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Pichler, Adolf#

* 4. 9. 1819, Erl , Tirol

† 15. 11. 1900, Innsbruck, Tirol


Mineraloge, Geologe, Heimatdichter


Adolf Pichler, Ritter von Rautenkar
Adolf Pichler, Ritter von Rautenkar, um 1890
© Bildarchiv der ÖNB, Wien, für AEIOU

Adolf Pichler wurde am 4. September 1819 als Sohn eines Zollamtsschreiber in Erl bei Kufstein geboren.

Da sein Vater als Zöllner mehrmals versetzt wurde, verbrachte Pichler seine Kindheit in verschiedenen Orten. Nach dem Besuch des akademischen Gymnasiums in Innsbruck begann Pichler 1840 an der Universität Jus zu studieren, widmete sich aber daneben auch literarischen und kunsthistorischen Studien, die ihn mit einer Reihe gleichgesinnter Freunde verbanden.

Die Aussicht, als Jurist sein Leben in dumpfen, staubigen Kanzleien versitzen zu müssen, verleidete ihm das Studium der Rechte bald und als er die notwendigen Mittel in der Tasche hatte, fuhr er mit einem Freunde auf einem Floße, abwechselnd selbst rudernd oder den Flößern den Homer vorlesend, nach Wien, um hier Medizin zu studieren, hauptsächlich aber interessierten ihn die naturwissenschaftlichen Fächer.


1848, als er das Studium mit der Promotion abschloss, brach die Revolution aus und er wurde freiwilliger Hauptmann der akademischen Schützenkompanie. Diese Studentenkompanie zeichnete sich in zwei Gefechten gegen Italien - bei Ponte Tedesco und Cassaro - aus, sodass sie von den Militärbehörden öffentlich belobt wurde. Pichler selbst erhielt später für seine Verdienste den Orden der eisernen Krone und wurde auf Grund dieser Auszeichnung mit dem Prädikat "Ritter von Rautenkar" geadelt. Nach zweimonatlichem Felddienste löste sich die Kompagnie wieder auf, Pichler kehrte nach Wien zurück. 1851 wurde Pichler zum ordentlichen Lehrer des Obergymnasiums in Innsbruck berufen, wo er Deutsch und Naturgeschichte unterrichtete, sich aber hauptsächlich der Dichtkunst widmete.


In seiner Zeit als Gymnasiallehrer lernte er auch seine spätere Frau Josefine Groß kennen, die er 1857 heiratete.
Schließlich wandte er sich der Geologie und Mineralogie zu und erforschte den Aufbau der Alpen - Literatur und Wissenschaft bildeten für ihn eine Einheit. Seine langjährigen Erfahrungen im Bereich der Erdwissenschaften führten schließlich 1867 zur Berufung des Autodidakten zum Lehrstuhlinhaber für die neu gegründete Lehrkanzel für Mineralogie und Geognosie (Geologie) an der Universität Innsbruck (die längst nicht mehr zeitgemäße Lehrkanzel für "Naturgeschichte" wurde an der Universität Innsbruck damit endgültig aufgelöst).


Bis zu seiner Pensionierung im Sommer des Jahres 1890 widmete sich Pichler einer ganzen Reihe von Problemen, zu denen zahlreiche geologische Kartierungsarbeiten, Arbeiten zur Lagerstättenforschung, zur Erforschung von Erstarrungs- und Umwandlungsgesteinen, sowie das Sammeln paläontologischer Funde (Fossilien) zählen.


Bekannt wurde Pichler aber weit mehr durch seine literarischen Werke, seine Gedichte und kräftigen "Sprüche", seine Epen - hervorzuheben ist "Fra Serafico" (1879) - und Epigramme, vor allem aber durch seine Schilderungen und Erzählungen: "Aus den Tiroler Bergen" (1861), "Allerlei Geschichten aus Tirol" (1867), die in der Folge mehrere Auflagen erlebt haben. Die besondere Eigenart und Kraft beziehen diese Arbeiten aus der engen Verbindung von profunden naturwissenschaftlichen Kenntnissen mit seinem an der Klassik geschulten und doch 'eigenen' Stil, die Tiroler Landschaften und Menschen in einer seltsamen Klassizität erscheinen lässt. Pichler schildert Begegnungen und Erfahrungen mit Originalen des Landes: Bauern, Hirten, Jägern, Holzknechten, Wilderern, Schmugglern, Einsiedlern, er verwebt darin das Sagengut ebenso wie Erzählungen über die Ereignisse der Freiheitskriege.

Pichlers Volkserzählungen sind fern von jeder Sentimentalität, jeder Verherrlichung des Bauerntums, nichts verbindet ihn mit jener Heimatliteratur, die später in die "Blut- und Boden"-Dichtung mündet, er sieht auch das soziale Elend und erkennt früh die Möglichkeiten, die der Fremdenverkehr bietet. Pichlers Schilderungen und Gedichte über den Achensee haben zum Aufschwung des dortigen Fremdenverkehrs wesentlich beigetragen.

Adolf Pichler war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zweifellos der bedeutendste Schriftsteller in Tirol. Er gab erste Anstöße, die Fesseln der Provinz zu sprengen und überregional gültige Maßstäbe anzuerkennen.

Noch zu seinen Lebzeiten wurde Pichler beinahe zu einem Kultobjekt, sowohl Liberale, Deutschnationale als auch (seltener) Konservative versuchten, ihn für sich zu vereinnahmen.


Adolf Pichler verstarb am 15. November 1900 in Innsbruck.

Unter Literaturhistorikern gilt Pichler heute auch als einer der Wegbereiter und Förderer der so genannten "Jungtiroler", einer um 1900 gegründeten Kulturbewegung von Autoren, Künstlern und Musikern, die die bestehenden monarchistischen Verhältnisse scharf

1989 wurde Dr. Adolf Pichler, Ritter von Rautenkar, zum Ehrenbürger Innsbrucks ernannt.

Werke (Auswahl)#

  • Frühlieder aus Tirol. Hg. Adolf Pichler. Wien 1846
  • Aus dem wälschtirolischen Kriege. Wien: Joseph Keck & Sohn 1849
  • Über das Drama des Mittelalters in Tirol. Innsbruck: Wagner 1850
  • Aus den März- und Oktobertagen zu Wien. Innsbruck: Wagner 1850
  • Der letzte Römerkönig. Trauerspiel. Innsbruck: Witting 1851
  • Legenden. Innsbruck: Wagner 1852
  • Gedichte. Innsbruck: Wagner 1853
  • Hymnen. Innsbruck: Wagner 1855
  • Die Tarquinier. Nürnberg: Bauer und Raspe 1861
  • Aus den Tiroler Bergen. München: Fleischmann 1861
  • Rodrigo. Trauerspiel. Innsbruck: Wagner 1862
  • Epigramme. Bruneck: J. G. Mahl (1866 ?)
  • Allerlei Geschichten aus Tirol. Jena: Frommann 1867
  • In Lieb' und Haß. Elegien und Epigramme aus den Alpen. Jena: Amthor 1869
  • Deutsche Tage. Zeitgedichte aus Tirol. Berlin: Franz Lipperheide 1870
  • Der Hexenmeister. Gera: Amthor 1872
  • Jahr und Tag. Gera: Amthor 1874
  • Marksteine. Erzählende Dichtungen. Gera: Amthor 1874
  • Fra Serafico. Innsbruck: Wagner 1879
  • Für den Fasching. Wien 1879
  • Zur Literatur und Kunst. Epigramme. Innsbruck: Wagner 1879
  • Vorwinter. Gera: Amthor 1885
  • Neue Marksteine. Erzählende Dichtungen. Leipzig: Liebeskind 1890
  • Zu meiner Zeit. Schattenbilder aus der Vergangenheit. Leipzig: Liebeskind 1892
  • Spätfrüchte. Gedichte verschiedener Art. Leipzig: Georg Heinrich Meyer 1896
  • Der Einsiedler. Eine Erzählung aus den Tiroler Bergen. Leipzig: Georg Heinrich Meyer 1896
  • Kreuz und Quer. Streifzüge. Leipzig: Georg Heinrich Meyer 1896
  • Jochrauten. Neue Geschichten aus Tirol . 2 Bde. Leipzig: Georg Heinrich Meyer 1897
  • Letzte Alpenrosen. 2 Bde. Leipzig: Georg Heinrich Meyer 1898
  • Der Anderl und's Resei. Ein Faschingsschwank in Schnadahüpfeln. Leipzig: Georg Heinrich Meyer 1898
  • Das Sturmjahr. Erinnerungen aus den März- und Oktobertagen 1848. Berlin 1903
  • Aus Tagebüchern 1849 – 1899 (posthum)
  • 1906 "Allerlei aus Italien" (posthum)
  • 1906 "Wanderbilder" (posthum)

Wissenschaftliche Werke:

  • 1863 "Beiträge zur Geognosie Tirols"
  • 1867 "Zur Geognosie der Alpen"

Ausgabe:

  • Gesammelte Werke, 17 Bände, herausgegeben von S. M. Prem, 1904-08
  • Briefwechsel A. Pichler - A. Brantl (1876-1900), herausgegeben von J. Holzner und G. Oberkopfler, 1983

Literatur#

  • K.H. Huber, A. Pichlers Weltanschauung, Dissertation, Wien 1960


Leseprobe#

aus Adolf Pichler, "Allerlei Geschichten aus Tirol, 1867"

IN DER WILDNIS VOM WILDERER STANIS UND VOM SCHMUGGLER HOIS

Noch vor wenig Jahren sah man auf der Straße vom Wildbad Kreuth nach Achenkirch oft wochenlang kein anderes Fuhrwerk, als die breiten Wägen mit großen Bastkörben, worin man Kohlen zum Hochofen zu Jenbach lieferte. Hie und da zog ein verirrter Handwerksbursch fechtend von einem abgelegenen Bauernhof zum andern, unbehelligt von der Gendarmerie, welche damals statt der Strolche harmlose Wanderer belästigte, die sich vor den weithin glänzenden Pickelhauben nicht ins Gebüsch schlugen.

Jetzt ist es anders geworden. Elegante Equipagen rollen im Sommer vorüber, Schwärme von Touristen, den Plaid um die Schulter, treten daher und bemühen sich, älplerisches Jodeln mit kreischender Kehle nachzuäffen. In die waldigen Seitentäler verliert sich freilich durch die blauen und grünen Schleier der Ladys selten ein Blick, viel weniger ein Fuß, Bädecker hat ja keinen Stern dafür, und in einer schmutzigen Kaser oder gar auf einem Haufen abgefallenen Laubes zu übernachten, wie ungemütlich!

Ich danke jedoch Gott stets, daß es noch Winkel gibt, wohin sich der Troß moderner Naturbeschnüffler nicht verläuft, um Langeweile loszuwerden. Lobt nur den Natursinn der Neuzeit, als ob sich die Natur von einem bißchen Sentimentalität oder blöder Neugier ausspähen ließe, als ob das Hochgebirge vor jedem, der imstande ist, eine kurze Visite zu bezahlen, die Schleier seiner verborgenen Majestät lüftete. Das ist gerade wie mit der Popularität der Naturwissenschaften: Auch da begnügen sich die meisten mit etlichen Phrasen ohne Anschauung, mit oberflächlichen Begriffen ohne Tiefe, mit dem Hokuspokus eines schimmernden Experiments, das ihnen als galanter Taschenspieler ein Professor im Salon vormacht; die Wissenschaft bleibt ihnen ein Buch mit sieben Siegeln.

Doch wir wollen in unserer Predigt nicht weiterfahren; was nützte es auch, der Leser schlüge das Buch zu und ließe uns verdutzt stehen. So lade ich euch ein auf die Fahrt in die Wildnis: Ein Stückchen Speck, Brot und Käse ist alles, was ich euch zur blühenden Kresse am lautern Quell bieten kann, vielleicht winkt uns - zwar kein Hotel, aber eine räucherige Branntweinhütte, wo irgendein Kerl Schnaps aus Enzianwurzeln und allerlei Beeren destilliert. Meist ist es ein Senner, dessen Kraft das Alter schwächte, so daß er den schweren Dienst bei der Herde nicht mehr verrichten kann; blühen die Almrosen, so erwacht bei ihm die Sehnsucht nach dem Gebirg, er holt Pickel und Kraxe vom Dachboden, steigt in die Höhe und gräbt Wurzeln, aus denen er im Herbst sein Lebenselixier braut.


Adolf Pichler, "Allerlei aus Italien"

1874

Meine jährliche Pilgerfahrt nach Italien begann am 30. März um halb vier Uhr morgens, wo ich mich dem Eilzug anvertraute, der mich um fünf Uhr abends nach Venedig brachte. Ich sehnte mich nicht bloß der Kunst, sondern auch dem Frühling entgegen; beide hatte ich in der Heimat lange genug entbehrt. Doch war jenseits des Brenners die Pflanzenwelt noch weit zurück, über der Landschaft schwebten erst die roten und weißen Wölkchen der Pfirsich- und Aprikosenbäume, ein scharfer kalter Wind wehte mir über die Lagunen entgegen. So wenig als bei früheren Ausflügen will ich heuer ästhetische Kompilationen aus Lübke, Burckhardt und Kugler bringen; wer nichts Neues zu bringen oder Altes nicht neu zu sagen hat, kann umso eher schweigen, da ja die mittelmäßige Photographie mehr gibt, als die weitläufigste Schilderung. In Venedig fiel mir zunächst die Zunahme der Bettler auf und auch im übrigen Italien sollte ich die gleiche Beobachtung machen. Als Grund dieser traurigen Erscheinung bezeichnete man mit stets den Mißwachs der letzten Jahre und die dadurch herbeigeführte Steigerung der Preise, während die Löhne der Skala nicht folgten. Bei dieser Überzahl von Arbeitskräften wurde ein Streik die Lage der armen Leute nur verschlechtern. Zu Venedig zahlt der Staat für öffentliche Arbeiten per Tag fünfzig Kreuzer, und nebenbei speist die Stadt aus alten Stiftungen Tausende von Mittellosen. Venedig hat durch die Vereinigung mit dem Königreiche Italien nicht gewonnen, ebensowenig als Mantua und Verona, in deren Straßen fast Gras wächst. Die großen österreichischen Garnisonen zahlten gut und die Anfertigung der Monturen beschäftigte viele Hände. Nicht der Müßiggang treibt die Amen auf die Straße; ihr e hohlen Augen, ihre blassen Gesichter betteln auch ohne Worte; denn vor der Zudringlichkeit schützt, wenigstens in größeren Städten, die Polizei, und meist sind es nur Deutsche, die sich auf langes Parlamentieren einlassen.

(S.1)

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl