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unbekannter Gast

Prolog:

Es ist schwer, über Palatschinken zu schreiben, denn erstens sind sie eigentlich unbeschreiblich, zweitens ist es fast unvermeidlich, beim Texten ab und an die Einzahl verwenden zu müssen. „Die Palatschinke“ kommt aber in der Wirklichkeit in der Einzahl so gut wie nie vor, weshalb die Singularform, wenn sie schwarz auf weiß ins Auge sticht, fremd anmutet. Der Sache zuliebe muss gelitten werden.

Ein Palatschinkenrezept, was soll das überhaupt? Das hat doch hier nix verloren! Palatschinken machen kann doch jeder!

An diesem Satz stimmt nur ein Wort: „jeder“. Die Maskulin-Form des Indefinitpronomens „jeder“ sagt es schon: Palatschinkenmachen ist Männersache. Frauen können das nicht, genau so wenig wie den kalten Motor sanft warmfahren oder Galeerenrudern.

Es kann aber auch bei weitem nicht jeder Mann, vielmehr: es kann fast keiner. Zwar sind viele berufen, auserwählt ist indes nur eine winzige Elite. Diese Anleitung richtet sich an die Berufenen und ist ein erster Schritt auf einem langen Weg.

Palatschinken brauchen kein Rezept. Ein Rezept steht eh in jedem Kochbuch oder man googelt sich eins. Das bisschen Mehl, Eier, Zucker und Milch zusammenrühren – keine Kunst. Damit man sich Nachschauen oder googeln spart, hier dennoch ein Grundrezept (2 Personen):

15 deka Mehl

2 Eier

3 deka Zucker

0,3 Liter Milch

Staubzucker zum Bestreuen

Aber die Zutaten und das Rühren sind nichts. So wenig wie es nutzt, sich an die Tastatur zu setzen und zu glauben, man wäre schon ein Bestsellerautor, Konzertpianist oder Programmierer. Beste persönliche Voraussetzungen hat, wer in früher Jugend Pfadfinder war und Palatschinkenmachen am Lagerfeuer erlernte. Dieser Erfahrungsvorsprung ist im späteren Palatschinkenmacherleben nicht mehr wettzumachen. Wie man eine andere Sprache ja auch nie so gut lernt wie die Muttersprache. Man finde sich damit ab, denn man kann trotzdem sehr gut werden.

Zur Sache. Es kommt darauf an, WIE man es macht. Wie immer im Leben.

1. Der Teig

Milch, Eidotter, Mehl und Zucker zusammengerührt haben wir schon. Dann muss der Teig mindestens eine Stunde stehen, besser einen ganzen Vormittag. MUSS!! Wer schnell und respektlos den Teig zusammenpanscht und in die Pfanne schüttet, den bestraft der Geschundene mit Zerreißen. Welche Frau, zu praktisch um analytisch zu sein, hat je darüber nachgedacht, warum die ersten paar immer zerreißen? (Sie geben dann statt ihrer Hudelei immer dem Mann die Schuld, der schon vor Monaten versprochen hat, seine Freundin aufzugeben oder sich scheiden zu lassen, je nachdem, aber das natürlich wieder verschoben hat … kein Wunder, dass deswegen die Palatschinke zerreißt, wenn sich auch der Zusammenhang nur schwer erschließt …).

Dünnflüssig sei der Teig. Er kann nach dem Stehen mit Milch oder Mineralwasser (sanftes Treibmittel, erlaubte Schummelei) nachverdünnt werden.

2. Die Pfanne

Zunächst ein Wort zur Teflonpfanne. Faule Menschen - sie machen unser Leben durch arbeitsvermeidende Erfindungen schöner, bringen uns aber um die Köstlichkeit der Mühsal - nehmen eine Teflonpfanne. Aber die Teflonpfanne ist wie eine Frau, die schon am ersten Abend „ja“ sagt. Mit der kann jeder.

Die richtige Palatschinkenpfanne ist aus Gusseisen, dem authentischen Material von Schiffsdieseln und Sowjetzahnkronen. Sie ist die Brünhilde unter den Pfannen, die Frau, die umworben, erobert, besiegt und mit starkem Arm geführt werden will. Denn: Sie ist so schwer, dass man sie kaum heben kann. Sie ist so massiv, dass der Boden so viel Hitze speichert, dass die Palatschinke am Ende des Eingießvorgangs unten schon fertig ist.

Und außerdem ist die Gusseiserne das ultimative Argument, einen Ehezwist zu beenden. Die dünnhäutige Teflon versagt bei diesem alltagswichtigen Anwendungsfall.

Wir nehmen also die Gusseiserne. Nur sie produziert geschupftes Hauchdünnes in allen Blondheitsgraden von Albino im Schneesturm bis Ruß in Vollendung.

3. Fett/Öl

Fast keins! Ein, zwei winzige Tropfen Öl pro Palatschinke genügen. Denn unsere Pfanne ist heiß, heiß, heiß! Da bleibt nichts picken.

Die fettglänzenden lauwarmen Wirtshauspalatschinken sind keine Palatschinken, sondern eine Frechheit. Die Oberfläche einer Palatschinken sei gediegen matt, seidig wie geschmiedetes Titan, nur weicher halt. Jedenfalls nicht fettig.

4. Eingießen des Teiges

Ein Akt, der den Palatschinkenmacher in die lichten Höhen eines Glockengießers hebt. Einen Schöpfer voll, mit leisem Schwung in die um ca. 20 Grad um eine gedachte, auf Höhe des Bauchnabels normal zum Körper stehende Achse geneigte Pfanne am oberen Totpunkt der heiße! Pfanne einlaufen lassen. Sofort mit einer der Kinematik einer Taumelscheibe folgenden Bewegung den Teig in der Pfanne ganz gleichmäßig verteilen. Darauf achten, dass keine Häufungsumgebungen bzw. Mangelstellen entstehen: Stichwort Homogenität.

Wenn es richtig gemacht wird – Pfanne heiß, Boden mit hoher Wärmespeicherung, Teig dünnflüssig und abgestanden – ist die Palatschinke unten auch schon fertig. Test: die Pfanne mit hoher Beschleunigung, erst vom Körper weg und dann wieder zum Körper hin ruckartig bewegen. Die Palatschinken oszilliert fast schwerelos in der Pfanne hin und her wie ein versierter Teenager in der Halfpipe.

5. Wie dick?

Muss es extra gesagt werden? Der „Schöpfer voll“ (siehe oben) ist so zu dimensionieren, dass die Palatschinke HAUCHDÜNN wird. Hauchdünn wie das Band, das Liebende verbindet: von der Seite fast unsichtbar, aber dennoch unzerreißbar.

Grammaturanhaltspunkt: 190 g/qm bis 250 g/qm. Alles darunter ist gelogen, alles darüber fällt unter Kuhhaut.

6. Schupfen

Wer einen Bratwender o. ä. zum Umdrehen nimmt höre jetzt auf zu lesen. Er ist nicht im Stand der Gnade.

Palatschinken gehören geschupft. Punkt. Darauf gibt es keinen Rabatt. Wie erklärt man es? Am besten so: Nach der 200sten hat man den Einstieg geschafft, nach der 500sten spielt man in der B-Liga. Der Aufstieg in die Champions League führt über 1000+ Exemplare.

7. Wie blond?

Der wahre Palatschinken-Macher erfragt den gewünschten Blondheitsgrad beim Esser. Das Spektrum reicht von Elfenbein über die Hautfarbe einer karibischen Schönheit bis Rauchfangkehrer im Tunnel. Aber Extreme sollten vermieden werden, richtig ist ein stoisches Ebenmaß, wie in der griechischen Kunst.

8. Anrichten

Es werden so viel Teller wie Esser plus zwei Reserveteller als Zwischenablage im Rohr heiß gemacht. Kalte Palatschinken sind keine Palatschinken, sondern irgendwas anderes, jedenfalls nichts, was man essen könnte. Darum gehören Palatschinken auf einen heißen Teller.

Neben dem Palatschinkenmacher steht die Hausfrau oder eine aus dem Kreis der Esser ad-hoc rekrutierte Küchenhilfskraft und bestreicht die aus der Pfanne auf die heißen Teller gleitenden Palatschinken sofort. Auch hier ist darauf zu achten, dass die Topographie der Fülle keine Häufungspunkte oder „weiße Flecken“ aufweist. Wichtigste Eigenschaften der Helfer sind Nicht-im-Weg-stehen, Tempo und Schweigsamkeit.

Staubzucker: Viel. Ein Grat wie eine Irokesenfrisur, nur halt weiß, über die ganze Länge.

9. Fülle

Marillenmarmelade, ausschließlich. Allenfalls mit einem Hauch warmen Marillenlikörs oder Rum verdünnt.

Alles andere ist Sünde. Nutella? Schon der Name! Eis? Kalt. Schokosauce mit Schlagobers und Nüssen? Ein trauriger Anblick.

Es muss Marillenmarmelade sein.

10. Wie viele?

Egal. Es ist sowieso immer zu wenig. Von richtigen Palatschinken kann man nicht genug machen. Die dem Palatschinkenmacher mit stummer Aufforderung hingehaltenen leer gegessenen Teller hören nicht auf mit dem letzten Teigrest. Die Aufforderung kippt in stumme Anklage, aber das ist unvermeidbar und gut so. Wer sich rar macht, macht sich teuer.


Goethe würde sagen "durchaus mit Eifer bemüht, wenn auch nicht eben gelungen":

http://www.youtube.com/watch?v=sWaMR3LOV3U

-- Lechner Peter, Mittwoch, 30. April 2014, 13:59


Goethe würde sagen "durchaus mit Eifer bemüht, wenn auch nicht eben gelungen":

http://www.youtube.com/watch?v=sWaMR3LOV3U

Da wendet sich der Gast mit Grausen (damit der Schiller auch zu Wort kommt):

http://www.youtube.com/watch?v=-lkjtRUMPbw

-- Lechner Peter, Mittwoch, 30. April 2014, 14:06


Ich muss mich korrigieren:

... "durchaus mit Eifer bemüht, wenn auch nicht eben gelungen" würde nicht Goethe, sondern Anton Wildgangs sagen. Asche auf mein Haupt.

http://www.youtube.com/watch?v=sWaMR3LOV3U

-- Lechner Peter, Mittwoch, 30. April 2014, 18:30


Wow zum "Buch über die Palatschinke"! Großartig!#

-- Begeisteter Anonymer, Sonntag, 4. Mai 2014, 11:22


dasmit den sowjetzahnkronen ist schon spitze gut...

-- Unbekannt, Sonntag, 4. Mai 2014, 23:21


In puncto "Staubzucker" ... gibt es eine interessante Alternative, entnommen dem Simmel-Roman "Es muß nicht immer Kaviar sein":

Man nehme anstatt des Staubzuckers:

1. ein Teelöffel Kristallzucker, den man auf der ganzen Länge der Palatschinke drüberrieselt

2. ein Teelöffel 80%igen Rum und überträufelt damit den Kristallzucker. 40%iger geht auch, aber brennt nicht so gut.

Der Rum wird angezündet. Der Zucker karamelisiert. Das gibt ein unbeschreibliches Aroma.

Anmerkung 1: das geht auf keinen Fall für Kinder!!

Anmerkung 2: ACHTUNG! Die Flamme sieht man kaum. Man muß also vor dem Essen unbedingt sicher sein, dass die Flamme erloschen ist und der Zucker etwas abgekühlt ist - eigene eindringliche Erfahrung!

-- Lechner Peter, Samstag, 23. Januar 2021, 11:22