem Bau eines Stadtmuseums, wenngleich nach anderen Plänen, wurde tatsächlich begonnen, verhandelt wurde auch über ein Landwehr-Truppenspital, und Leserbriefschreiber schlugen vor, auf der Schmelz einen Verschubbahnhof anzulegen. Verwirklicht wurde hingegen das Nibelungenviertel oder, wie die Bezirksvertretung 1910 beim Wiener Magistrat beantragte, die Luegerstadt. Der Architekt der Luegerkirche auf dem Wiener Zentralfriedhof, Max Hegele, schuf die beiden Eckhäuser Kriemhildplatz/Markgraf-Rüdiger-Straße. Der radiale Verlauf letzterer erinnert an die Pläne Otto Wagners, doch folgte man im Detail eher den Ideen Camillo Sittes, der Straßenverläufe nicht wie Wagner reißbrettartig hatte durchziehen wollen.

Dramatische Jahre#

„Erbaut im Kriegsjahr 1915“ liest man an einem Haus Ecke Guntherstraße/Stutterheimstraße. Nach Kriegsende 1918 sprang die sozialdemokratische Gemeindeverwaltung in die Bresche und füllte die noch großen Baulücken bis 1932 etwa mit dem Forstnerhof zwischen Camillo-Sitte-Gasse und Alliogasse, dem Grassingerhof zwischen Stutterheimstraße und Brunhildengasse, aber auch der heutigen Zweiten Zentralberufsschule zwischen Hütteldorfer Straße und Märzstraße, die mit ihren leichten Rundungen im Eingangsbereich und an der Rückfassade den Rundbau des zuvor an dieser Stelle stehenden Zirkus Schumann zitiert.

Erinnert die Benennung der Straßen im Nibelungenviertel an die Deutschtümelei des Bürgertums, so der Friedrich-Ebert-Hof an die Anschlussbegeisterung der Arbeiterschaft. Zugleich spitzte sich der Klassenkampf immer mehr zu. Über den 1928 zum Märzpark mutierten Schmelzer Friedhof blickten einander die großbürgerlichen Fassaden an der Westseite des Vogelweidplatzes und die nicht minder imposante Fassade des Vogelweidhofs in der Wurzbachgasse feindlich an. Und 1934 zogen vom Urban-Loritz-Platz über die kurze Aufmarschstraße, die nach Ausrufung der Republik Karl-Marx-Straße hieß, der „Arbeitermörder“ Seipel und der „Millimetternich" Dollfuß (so die damalige Diktion ihrer Gegner) zur vermeintlich letzten Ruhestätte.

Im Dritten Reich verkündeten riesige Transparente am Haus Felberstraße 22, dass hier im Jahr 1909 „unser Führer Adolf Hitler“ gewohnt habe. Wiewohl in der Nähe des gefährdeten Westbahnhofs gelegen, überstand das Pfarrgebiet von Neufünfhaus den Zweiten Weltkrieg aber verhältnismäßig glimpflich; ein Reliefbild am Haus Gablenzgasse 44 zeigt die Gottesmutter, die ihren Schutzmantel über die im Luftschutzkeller Versammelten ausbreitet, und eine Granate durchlöcherte zwar das Kupferdach der Christkönigskirche, hinterließ am großen Mosaik aber nur einen unbedeutenden Schaden. Als dauerhaft erwies sich nur die von den Nationalsozialisten durchgeführte Vereinigung der Bezirke Rudolfsheim und Fünfhaus.

Aufbruch in die Zukunft#

Die Zweite Republik hat vieles zum Abschluss gebracht, was vor gut einem Jahrhundert begonnen hatte; erst rund um die Jahrtausendwende wurden die letzten Baulücken gefüllt, mit komfortablen zumeist genossenschaftlichen Wohnbauten und mit Geschäftshäusern wie der Lugner-City und dem Möbelhaus Lutz. Der Komplex von Roland Rainers Stadthalle dominiert in der Mitte des Pfarrgebiets, wobei die Halle A mit dem Rosenkranz-Sühnekreuzzug Schauplatz des größten alljährlich wiederkehrenden kirchlichen Indoor-Ereignisses Österreichs war. Großgaragen unter dem einstigen Red-Star- Platz und neuerdings unter dem Märzpark neben bzw. vor der Stadthalle befriedigen die Bedürfnisse der Autofahrer, U3 und U6 sowie attraktiver gewordene Straßenbahn- und Buslinien jene der Benützer öffentlicher Verkehrsmittel. Größer als die baulichen Veränderungen sind jedoch die Umschichtungen in der Bevölkerung. Alte Konfliktlinien, die die Pfarre Neufünfhaus geprägt haben wie kaum eine andere im Land, sind einer weitgehenden Kooperation gewichen, doch neue sind im Bezirk und auch im Pfarrgebiet aufgebrochen. Das zentrale Nibelungenviertel hat sich den Charakter einer bürgerlich dominierten Wohngegend bewahrt, doch die Bevölkerungsstruktur in den drei anderen Sprengeln - in jenem zwischen Hütteldorfer und Felberstraße, jenem jenseits der Gablenzgasse und jenem zum Gürtel hin hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Ein Spaziergang durch die Märzstraße, in der alteingesessene Geschäfte den Laden dicht machen, dafür aber die Migrantenszene aufblüht, macht die Verschiebungen eindringlich sichtbar.

Es bedurfte nicht erst der Schreckensszenen in einem Neufünfhauser Sikhtempel am 24. Mai 2009, als ein Guru von Anhängern einer konkurrierenden Glaubensrichtung ermordet wurde, was sogar Unruhen in Indien ausgelöst hat, um deutlich zu machen, wie sehr die Probleme heute weltweit vernetzt sind. Die Trennungslinie zwischen Erster, Zweiter und Dritter Welt verläuft mitten durch das Pfarrgebiet und man ist versucht, Friedrich Hebbels Worte über Österreich abzuwandeln und auszurufen:

Dies Neufünfhaus ist eine kleine Welt,
in der die große ihre Probe hält,
und waltet erst bei uns das Gleichgewicht,
so wird's auch in der andern wieder licht.
Drum eilt, ihr wirkt ja für die goldne Zeit,
denn nicht im Dunkel der Vergangenheit
soll man sie suchen, vor euch liegt sie da.

(Wolfgang Bahr)