Nikolsburg (Mikulov, Tschechische Republik) Mikulov #
Bei dem Ort der heutigen Stadt Mikulov handelt es sich um einen alten Siedlungsplatz am Fuß der Pollauer Berge der an einer bedeutenden Handelsroute lag ("böhmische Straße", Krems-Laa-Feldsberg-Lundenburg). Der keltische Name für die frühe Ansiedlung war "Medoslanium".
Unbekannte Verwandte von Gerhard Stadler (Essay)
Im 11.Jh. erfolgte wahrscheinlich bereits eine bairische Besiedlung als Mittelpunkt eines Reichslehens (Böhmische Mark). 1041 wurde die Thayagrenze auf dem Regensburger Reichstag unter König Heinrich III. bestätigt. In der zweiten Hälfte des 11. Jh. soll im Zuge der Kolonisation ein Niklas eine Burg erbaut haben, von dem sich vermutlich auch der Name ableitet. Die Gründung durch die Babenberger hängt mit dem Schutz der Verkehrswege ("böhmische Straße") im 11.Jh. und der Errichtung der Burgenkette Staatz, Falkenstein, Nikolsburg, Maidenburg (Devicky Hrad) zusammen.
1182 wurde Mähren unter dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa ein Markgrafentum. 1185 kam der Ort nach der Schlacht bei Lodenitz (Lodenice) zwischen dem Herzog von Böhmen und dem Markgrafen von Mähren an die Herrschaft von Dürnholz (Drnholec).
Bereits 1218 soll dem Burggrafen von Nikolsburg durch Ottokar I. Premysl die Gerichtsbarkeit erblich übertragen worden sein, allerdings wird die Echtheit der Urkunde angezweifelt. Die erste gesicherte urkundliche Nennung erfolgte am 14.01.1249 als "Nikulsburch" als Markgraf Ottokar II. Premysl Heinrich I. von Liechtenstein in einer Urkunde mit Nikolsburg belehnte. Zu den Ländereien gehörten damals auch Pardorf (Bavory), Klentnitz, Muschau (MuÜov), Tannowitz (DolnÝ Dunajovice) und Bratelsbrunn (BrezÝ). Heinrich II. schlug sich in den Auseinandersetzungen um die ehemaligen babenbergischen Länder zwischen Ottokar II. und Rudolf I. auf die Seite des Habsburgers. Zum Dank erhob Rudolf als römisch-deutscher König 1279 "Nicolspurch" zum Markt und gewährte einen Jahrmarkt.
Hartneid I. stand im Krieg zwischen den Habsburgern und den in Böhmen regierenden Luxemburgern auf der Seite König Johanns von Böhmen. Dadurch kam es zu einem verheerenden Angriff der Habsburger Heere auf Nikolsburg. Im 14. Jh. erfolgte die Befestigung der Stadt, die als solche erstmals 1362 bezeichnet wird.
In den Auseinandersetzungen mit den Hussiten wurde Nikolsburg 1426 von hussitischen Heeren eingenommen, geplündert und gebrandschatzt. Die ungarischen Heere unter Matthias Corvinus hingegen belagerten die Stadt 1468 vergeblich während die Vorstädte verwüstet wurden.
In der Zeit der Reformation kamen 1526 verschiedene Glaubensrichtungen in die Stadt. Sie wurden durch Hussiten, Lutheraner, Zwinglianer, Calvinisten und Mährische Brüder sowie Täufer ("Wiedertäufer", Balthasar Hubmaier) getragen. Unter der Protektion Leonhards I. von Liechtenstein entstand hier ein Hauptsitz der Täufer. Die Täufer wurden allerdings im Zuge des Dreißigjährigen Krieges und der einsetzenden Gegenreformation 1622 vertrieben. Viele von ihnen gelangten auf der Flucht nach Siebenbürgen.
1536 und 1561 kam es zu Bränden, die große Zerstörung brachten. Hagel vernichtete 1561 weite Teile der Landwirtschaft. 1560 wurde die Schlossherrschaft Nikolsburg um 60.000 böhmische Thaler von den Liechtensteinern an Ladislaus von Kerecsenyi aus Ungarn als kaiserliches Lehen verkauft. Nachdem dessen Sohn ohne Nachkommen starb, übertrug Kaiser Maximilian II. 1572 die Herrschaft an Adam von Dietrichstein, der sie 1575 als erbeigenen Besitz erwarb. Dieser galt als Vertreter der Gegenreformation.
Maximilian II. gewährte 1570 einen vierten Jahrmarkt und Kaiser Rudolf II. 1577 einen Roßmarkt. 1592 wurde eine Poststation auf der Handelsroute Wien-Brünn eingerichtet. Franz von Dietrichstein, der auch Bischof von Olmütz (Olomouc) und Kaplan war, kam 1611 an die Herrschaft von Nikolsburg. Er wurde 1619 von den protestantischen Ständen aus der Herrschaft verdrängt und die Stadt wurde unter Friedrich von Teuffenbach eingenommen. Er kehrte jedoch nach der Schlacht am Weißen Berg wieder zurück und begann die Rekatholisierung einzuleiten. Zu diesem Zweck berief er auch die Piaristen 1631 nach Nikolsburg. Er ließ eine der bedeutendsten Bibliotheken Mährens anlegen und erwarb mehrere Güter (z.B. in Wostitz (Vlasatice), Pausram (Pouzdrany) und Poppitz (Popice)). 1625 tagte der Hofrat unter Kaiser Ferdinand II. in Nikolsburg in dessen Rahmen Albrecht Wallenstein das erste Generalat und der Titel eines Herzogs von Friedland verliehen wurde. Gleichzeitig erfolgte die letzte Wappenänderung von Nikolsburg. 1645 wurde die Stadt von den schwedischen Truppen eingenommen und geplündert. Dabei wurde ein Teil der Bücher in der Bibliothek entwendet.
Feuer und Pest#
In den nächsten vierzig Jahren fielen viele Nikolsburger Bewohner zwei Pestepidemien zum Opfer und zwei Brände zerstörten große Teile der Stadt. 1660 wurde von Ferdinand Josef von Dietrichstein ein siebenter Jahrmarkt genehmigt. 1717 wütete erneut ein Brand, ebenso 1719, als auch das Schloss und das jüdische Viertel betroffen waren. Die im 18. Jh. entstandene Kaiserstraße von Wien nach Brünn machte Nikolsburg zu einem bedeutenden Handelsplatz. 1765 wurde die Bürgerschaft aus der persönlichen Abhängigkeit von der Herrschaft befreit und es enwickelte sich in den darauffolgenden Jahrzehnten die Selbstverwaltung. 1784 vernichtete ein Großbrand weite Teile der Stadt. 350 Häuser wurden ein Raub der Flammen. Darunter waren Postgebäude, Rathaus, Seminaristenhaus, St. Anna Kirche und das Kloster.
1805 und 1809 war Nikolsburg von französischen Truppen besetzt, die hier ihr Quartier aufschlugen. Nach dem Ende der Patrimonialherrschaft 1848 übernahmen staatliche Ämter die Amtsführung. Das Schloss gelangte 1858 an Alexandrina von Dietrichstein, die mit Alexander Mensdorff-Pouilly verheiratet war. 1860 wurde mit der "Nikolsburger Wochenschrift" die erste Stadtzeitung gegründet. 1866 wurde Nikolsburg während des Preußisch-Österreichischen Krieges von preußischen Truppen besetzt. Am 26. Juli wurde die Stadt Schauplatz der Verhandlungen über den Waffenstillstand zwischen Österreich und Preußen. Der so genannte Vorfrieden von Nikolsburg wurde zwischen Österreich und Preußen vereinbart und beendete den Preußisch-österreichischen Krieg; ihm folgte der Frieden von Prag. Zu diesem Zweck weilten auch König Wilhelm von Preußen und Bismarck in Nikolsburg. Zu dieser Zeit brach allerdings die Ruhr aus, an der sowohl viele Besatzer als auch viele Nikolsburger starben. Deshalb wurde in Richtung Drasenhofen (NÖ) in der Nähe ein "Preußenfriedhof" angelegt. 1872 wurde die Bahnlinie Lundenburg-Nikolsburg-Grusbach eröffnet.
Im Ersten Weltkrieg fielen mehr als 250 Nikolsburger. Im Dezember 1918 wurde die Stadt von tschechischem Militär besetzt.
Teil von "Niederdonau" und Vertreibung#
Nachdem Nikolsburg in Folge des "Münchner Abkommens" dem nationalsozialistischen Deutschen Reich angegliedert worden war, bildete Nikolsburg innerhalb des "Reichsgaues Niederdonau" eine Kreisstadt des neu gebildeten gleichnamigen Landkreises mit 56 Gemeinden. Mitte April 1945 kam es zu Bombardements der Stadt. Kurze Zeit darauf wurden Stadt und Schloss von sowjetischer Artillerie beschossen. Das Schloss geriet dadurch in Brand. Der Zweite Weltkrieg forderte 450 Opfer an der Front aus Nikolsburg. Sechs Nikolsburger wurden Opfer der NS-Verfolgung (ohne die jüdischen Opfer eingeschlossen), 10 zivile Opfer gab es bei direkten Kampfhandlungen im Ort.
Vertreibung 1945: Dem sowjetischen Einmarsch folgten tschechische "Revolutionsgardisten" und militante Tschechen. Sie nahmen zahlreiche Verhaftungen (vorwiegend ehemaliger NS-Mitglieder) vor, während derer es zu Misshandlungen kam. Am 29. Mai 1945 wurde öffentlich gemacht, dass alle deutschen Einwohner, die nicht die Zugehörigkeit zur Kommunistischen oder Sozialdemokratischen Partei in der Ersten Tschechoslowakischen Republik nachweisen konnten, die Stadt verlassen müssen. Danach wurden 500 deutsche Nikolsburger mit den erlaubten 15 kg Handgepäck zur Grenze nach Österreich getrieben. Die österreichischen Grenzbeamten verweigerten jedoch zunächst die Einreise was für die Vertriebenen das Kampieren im Freien bedeutete. Es folgten weitere "wilde Vertreibungen". Viele Nikolsburger flüchteten vor den Drangsalierungen über die nahe Grenze. Die Flucht hatte solche Ausmaße angenommen, dass die Grenze nach Österreich im Oktober 1945 gesperrt wurde. In die verlassenen Häuser zogen Menschen, die teilweise aus entfernt gelegenen Städten und Ortschaften kamen. Viele von ihnen waren Fabriksarbeiter aus ZlÝn. Am 1. Juni kamen vertriebene Brünner ("Brünner Todesmarsch") durch Nikolsburg, die dort von jungen radikalen "Partisanen" drangsaliert wurden. Die zurückbehaltenen Nikolsburger mussten Zwangsarbeit vor allem bei der Ernte leisten. Sie wurden im Nikolsburger Lager interniert oder wurden ins Landesinnere verschleppt. Die Ernährungslage war für die deutsche Bevölkerung katastrophal. Durch Hunger und Entkräftung, Gewalt und Selbstmord gab es viele Todesopfer (Insgesamt während der Vertreibungsexzesse 37). Zwischen März und Oktober 1946 wurden die letzten deutschen Nikolsburger in 16 Transporten nach Westdeutschland deportiert.
Die jüdische Gemeinde#
Die Nikolsburger jüdische Gemeinde war eine der bedeutendsten in Mähren. Sie ist bereits 1369 nachweisbar und eine erste Synagoge ist bereits im 15. Jh. anzunehmen. Im Urbar von 1560 sind 32 jüdische Familien erwähnt. 1591 gewährte Maximilian von Dietrichstein der Gemeinde die Wahl eines eigenen Richters. Nikolsburg war Sitz des mährischen Landesrabbiners (z.B. Rabbi Löw). 1593 wurden die Juden gegen Entschädigung von Zug- und Handrobot befreit und man gestattete ihnen den Tuch- und Leinenhandel. 1657 waren es bereits 146 jüdische Familien, die in Nikolsburg ansässig waren. Das Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. hob den Leibzoll und die Zeichen auf und 1787 wurde das Tragen bürgerlicher Namen angeordnet. 1848 wurde das Ghetto aufgelöst und die Juden von der Ghettoisierung befreit.
Infolge der verkehrsgünstigen Lage von Mikulov (Nikolsburg) entstand hier im Verlauf der Geschichte die bedeutsamste Judenkommune Mährens. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts bs zum Jahre 1851, galt Mikulov als ein Zentrum der mährischen Juden und Sitz des Landesrabbiners. Die Juden waren ausgezeichnete Kaufleute und geschickte Handwerker. Sie trieben Handel mit Krämerwaren, Vieh, Leder, Wein, Wolle oder Bettfeder und betrieben gewinnbringende Geldgeschäfte. Das Judenviertel war mit Schulen, Geschäften, Badeanstalten und Bethäusern und einem großen Friedhof ausgestattet. Es gab hier auch eine Schule für Talmudlehre (Jeschiwa) von der europäischen Bedeutung. Zu Ende des 18. Jahrhunderts waren 620 Familien in Mikulov (Nikolsburg) angesiedelt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren 42 % der Stadtbewohner Juden. Aus dem Getto Mikulov (Nikolsburg) stammten viele namhaften weltlichen Persönlichkeiten, wie z.B. Josef von Sonnenfels (1733-1817), Professor für Staat und Recht an der Universität in Wien. Als bekannter Freimaurer und Aufklärer war er ein wichtiger Beragter von Maria Theresia und Josefs II. Die Aufhebung der Folter ist sein Verdeienst. Auch der Name des taubstummen und blinden Poeten Hieronymus Lorm (1821-1902), Autor des Lorm-Alphabets, einer Fingerzeichensprache, ist mit Mikulov verbunden. Der Kern des Judenviertels war die Hauptstraße (heute Husova-Straße). Die ursprünglichen Holzhäuser wurden später durch Ziegelbauten ersetzt. Das Judenviertel wuchs mit der Zeit den Berg hinunter bis zu den sogenannten Judengärten und in Richtung zum Geißberg ("heiliger Berg"). 1719 wütete ein venichtender Brand. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste das Judengetto 317 Häuser auf einer Fläche von 13,5 Hektar. Davon sind noch 90 Häuser. Es handelt sich dabei um Häuser mit Renaissance-Kern, Barockgewölben und Fassaden im klassizistischen oder Sezessionsstil. Ein typisches Renaissance-Element ist eine Ecklaube in der Front des Hauses mit Kreuzgewölben und toskanischen Säulen. Neben den Wohnhäusern gab es im Judenviertel verschiedene öffentliche Gebäude wie das Rathaus, Rabbinat, Spital, Waisen- oder Armenhaus. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren etwa zwölf Synagogen und Bethäuser in Funktion, vor allem die Obere und Untere Synagoge. Es gab auch einen jüdischen Leseraum („Bet-ha-Midrasch").
Ende der 1960er Jahre wurde die Judenstadt größtenteils dem Erdboden gleichgemacht. Nach der Wende wurden jedoch Restaurierungsarbeiten begonnen, die die heutige Hus-Gasse zu einem Schmuckstücdk gemacht haben. Die Obere Synagoge ist das älteste und einzige erhaltene Judenheiligtum in Mikulov. Sie wurde anstelle des ehemaligen Mauerwerks der Renaissancesynagoge vom Jahre 1550 errichtet. Nach dem verheerenden Brand 1719 wurde die Synagoge völlig umgebaut. Die Decke wölbt sich zu einem aus vier Säulen bestehenden Baldachin. Dieses einzigartige architektonische Element brachten wahrscheinlich polnischen Flüchtlinge im 17. Jahrhundert mit.
Den Umbau der Synagoge leitete im Auftrag der Herren von Dietrichstein der Architekt Johann Christian Oedtl. Ein der anderen namhaften Künstler war der Bildhauer Ignaz Lengelacher, der den imposanten Tora-Schrein („Aron ha-Kodesch") schuf. Im sehr reich dekorierten Innenraum gab es Ornamente und hebräische Texte in himmelblauen Kuppeln sowie zahlreiche Stuckelemente. Ein Steinwaschbecken in der Vorhalle und ein Steinständer mit Wasserschalle im Hauptsaal sind die einzigen Überbleibsel der ehemaligen Innenraumeinrichtung.
Die Obere Synagoge diente dem Gottesdienst bis zum Jahre 1938. Um die Rettung dieses Denkmals machte sich das Museum Mikulov verdient, das in der Synagoge auch nach deren Übergabe an die Judengemeinde Brno Ausstellungen und Konzerte organisiert. Kostbare Gegenstände aus Sammlungen des hiesigen Museums und des Judenmuseums in Prag dokumentieren die Geschichte des Judentums in Mähren. Die ausgestellten rituellen Textilien, Silber- und Schriftstücke wie auch andere für Mähren spezifische Gegenstände, welche z.B. an die seinerzeitige mährische Schreiberschule oder Stickereiwerkstätte erinnern, sind einzigartige Dokumente jüdischer Kultur.
In der Ersten Tschechoslowakischen Republik wurden die jüdischen mit den christlichen Gemeinden zusammengeschlossen, da die jüdischen Gemeinden oft als Vereinigung mit deutschem Hintergrund galten. Durch die Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland 1933 und dessen rassenideologische, antijüdische Politik ("Nürnberger Gesetze") sowie die politischen Entwicklungen ("Anschluss" Österreichs) ließen viele vermögenden Juden ab 1935 ihre Vermögenswerte ins Ausland transferieren. Generell begann auch eine Auswanderungswelle die sich bis 1938 immer mehr verstärkte. Nach der Angliederung an das Deutsche Reich flüchtete der größte Teil (ca. 105 Familien aus Nikolsburg). Die wenigen Zurückgebliebenen, vorwiegend alte Leute aus dem Altersheim, fielen der NS-Verfolgung zum Opfer und wurden nach Znaim (Znojmo) oder Theresienstadt (TerezÝn) deportiert. Diejenigen, die über die neue Grenze in die Tschechoslowakei geflohen waren (nicht immer wurden sie gleich über die Grenze gelassen, antijüdische Einstellungen gab es auch auf tschechischer Seite) wurden nach der Okkupation und der Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren" wieder von den NS-Instanzen eingeholt. Viele, denen die Flucht nicht mehr gelungen war, wurden ab 1941 über Theresienstadt in die Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert.
Drei Dutzend Nikolsburger Juden, welche die NS-Herrschaft überlebt hatten und im Laufe des Jahres 1945 zurückkehren wollten, wurden von den tschechischen Behörden mit dem Hinweis auf das Konfiskationsdekret wieder fort geschickt.
Wirtschaft und Infrastruktur:#
Die Umgebung der Stadt war landwirtschaftlich geprägt. Nikolsburg besaß mit 4.641 ha die größte Gemeindeflur Südmährens. Im Katasterplan sind die drei Felder der Gründungsflur ersichtlich. Durchwegs deutsche Flurnamen, zwischen Schlossberg und Heiligen Berg (Tanzberg 363 m), nördlich der "Gaisberg mit Pulverturm" und "Turold" (385 m); südlich an der Grenze zu Niederösterreich der "Galgenberg" (240 m) und der "Brennhügel" (225 m). Grenzgraben Niklbach. Im NW der 2.550 ha große "Stadtwald". Der Weinbau hatte in dieser Gegend ebenfalls eine besondere Bedeutung (Weinbaugebiet seit dem 13.Jh).
Gewerbe: Mühle, Ziegelofen, Kalköfen, Steinbruch, Maschinenfabrik Lange (Benzinmotoren und Dreschgarnituren), Kofferfabrik Rochleder, Farbwerke Kronsteiner, Druckerei; zahlreiches Kleingewerbe (neben den meist üblichen auch z.B. Auto- und Landmaschinenreparatur, Fotografen, Uhrmacher, Instrumentenbauer, Buchbinder).
Schulen: Piaristenkolleg 1631, später Gymnasium; Knabenschule 1869; Mädchenschule, 1886; Bürgerschule 1896.
weitere Einrichtungen: Spital und Armenhaus, Bezirkshauptmannschaft, Bezirksgericht, Steueramt, Gendarmeriekommando, Eichamt, Post; zahlreiche Vereine (z.B. Bicycle-Club, Eislaufverein, Bienenzuchtverein, Fremdenverkehrsverband, Museumsverein, Bezirksverein für Landwirtschaft und Weinbau, Mährisch-Schlesischer- Israeliten-Lehrerverein u.a.); Genossenschaften (Beamten- und Schrebergarten-Genossenschaft, Sparkasse, Raiffeisenkasse).
Nikolsburg war durch die Lage als Handelsplatz, ausgestattet mit sieben Jahrmarkts- und zwei Wochenmarktsrechten, ein wichtiger Marktort für das Einzugsgebiet (auch für die niederösterreichischen Nachbarbezirke) aber auch als Schulort (Gymnasium, Bürger- und Fortbildungs- sowie Fach- und Winzerschulen) überregional bedeutend. Dazu kommt die Bedeutung der Grundherrschaften (Liechtenstein, Dietrichstein), deren Familienmitglieder bis zum Ende der Monarchie wichtige Stellungen bei Hof bekleideten.
Die Schaffung der Ersten Tschechoslowakischen Republik 1918, die Vertreibung der deutschen Südmährer 1945/1946, sowie vier Jahrzehnte "Eiserner Vorhang" führten zu einem vollständigen Bedeutungswandel.
Stadtführung#
Betritt man von der Böhmgasse (ehemals Sonnenfelsgasse) durch das ehemalige Brünner Tor (heute Baulücke), den Kirchenplatz, führen Stufen mit Heiligenfiguren / Joh.v. Nepomuk und Franz Xaver von Ignaz Lengelacher/ zur Kollegiatkirche St. Wenzel und zur Propstei: Pfarre urkundlich 1039, ehemalige Wehrkirche, nach Zerstörung durch die Hussiten 1426 als spätgotische, dreischiffige Hallenkirche mit fünf Paar achteckigen Säulen erneuert; dreigeschossig mit fünfachtel-geschlossenem, netzrippengewölbten (parlersches Muster) Chor im Osten, Langhaus 1625 mit Engelsköpfen und Akanthus- Rankenwerk stuckiert. / Westempore mit Zugang vom Schloss / Weymola Orgel am linken Chor 1773/ Ratsherrenempore rechts/ Altarbilder : "Ermordung des hl. Wenzel", "Enthauptung der hl. Barbara" und "Letztes Abendmahl" von Josef Anton Adolph v. Freental (aus Nikolsburg)/ Rokokokanzel von Andreas Schweigel d.Älteren/ Lobkowitz-Epitaph/ Grabplatten 16.Jh./ tonnengewölbte Seitenkapelle für die "Schwarze Madonna", welche aus der Annakirche beim Brand gerettet wurde/ Seitenkapelle rechts mit Pieta von Ignaz Lengelacher/ im Deckel des Taufsteins ein Bild von Joseph Winterhalter I. "Taufe Christi"/ Inneneinrichtung barock.
Stadtturm viergeschossig, mit Glocken- und Türmerstube/ mit Renaissance-Laubengang aus 1584/dreiteiliger, ebenmäßig proportionierter Zwiebelhelm, von Laterne unterbrochen.
Hauptplatz#
An der Ecke zum oberen Stadtplatz Haus mit Barockgiebel, anschließend Laubenhäuser, gegenüber das Rathaus (bis 1574 herrschaftliches Brauhaus), daneben die ehemalige Erbpoststation (ab 1592), anschließend das Bezirksgericht (ehemalige Salzlagerstätte). Vor dem Rathaus der Stadtbrunnen mit Pomonastatue (1699 Ferdinand Groß) und vor dem Übergang in den unteren Stadtplatz, die Dreifaltigkeitssäule (1723 nach einem Entwurf des im Schloss beschäftigten Hofmalers Anton Josef von Preuner , ausgeführt vom Nikolsburger Steinmetz Philipp Nader und Andreas Steinböck aus Eggenburg (aus Zogelsdorfer Kalksandstein); Figurenschmuck von Ignaz Lengelacher, konsequente Dreigliederung: drei Engel (Glaube, Hoffnung, Liebe), drei Pestheilige, Maria mit Sternenkranz inmitten dreier, toskanischer Säulen, darüber Putten mit Gewölk und die Dreifaltigkeit, eines der schönsten Denkmäler in Mähren.
Platzöffnung zum abschüssigen Platz vor der ehemaligen Annakirche (jetzt Gruftkirche), mit der 1701/1704 erbauten Fassade im römischen Monumentalbarock (ein erhaltener fünfachsiger Entwurf mit Kuppel, ähnlich der Karlskirche, von Johann Bernhard Fischer von Erlach wurde nicht ausgeführt); Vorgängerbau 1640 von Giovanni Tencala, Fassade 1701 vermutlich von Domenico Martinelli.
Lorettokapelle (nach dem Vorbild der Santa casa). Auf der Monumentalfassade das Relief "Anna selbdritt" von Mathias Roth, über den Seiteneingängen hl. Joachim und hl. Zacharias von Anton Riga, auf der Balustrade Christus und zwei Engel von Josef Kässmann ( 1932 Jedermannspiele). Nach dem Brand 1784 wurde 1846/1852 an Stelle des Presbyteriums die klassizistische Gruftkirche zum hl. Kreuz von Heinrich Koch erbaut / Marmoraltäre von Cyrill Lerch/ Hl.Anna und hl. Leopold von Vinzenz Pilz/ Bronzeluster Entwurf Theophil Hansen/ Orgel von Deutschmann/ in den Seitenschiffen 44 fürstl.Bestattungen in Zinnsärgen auf Eichenpodesten von Bildhauer Leimen./Wien. Im offenen Gartenraum Standbild von Franz Josef Dietrichstein 1806-1854 (Maria-Theresia-Orden, Statue ursprünglich im Ahnensaal des Schlosses). Nachodkapelle reich stuckiert, ebenso das ehemalige Refektorium des Kapuzinerklosters im Gebäude rechts neben der Kirche.
Auf der linken Seite des Platzes die malerische Gruppe der Renaissancehäuser, als Wohnhäuser der Kanoniker und in der nordöstlichen Ecke der Stadtmauer war von 1611 bis 1784, als die ganze Innenstadt abgebrannt ist, die Kapuzinerkirche (jetzt noch Profanbau).
Gegenüber der Dreifaltigkeitssäule ein Sgraffitohaus im Renaissancestil/ Darstellung der Sintflut/ Hof mit Loggien/ Vorbau mit Lauben. Gegenüber das ehemalige "Hotel Rose". Am Ende des unteren Platzes war bis 1837 das "Wiener Tor". Den Platz schließt seit 1992 das neue Gebäude der Sparkasse ab (die Dächer sind Architektonische Zitate des Brünner Tores).
Vor dem Wiener Tor war ursprünglich der Viehmarkt (mit den Fleischbänken und Anschluss zum Ghetto) auf den die Straßen aus Laa und Feldsberg, später die Wr. Kaiserstraße, einmündeten. Später war hier der Josefsplatz mit dem Denkmal Kaiser Josefs II., das 1919 von tschechischen Soldaten demontiert wurde. Auf der linken Seite, Ecke Schleifmühlgasse, Neubau der Bezirkshauptmannschaft 1912 und des Feuerwehrdepots 1911.
Piaristen#
Piaristenkirche hl. Johannes des Täufers: 1631 beruft Kardinal Franz v. Dietrichstein aufgrund seiner persönlichen Bekanntschaft mit Josef v. Calasanz die Piaristen nach Nikolsburg, die hier ihren ersten Konvent und das erste Gymnasium nördlich der Alpen errichteten (gleichzeitig Sitz des Provinzials für Böhmen und Mähren bis ins 18.Jh.). Zu diesem Zweck erhielten sie das ehemalige Spital mit Friedhof und Johanniskirchlein, unterhalb der Quergasse, welche die beiden Südstraßen am Viehmarkt verbindet, am sog. Töpfermarkt gelegen (später Schul- bzw. Hasnerplatz), 1658 bekamen sie auch den Meierhof zu den zwei Grundlehen. 1666 erfolgte der erste Kirchenumbau und ab 1746 der große Umbau durch Casparus Oswald (einem Piaristen Laienbruder, der sich schon mit 19 Bauwerken als Baumeister bewährt hatte). Dabei wurde durch Halbsäulen und ein flaches Gewölbe, bei gleichzeitiger Vergrößerung des Presbyteriums mit Ovalkuppel und Änderung der Orientierung der heutige Kirchenraum geschaffen. Besonders beachtenswert an diesem spätbarocken Juwel ist die Innengestaltung durch berühmte Künstler. Vor allem der "letzte große Freskant des Abendlandes" Franz Anton Maulpertsch, den die Kunstgeschichte an 59 Orten nachweist, schuf hier ein Deckenfresko aus dem Leben Johannes d.T. von der Geburt bis zur Enthauptung, ferner die Seitenaltarbilder "Hl. Josef v. Calasanz","Sterbender hl. Josef" und "Himmelfahrt des Johannes von Nepomuk".
Das Hauptaltarbild "Taufe Christi" und die Seitenaltarbilder: "Hl.Philipp Neri" und "Maria Himmelfahrt" stammen von Felix von Leicher (aus Schlesien). Von Paul Troger (1759-1762 Direktor der Wr. Akademie, auch als Freskant von 50 Freskenzyklen bekannt) stammt der reiche Figurenschmuck: hl. Elisabeth, hl. Zackarias, hl. Johannes d.T., hl. Johannes d. Evangelist und hl. Josef. Nachdem bereits 1731 der Meierhof neu gebaut wurde, konnte auch 1746 der Ausbau des Gymnasiums erfolgen, welches nach der Übernahme in staatliche Verwaltung 1873 auch noch 1887 eine Erweiterung erhielt. Ab 1784 wurde die Kirche zweite Pfarre der Stadt. In der an die Kirche angebauten, ehemaligen "Totenbruderschaftskapelle" befindet sich das Taufbecken mit einem Wandrelief von Andreas Schweigel.
Die Nikolsburger Piaristen als Schulorden für breite Bevölkerungsschichten legten sehr früh den Schwerpunkt auch auf Mathematik und lehrten ergänzend Geographie und Geschichte. Im Gegensatz zu den Jesuiten, die in erster Linie die Heranbildung von Geistlichen im Auge hatten. So waren sie auch wesentlich an der Schul- und Lehrplanreform Maria Theresias im Jahre 1777 beteiligt und 1795 an der Errichtung einer deutschen Hauptschule und der Ausbildung von Fachlehrern. Pflege von Musik und Theater, vorwiegend durch die Seminaristen, auch "Lauretaner" genannt. Eine umfangreiche Bibliothek und Musik- bzw. Theaterliteratur befindet sich im Landesarchiv. 29 Stiftungen mit 1,2 Mio Kc Kapital ermöglichten die Vergabe von jährlich 115 Stipendien. Unter den Absolventen finden sich zahlreiche berühmte Namen, wie Jan Ev. Purkyne, die beiden Sonnenfels, drei Pröpste und Augustinerchorherren von Klosterneuburg (Leeb, Sedlacek, Pauker), Karl Renner u.v.a.m.
Schulkomplex: Ebenfalls an der Quergasse liegt die ehemalige, 1877 erbaute Knaben- bzw.die anschließend auch für Mädchen erweiterte Volksschule (je sieben Klassen) und die 1896 angebaute Bürgerschule, die auch eine landwirtschaftliche und gewerbliche Fortbildungsschule beherbergte. Seit geraumer Zeit steht der ganze Komplex leer und verfällt.
Äußerer Rundgang#
Kommt man von der Umfahrungsstraße, wo an der Bahnhofstraße die 1903 erbaute ehemalige evangelische Kirche liegt, die heute als Orthodoxe Kirche zum hl. Nikolaus in Verwendung steht, passiert man auch das große städtische Schwimmbad, das 1940 mit einem Kinder-, einem Nichtschwimmerbecken mit Wasserrutsche und einem 50 m Sportbecken mit Sprungturm (3, 5 und 10m) erbaut wurde und einen Park mit dem Sowjetdenkmal. Hier stand bis 1945 das Kriegerdenkmal, ein sechseckiger Turm mit Säulen und langen Glasfenstern für die im Ersten Weltkrieg gefallenen 259 Nikolsburger.
Der Bahnhof besteht seit 1873, als die Verbindungsbahn von Lundenburg (Breclav) (Nordbahn) nach Grusbach (HruÜovany) (Ostbahn) und Znaim (Znojmo) (Nordwestbahn) ihren Betrieb aufnahm.
Der Rundgang führt vom Kriegerdenkmal zurück, entlang der Mauer des Piaristengartens, durch das im 12. Jh. besiedelte Neustift (NovÚ Sady) und bei der Kreuzung mit der alten Wienerstraße (Feldsberger Straße) weiter durch die zwischen Niklbach (Ende des 19. Jh. im Stadtverlauf eingewölbt) Süd nach Nord verlaufende, lange Steinzeile. In Höhe der Schleifmühlgasse (südl. Stadtmauer, an der Ecke das Waisenhaus) zweigt rechts die Berggasse ab, welche sich beim ehemaligen Keller der Piaristen gabelt. Rechts führt sie zum Ölberg mit malerischen Häusern, von denen man einen reizvollen Ausblick auf Stadt und Schloss hat. In den Felsformationen mit Überschiebungen von Felsblöcken war das sog. "Studentenplatzl". Früher mündete oberhalb auch ein vom Verschönerungsverein angelegter Rundweg um den Heiligen Berg (Svat² kopecek).
Der "heilige Berg"#
Links von dem genannten Keller beginnt der Kreuzweg zur Kuppe des Berges mit der ersten Kapelle "Jesus Abschied von Maria", die Kapellen zwei bis sechs zeigen verschiedene Ölbergszenen ("Schlafende Jünger", "Jesus im Gebet", "Geißelung". "Jesus fällt unter dem Kreuz"). Die siebente Kapelle steht bereits weithin sichtbar am Bergrücken, wie auch die Kapellen acht bis zehn, die zwar äußerlich verputzt, aber leer dastehen und auf Erneuerung der Kreuzwegstationen warten.
Die Anlage des Kreuzweges begann 1622 durch Kardinal Franz v. Dietrichstein nach einem Pestjahr, als er am Plateau eine Sebastianskapelle und 1636 einen freistehenden Glockenturm erbauen ließ. Diese Kapelle wurde 1679 als Kirche zum hl. Sebastian in Form eines griechischen Kreuzes mit Kuppel neu gebaut und 1717 durch Zubau einer Sakristei vergrößert. Kirche und Glockenturm sind wiederholt in Brand geraten (durch Blitzschlag oder Kriegseinwirkung in den Jahren 1663, 1766 und 1945). Die im Glockenturm befindliche große Glocke mit 4.067 kg wurde 1767/68 vom Nikolsburger Glockengießer Adam Henkelmann am nördlichen Fuß des "Heiligen Berges" gegossen und nach Fertigstellung mit sechs Paar Ochsen zum Gipfel geschafft. In der Kirche ist ein Altarbild des "hl. Sebastian" und eine Kreuzabnahme vom Tiroler Maler Josef Blank /Seitenaltäre hl. Karl Boromäus und hl. Rochus/ Orgel von Johann Beck, Brünn. Auf der Hochfläche sind die Kapellen "Zur schmerzhaften Muttergottes" / "hl. Barbara"/ im Sattel zum zweiten Gipfel das "hl. Grab" mit einem maurischen Türmchen / danach eine weitere "Auferstehungskapelle" (dzt. leer bzw. verwüstet) und am nördlichen Fuß des Berges, bei der ehemaligen Glockengießerhütte, die Kapelle zur "hl. Rosalia" aus 1692, die 2002 vom Kulturverein Nikolsburg-Wien als Vertreibungs-Gedenkstätte renoviert wurde.
Aus den ehemaligen Wallfahrten zur Jungfrau Maria in der Annakirche wurde die Wallfahrt am 8. September zu Maria Geburt auf den Heiligen Berg. Von der Hochfläche mit 363 m Seehöhe ergibt sich ein atemberaubender Ausblick auf das Schloss und die Stadt, den Gaisberg mit Pulverturm, den Turold (385 m), den Tafelberg, die Rosenburg, den Kesselberg, den Maidenberg (550 m) mit Ruine; im Osten nach Feldsberg und im Süden nach Österreich. Bei einem Abstieg auf bequemem Waldweg zur Rosalia-Kapelle kommt man auch zum Beginn des ehemaligen Janitschberg-Parkes und der Straße zum Stadtwald, die nach Millowitz (Milovice) führt und an der 1937/38 die Kasernen erbaut wurden (heute leerstehend). Tausende Soldaten der Hoch-und Deutschmeister-Division zogen von hier an die Kriegsfronten, wo viele ihr Leben ließen. Oberhalb der Kaserne schloss sich im "Oberfeld" ein Barackenlager an, welches ab Mai 1945 als Arbeits- und Abschublager für die deutsche Bevölkerung diente und 1946 für 18 Transporte und 20.800 Stadt- und Bezirksbewohner die letzte Station in der Heimat war. 37.000 waren bereits 1945 Opfer von Flucht und wilder Vertreibung.
Folgen wir der ehemaligen Lazarettgasse und der langen Pollauerstraße bis zum hl. Johannes, ebenfalls eine Plastik von Ignaz Lengelacher, führt die "Steinbruchgasse" zur ehemaligen "Bürgerlichen Schießstätte" des Schützenvereines von 1654 ( heute "Amfitheater") und zur Turoldhöhle, die schon in der Frühgeschichte besiedelt war und die seltene Fledermäuse beherbergt (kleine Hufeisennase). Von dort können wir den Spaziergang zum Pulverturm und zum Friedhof an der Brünnerstraße fortsetzen.
Die beiden Friedhöfe#
Der christliche Stadtfriedhof, welcher 1582 geweiht wurde, ist in den Jahren 1970/71 eingeebnet worden, wobei über 2000 Marmor-Grabsteine privat verkauft wurden. Lediglich fünf Grabsteine blieben bestehen, davon wurde ein Grabdenkmal 1993 vom Kulturverein Nikolsburg-Wien als Gedenkstätte für die 35 Generationen von Vorfahren adaptiert.
Der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gegründete Judenfriedhof ist vielleicht das kostbarste überlieferte Gettodenkmal. Mit seinem Ausmaß von 19.180 m2 gehört er zu den landesweit größten derartigen Monumenten.
Im Südteil des Friedhofareals befindet sich die von dem namhaften Wiener Architekten Max Fleischer zu Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Zeremonienhalle. Sie beherbergt heute eine Ausstelllung über die jüdische Gemeinde von Mikulov.
Der Friedhof umfasst etwa Grabmäler; eines der heute noch lesbaren ist mit 1605 datiert. Der älteste Sektor des Friedhofs ist über einen ursprünglichen Weg zugänglich, der von aus Grabsteinen aufgebauten Stützwänden umsäumt ist. Der Weg führt weiter zum sogenannten Rabbinerhügel mit Grabstätten der Nikolsburger und mährischen Landesrabbiner. Die berühmteste war vermutlich der 1829 verstorbene Wunderrabbi Mordechaj ben Abraham Benet . An jüngere Zeiten erinnert das ausgedehnte den 25 Judenopfern des ersten Weltkrieges gewidmete Mahnmal und das Grabdenkmal zu Ehren von 21 Judengefangenen aus Ungarn, die zu Ende des zweiten Weltkrieges in Mikulov ermordet wurden. Die Grabmäler vaus dem 18. Jahrhundert tragen oft Elemente der mährischen Volkskunst (Herzchen, Rosen, Tulpen) oder das für Mikulov typische Muschelmotiv. Die Grabsteine aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ähneln bereits den modernen christlichen Grabmälem. Der Friedhof ist Juli-August täglich geöffnet.
Das Schloss#
Wir kehren zurück zum Stadtplatz und betreten von dort aus den sog. Ämterhof des Schlosses, wobei uns sofort das prächtige, schmiedeeiserne Parktor auffällt, das 1726 von H.G. Förster aus Brünn angefertigt wurde. Alle Plastiken des Vorhofes stammen von Ignaz Lengelacher. Durch das "Finstere Tor", einer Befestigungsanlage die etwa 1663 angelegt wurde, steigen wir empor zu einem weiteren Tor und dahinter liegenden Torturm in den ersten Schlosshof. Links befindet sich der ehemalige Stall und dahinter die Winterreitschule (heute Schlosstaverne und Veranstaltungssaal), rechts das Bibliotheksgebäude (früher Theater) und vor uns der alte Bergfrit, ein Rundturm mit Schneide und im früheren Wehrgang ein Tor in den zweiten Burghof. Dieser älteste Teil der Burg , in den man auch durch das sog. Zwingertor gelangt, ist durch archäologische Untersuchungen , genauso wie der runde, oben sechseckige Turm schon für das 12./13. Jh. belegt.
Im Hauptturm sieht man ein gotisches Fenster, das zur 1380 gegründeten Marienkapelle gehört, auch die Altane und das "Frauenhaus" (Ahnensaal) und der "tiefe Keller" sind in einer Liechtensteinschen Teilungsurkunde von 1514 belegt. Neben dem Bergfrit führt eine Treppe zur Bibliothek (Barockeinrichtung von 1719) und in der Ecke dieses zweiten Burghofes ist der Abgang zum tiefen Keller, in dem sich das zweitgrößte, noch bestehende Riesenweinfass befindet, das 1643 vom Bindermeister Specht aus Brünn angefertigt wurde (mit 101.081 Liter) und welches auch 100 Jahre für den Zehentwein benützt wurde. Neben dem Hauptturm gelangen wir durch das Felsentor in den Ehrenhof mit einer gotischen Zisterne, die 40 m tief in den Felsen gemeißelt wurde. Ignaz Lengelacher hat hier eine prächtige Schauwand mit Atlanten und Wappen gestaltet. Rechts davon befindet sich der Haupteingang des Schlosses über ein repräsentatives Stiegenhaus zum früheren Ahnensaal und zu den über 100 Zimmern.
Links wird der Hof durch einen Verbindungsgang im ersten Obergeschoss überbrückt. An einem Pfeiler befindet sich ein Relief Ferdinands von Aragon. In der linken Ecke des Hofes ist ein Eingang in die Repräsentationsräume (Ausstellung, u.a. technisches Kabinett des Gymnasiums), mit einer über 1000 qm großen Terasse und herrlichem Blick über Schlosspark und Stadt. An der Südseite befindet sich zwei Geschosse tiefer eine schöne Sala Terrena aus drei Räumen. Im ersten Stock die Dietrichsteingalerie im Thronsaal, in dem Maria Theresia die Huldigung der mährischen Stände 1743 entgegen nahm. Südseitig das "Napoleonzimmer", in dem sich der französische Feldherr am Abend des 6. Dezember 1805 (nach der Schlacht bei Austerlitz) aufhielt, ferner das "Bismarckzimmer" der Friedensverhandlungen von 1866 und weitere ehemalige Repräsentationsräume. Beim Brand von 1945 wurden 560 Kunstwerke vernichtet, u.a. zahlreiche Gobelins aus Flandern und Bilder von van Dyck u.a. Heute besucht man eine mit Audioguides gut geführte Kunstsammlung.
Denkmalschutz#
Die Altstadt innerhalb der Stadtmauern ist denkmalgeschützt, ebenso die Reste des jüdischen Ghettos westlich vom Schloss und der 18.000 qm große jüdische Friedhof. Am Stadtplatz und im Ghetto Gebäude mit Kern aus Gotik und Renaissance. Zwischen 1873 und 1918 wurden von der Stadtgemeinde 4,3 Millionen Friedenskronen für kommunale Einrichtungen aufgewendet. In der gleichen Zeit erbrachte die Gemeinde Sparkasse von 1860 1,9 Millionen Friedenskronen für gemeinnützige Zwecke.= 30 Mio.
Durch die Kriegsereignisse am 22.April 1945 wurden 17 Gebäude zerstört und 85 schwer beschädigt, dabei brannte das Schloss durch sowjetischen Artilleriebeschuss ab. Nach den Benesch-Dekreten wurden 1.030 Haus- und 1298 Grundbesitze enteignet. In der Folgezeit entstanden große Baulücken, welche den Reiz der mittelalterlichen Stadt beeinträchtigen, andererseits wurden in Bahnhofsnähe und im Westen Plattenbauten errichtet.
Literatur#
- E. Ribarits, Der Sieger und der Besiegte, 1980
Quellen#
- Südmährer Bund e.V.
- Regionalmuseum Mikulov - Dokumentationszentrum für Judentum in Mähren
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