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Michael Mitterauer: Die Grabstätten der Habsburger#

DIE GRÄBER DER KÖNIGSKINDER#

DIE HERZOGSGRUFT DER HABSBURGER IN ST. STEPHAN UND DIE ÄLTEREN GRABLEGEN DER DYNASTIE#

Ein Hauptmotiv Herzog Rudolfs IV. für den von ihm initiierten Ausbau der Stephanskirche war es, für die Dynastie eine dauerhafte Grablege in repräsentativer Form zu schaffen. Das gelang ihm auch. Die von ihm begonnene Herzogsgruft wurde für lange Zeit die wichtigste Begräbnisstätte. Stärker theoretisch formuliert: Herzog Rudolf schuf einen dauerhaften zentralen Ort habsburgischer Sepulkralkultur. Im Dezember 1365 wurde er selbst in der neuen Herzogsgruft bestattet. Die Begräbnisplätze von Rudolfs fürstlichen Vorfahren lagen nur zum Teil innerhalb des heutigen Österreich. Der Stammvater der Dynastie, Herzog Rudolfs IV. Urgroßvater König Rudolf I., wurde – seinem Rang entsprechend im Kaiserdom zu Speyer begraben. Seinen baldigen Tod voraussehend reiste er in hohem Alter zu diesem von ihm angestrebten Sterbeort. Seine Sarkophagplatte war schon vorbereitet. Sie zeigt auffallend starke porträthafte Züge - diesbezüglich wohl vergleichbar mit dem bekannten Porträt seines Urenkels, das über seinem Grab in St. Stephan für Jahrhunderte seinen Platz hatte. Im Kaiserdom zu Speyer wurde auch Rudolfs I. ältester Sohn und Nachfolger bestattet, der 1308 ermordete König Albrecht I.

Rudolfs I. erste Ehefrau, Gertraud/Anna von Hohenberg, liegt – ihrem persönlichen Wunsch gemäß - im Münster von Basel begraben, ebenso ihr 1281 im Rhein ertrunkener zweiter Sohn Hartmann und der als Kind verstorbene Karl – möglicherweise auch andere frühverstorbene Söhne des Königspaars, für die die Namen Hermann, Friedrich und Rudolf überliefert sind. Die in Basel und anderen schwäbischen Orten begrabenen Habsburgerinnen und Habsburger wurden seit 1770 in einem feierlichen Leichenzug nach Österreich überführt und - nach verschiedenen Zwischenstationen - schließlich in der Abtei St. Paul im Lavanttal beigesetzt. Über diesen als „Pomp funèbre“ über Jahre hin inszenierten Leichenzug gibt es anschauliche zeitgenössische Schilderungen. Der dritte überlebende Sohn des Stammelternpaares war Rudolf II., durch den der Name des Vaters in der zweiten Generation der Dynastie gesichert werden konnte. Noch minderjährig wurde er zusammen mit seinem älteren Bruder Albrecht 1282 „zur gesamten Hand“ mit Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain und der Windischen Mark belehnt. Beide zusammen waren die beiden ersten habsburgischen Herzoge von Österreich. Rudolf II. wurde 1278 mit erst acht Jahren mit Agnes, der Tochter König Ottokars II. von Böhmen verheiratet. 1290 verstarb er in Prag und wurde hier in der Burg begraben. Auf Anordnung Kaiser Karls IV., wurden seine Gebeine später in die böhmische Königsgruft im Veitsdom überführt.

In Prag wurde auch Herzog Rudolf III. von Österreich bestattet. Er war der älteste Sohn König Albrechts I. 1306 belehnte ihn sein Vater als deutscher König gegen den Widerstand der Großen des Landes mit dem Königreich Böhmen. Durch die zweite Eheschließung Rudolfs mit der Witwe König Wenzels II. von Böhmen konnte seine Anerkennung erreicht werden. Zugleich wurde er durch sie auch Titularkönig von Polen. Er starb 1308. Man begrub ihn in der Fürstengruft am Hradschin. Wie sein Neffe Rudolf IV. wurde er in einem orientalischen Gold-Seide-Stoff begraben – eine bisher kaum beachtete Parallele habsburgischer Sepulkralkultur.

Ungewöhnlich und wenig bekannt ist der Begräbnisort von Johann, dem 1290 wohl nachgeborenen Sohn Rudolfs II. Er erhielt später den Beinamen „Parricida“, also „Vatermörder“. 1308 ermordete er seinen Vatersbruder und Vormund, König Albrecht I., zu dem schon seit Jahren ein starkes Spannungsverhältnis bestand: Zunächst weil der seinen eigenen Sohn Rudolf dem Neffen in der böhmischen Thronfolge vorzog. Als Sohn einer Premyslidin und Enkel Ottokars II. hätte Johann besser berechtigte Ansprüche gehabt. Dann aber auch wegen anderer vorenthaltener Rechte aus dem väterlichen Erbe. Als Königsmörder geächtet floh er nach Italien, wo er vom neuen deutschen König Heinrich VII. von Luxemburg seine Begnadigung erbat. Sie wurde ihm gewährt. In das Kloster San Nicola in Pisa eingewiesen lebte Johann hier noch einige Jahre und dürfte hier auch begraben sein. Die Kirche San Nicola in Pisa ist ein bemerkenswertes Bauwerk. Ihr Campanile ist der zweite, allerdings weniger beachtete „schiefe Turm von Pisa“. Die kunsthistorisch bedeutsame Kirche wird in der historischen Literatur nirgendwo als Grablege eines Habsburgers erwähnt. Um das Andenken des Johannes „Parricida“ hat sich eher die Dichtkunst angenommen als die wissenschaftliche Geschichtsschreibung.

Der Veitsdom in Prag
Der Veitsdom in Prag
Kartause Mauerbach
Kartause Mauerbach
Neuberg
Neuberg an der Mürz
Westfassade Stephansdodm
Westfassade Stephansdom

--> Fotos: P. Diem

Grabstätten im heutigen Österreich#

Mit den Kindern König Albrechts I. sind die ersten im heutigen Österreich gelegenen Begräbnisplätze von Habsburgern verbunden. Als solche sind zu nennen: das Dominikanerinnenkloster in Tulln, die Minoritenkirche in Wien, das Kartäuserkloster Mauerbach im Wienerwald, das Zisterzienserkloster Neuberg an der Mürz in der Steiermark und die Kartause Gaming in Niederösterreich. Die Herzogsgruft in Gaming ist die unmittelbare Vorläuferin der Herzogsgruft im Wiener Stephansdom, die von Herzog Rudolf IV. begründet wurde. In den habsburgischen „Vorlanden“ in Schwaben hatte hingegen als Begräbnisstätte der Habsburger das Kloster Königsfelden im Aargau besondere Bedeutung.

Das Klarissenstift Königsfelden wurde von Elisabeth, der Witwe König Albrechts I. , als Gedenkstiftung für ihren ermordeten Gatten errichtet. Sie selbst ist dort begraben - von ihren Kindern Agnes, die verwitwete Königin von Ungarn, Herzog Leopold I. von Österreich und Steiermark, der auch die Vorlande verwaltet hatte und 1326 in Straßburg verstarb, ein weiterer Sohn Heinrich – „der Freundliche“ zubenannt - , ein früh verstorbener Sohn König Friedrichs des Schönen mit gleichem Namen aus der Enkelgeneration und ebenso noch der 1386 in der Schlacht bei Sempach gegen die Eidgenossen gefallene Herzog Leopold III. von Österreich, Steiermark und Kärnten, der jüngere Bruder Herzog Rudolfs IV. Wie aus Basel wurden die Gebeine der in Königsfelden bestatteten Habsburger und Habsburgerinnen in mehrfachen Umbettungen letztlich nach St. Paul im Lavanttal überführt. Tulln als Grablege früher Habsburger ist wenig bekannt. Und doch muss man diese Stadt als ältesten Begräbnisort der Habsburger in Österreich bedenken. das Dominikanerinnenkloster in Tulln wurde 1280 von König Rudolf I . als Dank für seinen Sieg über König Ottokar von Böhmen gestiftet. Tulln war für Rudolf in dieser Auseinandersetzung ein wichtiger Stützpunkt. Als eine der ersten der österreichischen Städte ging Tulln in das habsburgische Lager über, während sich Wien stark für Ottokar engagierte und weiterhin mit der neuen Dynastie kein gutes Einvernehmen herstellte. Die große Bedeutung der Dominikaner für den Erfolg Rudolfs ist bekannt. Warum er als Gedenkstiftung für seinen Sieg ein Frauenkloster gründete, erscheint nicht so leicht erklärlich. Hatten die Gebetsverpflichtungen der Nonnen mit der Grabstätte zu tun, die schon bald für Kinder aus der königlichen Familie genutzt wurde? Rudolfs zweite Gattin Beatrix von Burgund wurde auf der Tullner Klosterkirche als Stifterfigur dargestellt. König Rudolf hatte allerdings aus dieser so altersungleichen Ehe keine Kinder. Aber umso zahlreicher waren die seines Sohnes Albrecht I. aus seiner Ehe mit Elisabeth von Görz-Tirol, der Tochter Graf Meinhards II. , die 1276 aus politischen Gründen geschlossen wurde. Aus dieser Ehe gingen nicht weniger als 21 Kinder hervor. Neun Kinder starben bei der Geburt oder bald danach. Ihre Namen sind nicht überliefert. Ein Sohn, der nach dem mütterlichen Großvater den Namen Meinhard erhielt, könnte zu ihnen zählen. Unklar bleibt, ob und wie viele von ihnen ungetauft starben. Sie alle wurden im Dominikanerinnenkloster in Tulln bestattet. Die einzige erwachsene Habsburgerin, von der man weiß, dass sie in Tulln begraben wurde, war die Nonne Euphemia, eine uneheliche Tochter Friedrichs des Schönen. Dessen gleichnamigen ehelichen Sohn, der früh verstarb, bestattete man noch im doch ziemlich weit entfernten Kloster Königsfelden im Aargau. Angeblich wurde das Tullner Kloster noch bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts als Grabstätte für früh verstorbene Habsburgerkinder genützt. Für die Frage einer spezifischen Sepulkralkultur für totgeborene, ungetaufte oder früh verstorbene Kinder erscheint diese Praxis jedenfalls bedeutungsvoll. Bezüglich der Kinderbegräbnisse wählten die Habsburger sicher schon früh auch Bestattungsorte in ihrem neuen Herrschaftsgebiet, während sie bei der Bestattung erwachsener Angehöriger noch relativ lange an ihrer schwäbischen Heimatregion festhielten. Die für Begräbnisse gewählten Örtlichkeiten erscheinen jedenfalls als interessanter Indikator für die jeweilige Territorialpolitik.

Mauerbach und Minoritenkirche#

König Friedrich III. „der Schöne“, als österreichischer Herzog Friedrich I., geboren um 1286, gestorben 1336, begründete als sein Hauskloster, in dem er auch begraben werden wollte, die Kartause Mauerbach im Wiener Wald. Der Spiritualität dieses Ordens fühlte er sich sehr verbunden. Damit hängt vielleicht auch die relativ geringe Vorsorge für seine Begräbnisstätte zu Lebzeiten zusammen. Die Kartäuser waren diesbezüglich streng Es ist jedenfalls nichts über ein repräsentatives Grabmal überliefert. Als Kaiser Maximilian das Grab seines Ururgroßonkels und Vorgängers suchen ließ, war es schwierig zu finden. Als man es endlich entdeckte, veranlasste der Kaiser eine feierliche Beisetzung in der Sakristei der Klosterkirche. Unter den habsburgischen Königs- und Kaisergräbern des Mittelalters und der Neuzeit waren solche Gegebenheiten jedenfalls eine einmalige Situation. Bei der Aufhebung des Klosters 1782 wurden Stiftergräber geöffnet und die Särge verkauft. Die Gebeine blieben offen in der ausgeräumten Kirche liegen und wurden erst 1797 auf Befehl Kaiser Franz II. in die Pfarrkirche des Orts überführt. Der Kontrast zwischen der Grabstätte König Friedrichs des Schönen und der seiner Gattin Elisabeth/Isabella von Aragonien könnte größer nicht sein. Elisabeth wurde 1330 in der Ludwigskapelle der Minoritenkirche in Wien beigesetzt , also einer Bettelordenskirche nahe dem Hof in der Residenzstadt der Habsburger – und zwar in einem repräsentativen Hochgrab. Diese Ludwigskapelle war eine Stiftung der Blanche de France, der ersten Frau Herzog Rudolf III., des späteren Königs Rudolf I. von Böhmen und Polen – also von Friedrichs des Schönen Schwägerin – aus dem Jahr 1304. Nach dem Tod ihres neugeborenen Kindes hatte Blanche einen hohen Geldbetrag für die Errichtung der Grabkapelle und des Grabmals gestiftet. Wo das totgeborene Kind bestattet wurde, wissen wir nicht. Die Eheschließung Herzog Rudolfs III. im Jahr 1300 mit Blanche de France, der Tochter König Philipps III. von Frankreich war eine hochpolitische Angelegenheit. Sie sollte die Allianz zwischen König Philipp III. und König Albrecht I. festigen, die dessen Tod 1308 jedoch nicht überdauerte. Philipp III. setzte sich nach Albrechts Ermordung nicht für die Kandidatur eines Habsburgers ein, sondern wollte seinen eigenen Bruder Robert von Anjou von den Kurfürsten gewählt sehen. In die Wahlkonflikte schaltete sich auch der Papst ein, der – unabhängig davon – auch durch seine Heiligsprechungen dynastische Politik betrieb. Blanche de France hatte 1300 eine reiche Mitgift nach Wie mitgebracht, aus der sie die Ludwigskapelle dotierte. Diese wurde zunächst dem Großvater von Blanche, König Ludwig IX. dem Heiligen von Frankreich geweiht - später dann aber umgewidmet, und einem anderen eben heiliggesprochenen Kapetinger aus der Verwandtschaft von Blanche geweiht, nämlich dem heiligen Ludwig von Toulouse, der auf die Königswürde von Neapel verzichtet hatte und in den Minoritenorden eingetreten war.

In dieser Ludwigskapelle der Wiener Minoritenkirche entstand zunächst das repräsentative Hochgrab der französischen Königstochter nach dem Vorbild der großartigen Königsgräber von St. Denis, die in der Französischen Revolution zerstört wurden. Das Grabmal der Herzogin Blanche ist in einer Zeichnung aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert von Marquard Herrgott überliefert. In dieser repräsentativen Grabkapelle in der Minoritenkirche wurde 1330 Königin Elisabeth, die Witwe Friedrich des schönen und Tochter des Königs Jakob II. von Aragonien bestattet – ebenfalls in einem sehr repräsentativen Hochgrab, dessen Aussehen überliefert ist. Es entstand so in der Minoritenkiche eine Grabkapelle für Fürstinnen von königlichem Rang in repräsentativen Formen westeuropäischer Königsdynastien. Für die von Rudolf IV., dem Neffen dieser beiden habsburgischen Herzoge und Könige Rudolf III./I. und Friedrichs des Schönen wenige Jahrzehnte später in St. Stephan geplante Herzogsgruft wie für den Neubau der Stephanskirche insgesamt war diese Ludwigskapelle wie die Minoritenkirche im Allgemeinen von Bedeutung. Stilistisch lässt sich eine von der Minoritenkirche beeinflusste französische Gotik in ihrer spezifischen Eigenart erkennen.

Gaming#

Ein dritter Bruder aus dieser habsburgischen Brüderreihe der Söhne König Albrechts I., Herzog Albrecht II, „der Weise“ und auch „der Lahme“ zubenannt, stiftete 1332 die Kartause Gaming, die zur Entstehung einer neuen habsburgischen Herzogsgruft führte. Sie geht auf ein Gelübde zurück, das Albrecht II. und sein älterer Bruder, Herzog Leopold I. „der Glorwürdige“ vor der Entscheidungsschlacht um den deutschen Königsthron zwischen ihrem Bruder Friedrich und ihrem Cousin König Ludwig IV. „dem Bayer“ ablegten. Leopold wollte für das gelobte Kloster einen Gründungsort bei Luzern. Als er 1326 starb und in Königsfelden begraben wurde, lag die Entscheidung bei Albrecht. Unter dem Einfluss des Priors Gottfried von Mauerbach entschied er sich für die Gründung der Kartause in Gaming. Damit wurde die Schwerpunktverlagerung der Dynastier von den schwäbischen „Vorlanden“ in die habsburgischen Herzogtümer im Südosten des Reiches auch in der Sepulkralkultur der Dynastie festgelegt. Gefördert von Herzog Albrecht II. und privilegiert durch Kaiser Karl IV. erlebte die neue Kartause einen enormen Aufschwung, sodass selbst das Stammkloster des Ordens, die „Grande Chartreuse“ auf diese Neugründung eifersüchtig wurde. Herzog Albrecht richtete hier die Grabstätte für sich und seine Familie ein. 1351 wurde seine Frau Johanna von Pfirt hier begraben, 1352 Albrecht selbst. Auch die erste Frau von deren Sohn Herzog Albrecht III., Elisabeth, eine Tochter Kaiser Karls IV., liegt hier begraben. Albrechts Sohn Rudolf IV. begleitete die Gaminger Gründung positiv, disponierte aber in der Frage der Grablege für die von ihm als Zukunftsperspektive Dynastie der „Pfalzerzherzoge“ neu.

Neuberg an der Mürz#

Parallel zur Grablege in Gaming entstand eine andere der habsburgischen Herzoge in Neuberg an der Mürz in der Steiermark. Herzog Otto „der Fröhliche“, der jüngste der Söhne König Albrechts I, nahm die Geburt seines ersten Sohnes Friedrich 1327 zum Anlass, um das Zisterzienserkloster Neuberg zu gründen. Es wurde vom Kloster Heiligenkreuz im Wienerwald aus besiedelt. Wie in Heiligenkreuz die babenbergische Herzogsgruft nicht in der Klosterkirche, sondern unter dem Kapitelsaal liegt, so auch die habsburgische in Neuberg. Da Herzog Albrechts II. Ehe mit Johanna von Pfirt von 1324 bis 1339 kinderlos blieb, durfte Herzog Otto für seine Nachkommen hoffen. Der Bestand der Dynastie war damals äußerst prekär. Ottos Frau Elisabeth gebar 1327 und 1328 zwei Söhne. Aber Otto selbst starb schon 1330. Seine beiden Söhne, über die Albrecht II. die Vormundschaft übernommen hatte, waren zunächst die einzigen Nachkommen der nächsten Generation. Aber auch Ottos Söhne , Herzog Friedrich II. und Herzog Leopold II. starben kurz hintereinander 1344. 1352 verschied auch Herzog Albrecht. Albrechts ältester Sohn Rudolf und seine drei jüngeren Brüder waren nun die einzigen männlichen Erben. Herzog Rudolf IV., der nun die Herrschaft übernahm, entwickelte eine völlig neue Konzeption. Er gründete nicht ein neues Grabkloster, sondern das Stift Allerheiligen in seiner Burg in Wien – die Wurzel des späteren Domkapitels von St. Stephan. Der Dom St. Stephan sollte in jeder Hinsicht sakraler Mittelpunkt des habsburgischen Territoriums sein. Deswegen schuf er in wörtlichem und in übertragenem Sinne eine neue Basis für die Dynastie : Die Herzogsgruft von St. Stephan.

DIE BESTATTUNGEN IN DER HERZOGSGRUFT VON ST. STEPHAN#

Die Begründung einer neuen Herzogsgruft für die Habsburgerdynastie durch HerzogRudolf IV. „den Stifter“ muss sicher im Kontext seiner lebens- und familiengeschichtlichen Erfahrungen gesehen werden. Sein Leben war schon früh von gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst, die ihm die Möglichkeit eines plötzlichen Todes bereits in jungen Jahren sehr bewusst machen mussten. 1348/49 hatte die erste große Pestepidemie in Europa gewütet. Auch in Wien wurde damals etwa ein Drittel der Bevölkerung dahingerafft. Rudolf war noch keine zehn Jahre alt, als das große Sterben begann. Das bedeutete für ihn wohl eine entscheidende lebensgeschichtliche Prägung. Aus der habsburgischen Dynastie wissen wir mit Sicherheit nur von einer Person, die damals Opfer dieser schrecklichen Krankheitswelle wurde. Rudolfs IV. Cousine Katharina, die Tochter seines Onkels Herzog Leopold I. und Gattin des Grafen Konrad von Hardegg, starb 1349 an der Seuche. Wir wissen nicht, ob Rudolf zu dieser Cousine in engerem persönlichen Kontakt stand, aber immerhin war sein Vater, Herzog Albrecht II., deren Vormund gewesen. Eine ganze Generation der europäischen Bevölkerung wurde in ihrer Einstellung zu Leben und Sterben von den schrecklichen Erfahrungen mit dem „Schwarzen Tod“ geprägt.

Wir dürfen nicht annehmen, dass Rudolf aus solchen Erfahrungen schon in jungen Jahren bei seinen vielen Reisen ein Leichentuch mich sich geführt habe. Der repräsentative Gold-Seide-Stoff, mit dem er 1365 in der von ihm gestifteten Herzogsgruft in St. Stephan beigesetzt wurde, war sicher erst nach seinem unerwarteten Tod in Mailand auf seinen konservierten Körper zugeschnitten worden. Aber die Angst vor dem „unvorbereiteten Tod“, war ihm – wie jedem Christenmenschen seiner Zeit – eine ständige Begleiterin. In diesem allgemeinen Verständnis war er wohl auf das Ende seines irdischen Lebens vorbereitet und rechnete mit dieser Möglichkeit.

Der Auftrag für die Herzogsgruft war - neben solchen allgemeinen Motivationen – für Rudolf vor allem deshalb ein besonderes Anliegen, weil er den Tod vieler Familienangehöriger erlebt hatte und die „memoria“ der des habsburgischen Hauses in seiner Residenzstadt dauerhaft absichern wollte. Von seinen zahlreichen Onkeln und Vorgängern als Herzögen von Österreich, die das Erwachsenenalter erreicht hatten – Rudolf III., Friedrich I. „dem Schönen“, Leopold I. „dem Glorwürdigen“, und Otto „dem Fröhlichen“ - hatte nur der Letzte männliche Nachkommen hinterlassen, nämlich die Herzoge Friedrich II. und Leopold II. Beide starben 1344 in jugendlichem Alter im Abstand von nur wenigen Monaten. Den Zeitgenossen war keine gesundheitliche Erklärung bewusst. Sie vermuteten Giftmord. Der damals fünfjährige Rudolf war nun der einzige Stammhalter des Geschlechts.. seine drei jüngeren Brüder Friedrich, Albrecht und Leopold kamen erst 1347, 1349 und 1351 zur Welt. Es überrascht nicht, dass er mit dem Ziel, die Dynastie zu erhalten, schon früh verheiratet wurde. 1353 verehelichte Herzog Albrecht II. seinen erst 14jährigen Sohn mit Katharina, der damals erst elfjährigen Tochter Kaiser Karls IV. in Prag. Die Ehe blieb kinderlos. 1358 starb Herzog Albrecht II. Er wurde in der von ihm begründeten Kartause Gaming beigesetzt, in der auch schon Rudolfs Mutter Johanna von Pfirt beigesetzt war.

Der Bau der Stephanskirche#

1359 begann Rudolf mit dem Umbau der damaligen Wiener Stadtpfarrkirche St. Stephan zu einer quasiköniglichen Fürstenkirche in gotischem Kathedralstil. In diesen repräsentativen Großbau, in dem bisher noch kein österreichischer Herzog begraben worden war, wurde von vornherein eine eigene Gruft für den Gründer und seine präsumptiven Nachfolger einbezogen. Mit dem von Rudolf in seinem „Privilegium maius“ beanspruchten Rang eines „Erzherzogs“ korrespondierte das Konzept der neu erweiterten Kirche, die Sitz eines Bischofs werden sollte, und einer angemessenen Grabanlage unter deren Hauptaltar.

Die erste Bestattung eines österreichischen Herzogs in der neuen Gruft von St. Stephan war nicht die ihres schon mit 26 Jahren verstorbenen Stifters, sondern die seines um acht Jahren jüngeren Bruders Herzogs Friedrich III. Nach dem Tod Herzog Albrechts II., der 1358 70jährig verstorben war, traten entsprechend der von ihm 1355 festgelegten Hausordnung alle seine vier Söhne das Erbe an. Der zweite von ihnen, der damals erst 15jährige Herzog Friedrich III., starb allerdings schon 1362 bei einem Jagdunfall. Er wurde unter dem Mittelchor von St. Stephan begraben. 1363 regelte Herzog Rudolf die Gottesdienstordnung am Altar über dem Herzogsgrab. Die Zahl der Kerzen, die am Grab brennen sollten, wurde festgelegt. Weiters regelte Rudolf die Seelenmessen, die Vigilien und die anderen Gebete, die hier verrichtet werden sollten. Es war der Tod seines jüngeren Bruders Friedrich, der Rudolf 1362 veranlasste, alle jene Regelungen zu treffen, die drei Jahre später für seine eigene „memoria“ gelten sollten. Für Herzog Friedrich III. wurde eine Inschrift an der Südwand des Presbyteriums von St. Stephan angebracht, die bis heute zu sehen ist. Ihr folgte 1365 als einzige weitere Memorialinschrift die für Rudolf selbst – unmittelbar neben der für seinen Bruder. Bei dieser Inschrift für Rudolf wurde dann auch das schon zu Lebzeiten des Herzogs geschaffene berühmte Porträt aufgehängt, das den Toten weiterhin präsent machen sollte. Unterhalb stellte man das Kenotaph für Rudolf und seine Gattin Katharina auf – und zwar über deren Särgen in der Herzogsgruft. Alle drei Ebenen der von Rudolf vorgesehenen Sepulkralkultur wurden also offenbar schon seit dem Tod seines Bruders Friedrich 1362 vorgesehen: Die Gruft mit den Särgen unterhalb des Hauptchors der Kirche, der Altar, an dem die Seelenmessen zu zelebrieren auf Kirchenniveau und darüber die Inschriften für die beiden erstbestatteten Herzoge, zu denen das schon vorhandene Porträtbild mit der von Rudolf beanspruchten Erzherzogskrone hinzugefügt wurde. Offenbar besteht also ein funktionaler Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ebenen des Grabkonzepts. Und so gehören auch das heute im Dommuseum ausgestellte Leichentuch mit dem ebenso dort gezeigten Porträtbild des Herzogs konzeptionell zusammen.

Die Liste der Särge, die nach dem Tod Herzog Friedrichs III. in der Herzogsgruft aufgestellt wurden, betrifft folgende Persönlichkeiten: Herzog Rudolf IV. „den Stifter“, gestorben 1365, dessen Gattin Katharina, gestorben 1395, dessen im gleichen Jahr verstorbenen Bruder Herzog Albrecht III., weiters aus der nächsten Generation von Rudolfs Neffen Herzog Albrecht IV., gestorben 1494, Herzog Wilhelm, gestorben 1406 und Herzog Leopold IV., gestorben 1411. Noch im alten Hauskloster der Habsburger in Königsfelden im Aargau bestattet wurde Rudolfs IV. jüngerer Bruder Leopold III., der 1386 in der Schlacht bei Sempach gegen die Eidgenossen fiel.

An Särgen von Habsburgern und Habsburgerinnen in der Herzogsgruft aus den nächsten Generationen sind zunächst die von folgenden Personen zu nennen: Georg, der 1438 im Alter von vier Jahren verstorbene Sohn Herzog Albrechts V. von Österreich, - zugleich Königs von Böhmen und deutschen Königs und dann Erzherzog Albrecht VI., der Bruder und erbitterte Gegenspieler Kaiser Friedrichs III., der 1463 in Wien verstarb und die Reihe der in der Herzogsgruft bestatteten österreichischen Landesfürsten bereits beschließt. Kaiser Friedrich III. selbst liegt zwar auch in St. Stephan – aber nicht in der Herzogsgruft, sondern in dem künstlerisch großartigen Hochgrab im rechten Seitenschiff des Doms, an dem Jahrzehnte lange gearbeitet wurde.

In der Herzogsgruft fanden dann noch vier Kinder von Kaiser Maximilian II. ihre Grabstätte, von denen drei als Kleinkinder verstarben – nämlich Erzherzog Ferdinand (1551-2), der nach seinem königlichen Großvater nachbenannte älteste Sohn Maximilians II., Maria, dessen 1564 geborene und verstorbene Tochter, sowie dessen einjährig verstorbener jüngster Sohn Karl. Wie Die Dominikanerinnenkirche in Tulln dreieinhalb Jahrhunderte zuvor wurde die Herzogsgruft von St. Stephan in dieser Spätphase zum Bestattungsort für früh verstorbene Kleinkinder des Landesfürsten. Eine Ausnahme bildete diesbezüglich die Sekundärbestattung einer weiteren Tochter Kaiser Maximilians II. mit einem ganz anderen Lebensweg, nämlich die von Elisabeth, der Witwe von König Karl IX von Frankreich, die im Kontext der Begräbnisse von Angehörigen der Habsburgerdynastie eine besondere Behandlung verdient.

Auf den genannten Personenkreis beschränkt sich die Liste der Särge, die bei der von Kaiserin Maria Theresia 1754/55 angeordneten Erweiterung der schon ziemlich verfallenen Herzogsgruft vorgefunden wurden. Die selektive Form der Bestattung von Angehörigen der Dynastie erklärt sich aus veränderten territorialen Situationen, vor allem aber aus der Anlage von höchst repräsentativen anderen Bestattungsformen für prominente Herrscherpersönlichkeiten.

Kapuzinergruft#

Als Bestattungsort über viele Generationen der Habsburgerdynastie hat in Wien im Wesentlichen die weltberühmte Kapuzinergruft die Nachfolge der Herzogsgruft von St. Stephan angetreten. Eine mögliche Chance dazu hätte ihr vorausgehend die Kirche des sogenannten „Königinklosters“ in der Dorotheergasse am Platz der heutigen lutherischen Kirche A.B, und der Kirche der reformierten H.B. gehabt. Den Namen „Königinkirche“ verdankte sie nicht ihrer Stifterin, der schon erwähnten Königinwitwe Elisabeth von Frankreich, die hier 1592 beigesetzt wurde, sondern ihrer Weihe als Klarissenkloster an St. Maria, Königin der Engel von 1583. 1619 wurde nach Königin Elisabeth von Frankreich Kaiserin Anna und 1619 deren Gemahl Kaiser Matthias hier beigesetzt. Ihre getrennt bestatteten Herzen sowie ebenso das getrennt bestattete Herz Kaiser Ferdinands II. befanden sich zunächst ebenfalls hier. Die Körper von Kaiser Matthias und Kaiserin Anna wurden 1633 in die Kapuzinergruft übertragen, die drei Herzurnen fanden schließlich in der Loretokapelle der Augustinerkirche, der Hofkirche der Habsburger, ihren endgültigen Platz. Kaiser Matthias, war der jüngere Bruder der Königin Elisabeth, Kaiserin Anna, auf die letztlich die Gründung der Kapuzinergruft zurückgeht, deren Schwägerin und zugleich über ihren Vater Ferdinand, den Bruder Kaiser Maximilians II., deren Cousine. Die spätere Königin Elisabeth, geboren 1564, als zweite Tochter Kaiser Maximilian II. genoss mit ihren erzherzöglichen Brüdern eine vorzügliche Erziehung. Sie galt als eine der schönsten Prinzessinnen Europas. 1570 fand in der Kathedrale zu Speyer ihre Ferntrauung mit König Karl IX. von Frankreich statt. Ihre Ehe mit diesem war kurz und unglücklich, da ihr Mann an einer Mätresse festhielt, die von ihrer Schwiegermutter Katharina von Medici gefördert wurde. Am 24. August 1572 wurde Elisabeth – persönlich unschuldig – die Zeugin der sogenannten „Bartholomäusnacht“, bei der die gesamte Führung der französischen Hugenotten in Paris und in anderen französischen Städten umgebracht wurde. Diese Massaker gilt als prägendes Erlebnis ihrer vierjährigen Lebensspanne als Königin von Frankreich. 1574 kehrte sie nach dem Tod ihres Gatten nach Wien zurück. Das Angebot ihres Schwagers, des neuen Königs Heinrich III., sie zu ehelichen, lehnte sie ab. Ihre kleine Tochter musste sie bei der Großmutter Katharina von Medici zurücklassen. Unter anderem aus ihren Witweneinkünften in Frankreich finanzierte sie die Stiftung des Königinklosters. Dort begraben gelangten ihre Gebeine nach Aufhebung des Klarissenklosters nicht in die Kapuzinergruft, sondern in die Herzogsgruft von St. Stephan.

Eingeweide und Herzen#

Eine eigenartige Kontinuität als Familiengrablege der Habsburger ergab sich in der Herzogsgruft von St. Stephan durch den Brauch, bei der Bestattung die Eingeweide von den Leichen zu trennen – die sogenannte „Intestinenbestattung“. Als Maria Theresia die alte Herzogsgruft renovieren und vergrößern ließ, wurden 75 Urnen mit „Intestinen“ gefunden, die der mit der Untersuchung betraute Benediktinermönch Marquard Herrgott beschrieb. Kaiser Ferdinand II. hatte nach Anlage der Kapuzinergruft verordnet, dass alle Eingeweide der dort bestatteten Angehörigen der Dynastie in der Herzogsgruft von St. Stephan bestattet werden sollten. Es wurden dort nun teilweise sehr prunkvoll verzierte Metallgefäße aufbewahrt, die die von den Körpern getrennten Eingeweide beinhalteten. Der schon seit dem Mittelalter belegte Brauch der gesonderten Bestattung von „Intestinen“ hatte teils praktische Gründe wegen des Transports einbalsamierter Leichen über größere Distanzen, teils aber eine symbolische Bedeutung. Die Sitte einer getrennten Bestattung des Herzens ist seit Kaiser Heinrich III. belegt, dessen Körper im Kaiserdom von Speyer beigesetzt wurde, dessen Herz hingegen in dem von ihm gestifteten St. Simon und Juda-Stift in der Kaiserpfalz Goslar. Die „Herzerlgruft“ der Habsburger der Habsburger in der Loretokapelle der Augustinerkirche steht – vielfach vermittelt - in dieser Tradition. Die Bestattung der „Intestinen“ in der Herzogsgruft von St. Stephan wurde lange beibehalten. Sie wurde ein letztes Mal bei Erzherzog Franz Karl, dem Vater von Kaiser Franz Joseph, 1878 praktiziert. In der Ausübung dieses Brauchs blieb die Stephanskirche bis ins 19. Jahrhundert ein wesentlicher Ort der habsburgischen Sepulkralkuktur.