Gibt es Energie, die nie ausgeht?#
Andreas Vormaier
Menschen nehmen chemisch gespeicherte Energie in Form von Nahrungsmitteln zu sich. Zusätzlich benötigen sie so genannte „Energiedienstleistungen“ wie Licht, Wärme, Bewegung oder Kommunikation, die die Nutzung von „Energieträgern“ wie Kohle und Erdöl oder der Bewegungsenergie von Wind und Wasser notwendig machen. Letztendlich basiert jedwede landwirtschaftliche, handwerkliche oder industrielle Produktion auf der Nutzung von Energieträgern.
Das Problem ist, dass heute mehr als zwei Drittel der bereitgestellten Energie von fossilen Energieträgern stammen: aus Kohle, Erdöl und Erdgas. Diese sind über Jahrmillionen aus pflanzlichen und tierischen Überresten entstanden und tun das im Prinzip auch heute; nur leider mehrere hunderttausendmal weniger schnell, als sie verbraucht werden. Zwar wird das Erdöl nicht in einigen Jahrzehnten plötzlich aus sein, doch in zehn bis zwanzig Jahren könnte das „Entnahmemaximum“ erreicht sein. Und wenn bei steigender Nachfrage immer weniger Erdöl gefördert werden kann, wird der Ölpreis stark ansteigen.
Auf eine Energiequelle, die nicht so schnell versiegt, glaubte man in den 1950er Jahren mit der Entwicklung der Kernenergie gestoßen zu sein. Zwar sind die abbauwürdigen Uranvorkommen auch begrenzt, aber der Neutronenregen bei der Spaltung von Uran- 235-Isotopen würde in den Brennstäben wiederum spaltbares Plutonium erbrüten. Es könnte also bei der Nutzung der Kernkraft mehr „Brennstoff“ erzeugt werden, als verbraucht wird. Mit solchen Brüter-Reaktoren gab es allerdings beträchtliche technische Schwierigkeiten, ebenso mit der Handhabung des hochgiftigen und potenziell atombombentauglichen Plutoniums. Zudem ist bis heute nicht geklärt, wo die hoch radioaktiven Spaltprodukte über Tausende Jahre hinweg sicher gelagert werden könnten.
Faszinierend schien auch die Möglichkeit, aus Fusion der „leichten“ Atomkerne von Wasserstoff und Lithium Energie zu gewinnen, so wie es im Inneren der Sonne geschieht. Wasserstoff und Lithium sind auf der Erde so reichlich vorhanden, dass die Energieversorgung der Menschen für alle absehbaren Zeiten gesichert wäre. Wiederum stehen dem aber technische Probleme im Weg, und diese scheinen auch noch immer größer zu werden: Während man 1955 glaubte, binnen 20 Jahren erfolgreich zu sein, rechnen heute die Wissenschaftler mit noch mindestens 50 Jahren, bis der Einsatz Strom liefernder Fusionsreaktoren möglich sein wird.
Näher am Ziel der „Energie, die nicht ausgeht“ ist man da mit der Nutzung von so genannten „erneuerbaren“ Energieträgern. Damit sind vor allem jene Energieformen gemeint, die direkt oder indirekt auf die Sonneneinstrahlung zurückgehen und sich so immer wieder neu bilden: Solarthermie und Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse. Allerdings heißt „Energie, die nie ausgeht“ nicht „Energie, die unbegrenzt vorhanden ist“: Ein nachhaltiges Energiesystem mit erneuerbarer Energiebereitstellung ist nur bei einer massiven Einschränkung des Verbrauchs möglich.
Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:
Siehe auch JOANNOVUM 1-2022!#
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