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Mitteleuropa - ein schillernder Begriff#

Cede Peter, Dieter Fleck, 1996-10-01

Der Mitteleuropabegriff. Entwicklung und Wandel unter dem Einfluß zeitspezifischer Geisteshaltungen#

War ursprünglich Mitteleuropa ein Synonym für die deutsch sprechenden Regionen und Länder, so entwickelte sich der Mitteleuropabegriff nach der Gründung des Zweiten Deutschen Reiches, unter Einbeziehung der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie, zu einer großmachtpolitischen Vorstellung des Zweibundes, die im Ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt hatte. Obwohl die Nationalsozialisten, die in der darauffolgenden Zwischenkriegszeit an die Macht gelangten, keine Mitteleuropapolitik im bisherigen Sinn betrieben, waren die Auswirkungen ihrer Herrschaft allein aufgrund der Vernichtung des mitteleuropäischen Judentums für Mitteleuropa katastrophal. Nach der absoluten Niederlage des Dritten Reiches wurde von deutscher Seite, vor allem wegen der fortschreitenden Zweiteilung des Landes, noch ein wenig über Mitteleuropa reflektiert, danach entschlief auch diese gedankliche Auseinandersetzung.

Ein diametral entgegengesetzter Zugang zum Thema Mitteleuropa entstand in jüngster Vergangenheit in den Ländern der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie. Diese Mitteleuropadiskussion war primär eine Reaktion auf die von der Sowjetunion dem östlichen Mitteleuropa aufgezwungene kommunistische Herrschaft und hatte folglich auch Anteil am Zusammenbruch der Ostblockdiktaturen.

Gegenwärtig stellt sich die Frage, ob eine Auseinandersetzung mit Mitteleuropa nicht obsolet ist, zumal ein deutsch dominiertes Mitteleuropa zwar wirtschaftlich wieder Realität geworden ist ( Nenning , G., 1993: 227-228), aufgrund seiner historischen Vorbelastung jedoch politisch undenkbar erscheint. Demgegenüber hat die nicht-deutsch orientierte Interpretation des Mitteleuropabegriffes zum Fall des Eisernen Vorhanges beigetragen, ohne jedoch auf breiterer Basis als Geisteshaltung Anklang zu finden.

Gerade nach dem Ende der sowjetischen Vormachtstellung im östlichen Mitteleuropa wäre eine Diskussion des Mitteleuropabegriffes allerdings interessanter denn je. Pelinka , A. (1990:135) schreibt dazu: "Mitteleuropa ist also der europäische Raum, in dem die Frage nach der nationalen Identität ähnlich gestellt und ähnlich beantwortet wird - oder eben auch nicht. Mitteleuropa ist vereint durch einen Mangel - oder auch durch eine Chance, durch die Chance, der vereinfachenden Schwarz-Weiß-Denkweise etwas komplexeres und damit realistischeres entgegenzustellen: An die Stelle der naiven Fiktion, der verführerische Dreiklang "Staat-Nation-Volk" wäre immer eindeutig und klar, könnte in diesem Raum die skeptische Phantasie treten."



--> Siehe auch die Besprechung des Sammelbandes "Geschichtsbuch Mitteleuropa" (2017)
--> Vergleiche auch das Konzept "Centrope"