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Wegener, Alfred Lothar#

* 1. 11. 1880, Berlin

† Ende November 1930, Grönland


Geophysiker, Meteorologe, Polarforscher


Alfred Wegener
Alfred Wegener. Foto.
© Archiv Senft

Der Wahlösterreicher Wegener war Geophysiker und Meteorologe.

Er trat 1919 eine Professur in Hamburg an, ging aber 1924 als Professor für Meteorologie und Geophysik an die Universität Graz, wo er bis zu seinem tragischen Tod im grönländischen Inlandeis seinen Wohnsitz hatte.

Er befasste sich mit Thermodynamik, Wolkenphysik, der Erklärung der Vorzeitklimate und stellte vor allem die Theorie der Kontinentalverschiebung auf. Diese geht von einer zusammenhängenden Landmasse (Pangaea) in einem großen pazifischen Meer aus, die sich seit dem Mesozoikum zu den heutigen Kontinenten auflöste und auseinanderdriftete. Diese Theorie kann physikalisch begründet werden, steht jedoch mit vielen Tatsachen des geologischen Baus der Festländer im Widerspruch.

1906 bis 1908, 1912/13 und 1929/30 unternahm Wegener (als Leiter) Expeditionen zum grönländischen Inlandeis, wobei er sich vor allem mit dessen Klima befasste, das bisher immer nur im Sommer untersucht worden war. Seine Messungen der Dicke des Inlandeises erbrachten 2.700 Meter; Wegener ging auch der Frage nach, ob sich die Grönland-Scholle im Auftauchen befände.


Seine letzte Expedition, die von einer Reihe wissenschaftlicher Mitarbeiter begleitet wurde und bei der erstmals Propellerschlitten zum Einsatz kamen, war von den wissenschaftlichen Resultaten her durchaus erfolgreich. Im November 1930 verließ er mit einem Einheimischen die von der Expedition errichtete "Station Eismitte" und erlag beim äußerst anstrengenden Rückmarsch offensichtlich einem Herzversagen. Auch der Eskimo kam ums Leben, die Leichname beider wurden erst im Mai 1931 gefunden.



Text aus dem "Fachlexikon Forscher und Erfinder", Nikol Verlag#

Wegener, Sohn eines Theologen und Lehrers, verlebte seine Kindheit und Jugend in Berlin (Besuch des Gymnasiums) und dem Feriensitz der Familie in Zechlinerhütte (Land Brandenburg, heute Wegener-Gedenkstätte). Von 1900 bis 1904 studierte er Astronomie, Meteorologie und Geophysik an den Universitäten Heidelberg, Innsbruck und Berlin; 1904 wurde er an der Berliner Universität zum Dr. phil. promoviert. Anschließend war Wegener als Technischer Assistent am Aeronautischen Observatorium Lindenberg tätig und widmete sich vor allem der Untersuchung der Atmosphäre unter Einsatz von Ballonen. Mit seinem Bruder Kurt Wegener stellte er 1906 einen Weltrekord im Freiballonflug (52 Stunden) auf.

1906-1908 nahm Wegener als Meteorologe an der dänischen Expedition zur Erforschung der Nordost-Küste Grönlands unter Leitung von Ludvig Mylius-Erichsen teil; 1912-13 erfolgte eine weitere Grönlandexpedition (Grönlanddurchquerung).

Alfred Wegener
Alfred Wegener. Foto.
© Bildarchiv d. ÖNB, Wien, für AEIOU
1909 habilitierte sich Wegener in Marburg und wurde Privatdozent für Meteorologie und praktische Astronomie an der Marburger Universität. 1917 bekam er dort eine außerordentliche Professur für Meteorologie und Praktische Astronomie. 1912 trat Wegener erstmalig mit seiner Kontinentalverschiebungshypothese an die Öffentlichkeit.

Nach einer Tätigkeit im Feldwetterdienst während des ersten Weltkrieges und als Privatdozent in Marburg wurde Wegener 1919 als Nachfolger seines Schwiegervaters Wladimir Köppen (* 25.9.1846 St. Petersburg, † 22.6. 1940 Graz) Abteilungsvorstand in der Deutschen Seewarte in Hamburg und gleichzeitig außerordentlicher Professor an der neu gegründeten dortigen Universität.1924 übernahm er die Ordentliche Professur für Meteorologie und Geophysik an der Universität in Graz und wurde zugleich österreichischer Staatsbürger.

Anfang 1930 brach Wegener zu seiner Hauptexpedition nach Grönland („zweite Grönlandexpedition, 1930-31) auf, der intensive Vorbereitungsarbeiten im Rahmen einer Vorexpedition zur grönländischen Westküste vorangegangen waren. Am 1. 11. 1930, seinem 50. Geburtstag, reiste er von der Station „Eismitte“ gemeinsam mit seinem Begleiter, dem Grönländer Rasmus Villumsen, in Richtung Weststation, die aber beide nicht erreichten. Wegener wurde am 12. 5. 1931 tot aufgefunden; vermutlich war er bereits um den 15. 11. 1930 infolge der Anstrengungen an Herzschwäche verstorben. Von Villumsen wurde trotz intensiven Suchens keine Spur gefunden. Die Grönlandexpedition wurde von Wegeners Bruder zu Ende geführt.


Wegener hat mit seinem Lebenswerk entscheidend zur Entwicklung moderner geowissenschaftlicher Vorstellungen und Forschungen beigetragen. Seine mehr als 170 wissenschaftlichen Arbeiten spiegeln eine erstaunliche Vielseitigkeit wider und umfassen neben seinen Hauptarbeitsgebieten Meteorologie, Kontinentalverschiebung, Paläoklimatologie und Polar- bzw. Grönlandforschung auch Probleme der Astronomie und der Meteoritenforschung. Originalität der Gedankengänge und Hypothesen, Sorgfalt bei der wissenschaftlichen Beobachtung und Logik in der Beweisführung seiner Arbeit waren gepaart mit herausragenden Persönlichkeitsmerkmalen: Wegener verstand es, mit höchsten Anforderungen an sich selbst bei Studenten und Expeditionsteilnehmern Begeisterung und Leistungsbereitschaft zu wecken.


Nach seiner Promotion zu einem astronomischen Thema („Die Alfonsinischen Tafeln für den Gebrauch des Rechners“) widmete sich Wegener zunächst meteorologischen Untersuchungen, die dann ständig und später insbesondere bei seinen Expeditionen einen wesentlichen Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit ausgemacht haben. Innerhalb dieses seines Hauptarbeitsgebietes widmete Wegener sich besonders der Aerologie, d.h. der Physik der hohen Atmosphäre. Dabei war er kein „theoretischer“ Meteorologe, sondern befasste sich ausschließlich mit beobachtbaren Objekten. Noch bis 1927 war er mit der meteorologischen Auswertung seiner ersten Grönlanddurchquerung beschäftigt, und auch seine zweite Grönland-Expedition sollte der Erforschung des grönländischen Inlandeises und der meteorologischen Verhältnisse dienen.


Im Zusammenhang mit seinen aerologischen Untersuchungen entwickelte Wegener gemeinsam mit seinem Bruder den Einsatz von Drachen und Ballons für atmosphärische Untersuchungen weiter und führte bereits während der ersten Grönlandexpedition (1906-1908) erstmalig aerologische Experimente einschließlich Drachen- und Fesselballonaufstiegen in polarem Klima durch.


Seinen wissenschaftlichen Ruf als Meteorologe begründete Wegener darüber hinaus vor allem mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen zur Physik der Atmosphäre, veröffentlicht unter den Titeln „Thermodynamik der Atmosphäre“ (1911) und „Wind- und Wasserhosen in Europa“ (1917). Eng verbunden mit den meteorologischen Arbeiten waren Wegeners Untersuchungen zur Glaziologie und Klimatologie.

Während seiner Marburger Tätigkeit entwickelte Wegener eine Hypothese, die ihn fortan in ihrer Ausgestaltung fesselte und mit der er in die Geowissenschaften völlig neue Anschauungen einbrachte: die Hypothese von einer Drift der Kontinente. Die Ähnlichkeit bzw. Kongruenz im Verlauf der atlantischen Küstenlinien Südamerikas und Afrikas hatte Wegener zu der Annahme geführt, dass beide Kontinente ursprünglich eine Einheit waren und ihre jetzige Position das Ergebnis eines Auseinanderdriftens sei.

Die Einbeziehung paläontologischer Erkenntnisse über eine einstige Landverbindung beider Kontinente bestärkte ihn in seiner Hypothese, die er erstmals am 6. 1. 1912 vor der Geologischen Vereinigung in Frankfurt am Main vortrug und im gleichen Jahr in der Fachpresse publizierte („Die Entstehung der Kontinente”). Zu dieser Zeit konnte Wegener die Kräfte, die eine solche Driftbewegung der Kontinente auslösen könnten, noch nicht benennen; später, 1929, wies er auf die Möglichkeit von Konvektionsströmungen im magmatischen Untergrund als verursachende Kraft hin.

Wegeners Hypothese erregte großes Aufsehen und stieß vor allem von geologischer Seite größtenteils auf scharfe Ablehnung. Vor allem in Deutschland wurde dieses Modell lange Zeit abgelehnt; in Japan und Nordamerika dagegen wurde es interessiert verfolgt und lieferte viele Anregungen zur Entstehung der modernen Theorie der Plattentektonik, der sie den Weg bereitete.

Wegener hatte sich mit seiner „mobilistischen Hypothese“ der zu seiner Zeit allgemein anerkannten „fixistischen“ Theorie (unveränderliche Lage der Kontinente und Ozeane, Schrumpfung als Folge einer Abkühlung, einstige Landverbindung aufgrund ehemals vorhandener und später abgesunkener Landbrücken) direkt entgegengestellt. In der Folgezeit baute Wegener seine mobilistische Hypothese aus, um „die Großformen der Erdrinde, d.h. die Kontinentaltafeln und die ozeanischen Becken, durch ein einziges umfassendes Prinzip genetisch zu deuten, nämlich aus der horizontalen Beweglichkeit der Kontinentalschollen“, wie er in „Die Entstehung der Kontinente“ darlegte.

In dem Buch „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“ (1915) stellte Wegener die Entwicklung der Erdkruste aus einem Urkontinent („Pangäa“) dar: Der Urkontinent zerbrach, und seine Bruchstücke veränderten ihre Lage durch Driftbewegungen aufgrund von Polfluchtkraft, Gezeitenwirkung und Erdrotation. Neben geographischen, geologischen und paläontologischen Fakten wurden dabei vor allem auch Ergebnisse geophysikalischer Forschungen (Schweremessungen, Isostasie) und der von Wegener teilweise in Zusammenarbeit mit Wladimir Köppen vorgenommenen paläoklimatologischen Untersuchungen einbezogen; die gemeinsamen Forschungen fanden 1924 ihren Niederschlag in dem Buch „Die Klimate der geologischen Vorzeit“.

Wegeners mobilistische Hypothese erfuhr in den folgenden Jahrzehnten im Zusammenhang mit modernen geotektonischen Forschungen große Aktualität und letztlich Bestätigung. Vor allem die aus dem Ozeanbereich vorliegenden Untersuchungsergebnisse (Altersbestimmungen an Gesteinen, magnetische Untersuchungen) führten zur Theorie des „sea floor spreading“ (Spreizung der Böden der Ozeane, zur horizontalen Verlagerung der Kontinentalschollen führend), die mit Resultaten seismologischer Beobachtungen und deren Interpretation einen wesentlichen Bestandteil des Konzeptes der modernen Globaltektonik bzw. Plattentektonik darstellt. So kommentierte die New York Times denn auch 1970 treffend: „Es scheint fast, als habe Alfred Wegener für die Geologie dasselbe geleistet wie Kopernikus für die Astronomie, indem er eine unübersehbare Menge scheinbar unvereinbarer Tatsachen einem gemeinsamen Verhaltensmuster unterordnete.“
Mit seinen Grönlandexpeditionen hat Wegener wesentliche Beiträge zur Erforschung Grönlands und zur Entwicklung der modernen Polarforschung geleistet. Geleitet von der wissenschaftlichen Aufgabenstellung setzte er insbesondere bei seiner letzten Grönlandexpedition Vertreter verschiedener Disziplinen für ein komplexes Forschungsprogramm ein; die Einrichtung von Beobachtungs- und Forschungsstationen (z.B. „Eismitte“) und der Einsatz moderner technischer Mittel und Messinstrumente stellt den Beginn einer neuen Phase der polaren Forschung dar. So wurden etwa erstmalig Propellerschlitten eingesetzt und vielfältige spezielle Beobachtungsmethoden der Aerologie und Geophysik (z.B. seismische Eisdickenmessung) in das Arbeitsprogramm aufgenommen. Die Ergebnisse seiner Expedition waren Ansatzpunkt für nachfolgende Unternehmungen, z.B. die französische Expedition 1948-1951.

Der biografische Text beruht großteils auf dem Personeneintrag im „Fachlexikon Forscher und Erfinder“ und wurde dem Austria Forum freundlicherweise seitens Nikol Verlag, Hamburg, bzw. Harri Deutsch Verlag, Frankfurt a.M., zur Verfügung gestellt. (www.harri-deutsch.de)

Sonderpostmarke Wegener
Sonderpostmarke Wegener

Werke (Auswahl)#

  • Thermodynamik der Atmosphäre, Leipzig 1911
  • Die Entstehung der Kontinente, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, 58 (1912), 185-195 u. Geologische Rundschau, 3 (1912), 276-292
  • Die Entstehung der Kontinente und Ozeane, Braunschweig 1915; Nachdruck der 1. und 4. Auflage, hrsg. von A. Vogel, Braunschweig 1980
  • Mit Motorboot und Schlitten in Grönland, 1930
  • Wind- und Wasserhosen in Europa, Braunschweig 1917
  • (mit Wladimir Köppen): Die Klimate der geologischen Vorzeit, Berlin 1924
  • Vertraulicher Bericht über die Grönland-Expedition 1929, hrsg. von H. W. Flügel, Graz 1980
  • Tagebücher, Briefe, Erinnerungen, hrsg. von E. Wegener, Wiesbaden 1960, Hrsg. H. G. Körber, Leipzig 1980

Literatur#

  • J. Georgi, Im Eise vergraben, 1933
  • K. Wegener (Hg.), Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Grönlandexpedition A. Wegeners 1929 und 1930/31, 7 Bände, 1933-40
  • U. Wutzke, Durch die weiße Wüste. Leben und Leistungen des Grönlandforschers und Entdeckers der Kontinentaldrift A. Wegener, 1997
  • U. Wutzke, A. Wegener. Kommentiertes Verzeichnis der schriftlichen Dokumente seines Lebens und Wirkens, 1998
  • H. Benndorf: Alfred Wegener In: Beiträge zur Geophysik 31 (1931), 337-377 (mit Bibliographie)
  • Wegener, Kurt (Hg.), Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Grönlandexpedition Alfred Wegeners 1929 und 1930-31, 7 Bde., 1933-1940
  • Wegener, E., Alfred Wegeners letzte Grönlandfahrt, Leipzig 1940
  • E. Wegener-Köppen: Wladimir Köppen, Stuttgart 1955
  • E. Wegener-Köppen: Alfred Wegener, Wiesbaden 1960
  • A. A. Anderson: Die Drift der Kontinente. Alfred Wegeners Theorie im Licht neuer Forschungen, Wiesbaden 1974 (engl. New York 1971)

Landschaft auf Grönland
Landschaft auf Grönland
© Archiv Senft

  • Olszak, G.: Von der Kontinentaldrift zur Plattentektonik, in: Z. Geol. Wissensch., 11 (1978), 1293-1300
  • Helmut W. Flügel, Alfred Wegeners vertraulicher Bericht über die Grönland-Expedition 1929 (Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 10, Graz 1980)
  • Körber, H. G., Gellert, J. F., Kühn, P., Ehmke, O.: Leben und Werk Alfred Wegeners 1880-1930, in: Urania. Schriftenreihe für den Referenten, Heft 6/1980
  • Kühn, P., Schön, J., Hubbe, J.: Alfred Wegener und sein neues Bild der Erde: die Kontinentalverschiebungstheorie, in: Urania, 19 (1980)
  • Martin Schwarzbach: Alfred Wegener und die Drift der Kontinente. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1980
  • Körber, H. G.: Alfred Wegener. 2., erweiterte Auflage, Leipzig 1982
  • Hermann Günzel: Alfred Wegener und sein meteorologisches Tagebuch der Grönland-Expedition 1906-1908. Schriften der Universitätsbibliothek Marburg. Bd 59. Universitätsbibliothek, Marburg 1991
  • Klaus Rohrbach: Alfred Wegener, Erforscher der wandernden Kontinente. Freies Geistesleben, Stuttgart 1993
  • Christine Reinke-Kunze: Alfred Wegener, Polarforscher und Entdecker der Kontinentaldrift. Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1994


Gesamtansicht der Station Eismitte
Gesamtansicht der Station Eismitte
© Archiv Senft
Letztes Foto von Alfred Wegener
Letztes Foto von A. Wegener (li.) u. R. Villumsen (Inuit, re.), Anfang November 1930
© Archiv Alfred Wegener Inst.
Alfred Wegeners Grab
Alfred Wegeners Grab
© Archiv Senft

Weiterführendes#

Quellen#


Redaktion: J. Sallachner, Hilde und Willi Senft, I. Schinnerl


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