Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 08.06.2020, aktuelle Version,

AN602

Kernwaffentest
AN602 / Zar-Bombe

Maßstabsgerechtes Modell der Zar-Bombe im Sarower Atombombenmuseum
Informationen
Nation Sowjetunion 1955  Sowjetunion
Testort Insel Nowaja Semlja
Datum 30. Oktober 1961
11:32Uhr Moskauer Zeit
Testart Oberirdischer Test
Testhöhe 4000m
Waffentyp Wasserstoffbombe
Sprengkraft 50–100MT
Ort der Explosion
Der Tu-95-Bomber, der die Zar-Bombe abwarf, steht im Museum der Luftstreitkräfte [1]

Die AN602 war die stärkste jemals gezündete Wasserstoffbombe und erzeugte die größte jemals von Menschen verursachte Explosion.

Der Deckname lautete Wanja. Fälschlich wird sie oft als RDS-220 oder RN202 (РДС-220, РН202) bezeichnet.[2] In der damaligen deutschen Presse wurde sie als „Superbombe“ bezeichnet.[3][4] Nach dem Zerfall der Sowjetunion verbreitete sich der Name Zar-Bombe (russisch Царь-бомба/Zar-Bomba), abgeleitet vom Herrschertitel Zar.

Aufbau

Die von einem Team um den späteren Dissidenten Andrej Sacharow konstruierte Bombe wog 27Tonnen, war acht Meter lang und maß zwei Meter im Durchmesser. Sie war dreistufig konstruiert und für eine Sprengkraft von 100MT ausgelegt. Für den Test wurde auf die Hälfte der Sprengkraft verzichtet, um die radioaktive Belastung um 97Prozent zu reduzieren, indem das 238Uran des Mantels der dritten und möglicherweise auch der zweiten Stufe durch Blei ersetzt wurde. Uran im Mantel wäre durch die schnellen Neutronen der Wasserstoff-Stufen gespalten worden, was die Sprengkraft mindestens verdoppelt hätte. Als Fusionsbrennstoff wurde Lithiumdeuterid verwendet. In Relation zu ihrer Sprengkraft wurde diese Bombe damit zur „saubersten“ jemals eingesetzten Kernwaffe. Mit Uranummantelung hätte die Explosion dieser Bombe die weltweite radioaktive Belastung durch Kernwaffentests um etwa 25Prozent erhöht.

Eine technische Herausforderung war auch die Herstellung des Fallschirms, der die Bombe nach dem Abwurf trug.

Sprengkraft

Zerstörungswirkung der Zar-Bombe über einer Karte von Paris: Der rote Kreis umfasst die Zone totaler Zerstörung (Radius: 35 km), der gelbe Kreis den Feuerball (Radius: 3,5 km).

Die Sprengkraft der Zar-Bombe betrug – je nach Quelle – 50 bis 60MT, womit sie rund 4000-mal so stark war wie die Hiroshima-Bombe Little Boy und etwa drei- bis viermal so stark wie Castle Bravo, der stärkste Kernwaffentest der USA. Kurze Zeit nach dem Test schätzten die Vereinigten Staaten die Sprengkraft der Bombe mit 57MT ein. Diese Angabe wurde später von westlichen und sowjetischen Quellen übernommen. Die Differenz von 14Prozent zwischen geschätzter, erwarteter und tatsächlich eingetretener Sprengkraft war keine außerordentliche Abweichung. Zum Beispiel variierten die Schätzungen zur Stärke von Little Boy von 12 bis 16kT, eine Differenz von 33Prozent. Noch größer war die Differenz von Vorhersage und tatsächlicher Sprengkraft bei der Explosion der Feststoff-H-Bombe Castle Bravo. Diese war mit etwa 15MT etwa zweieinhalbmal so hoch wie ursprünglich angenommen.

In seinen Memoiren (1970) schreibt Chruschtschow: „Unsere Wissenschaftler berechneten im Vorfeld, dass die Kraft der Bombe 50 Millionen Tonnen TNT gleichkommen würde. Jedenfalls theoretisch. Tatsächlich stellte sich heraus, dass die Explosion äquivalent zu 57 Millionen Tonnen war.“ Dennoch findet sich in allen seit 1991 erschienenen russischen Quellen die Zahl 50MT.

Die Menge des chemischen Sprengstoffs TNT, die eine Energie vergleichbar der Zar-Bombe freisetzen würde, hätte als Kugel einen Durchmesser von 400Metern.

Durchführung des Tests

Die Bombe wurde am 30. Oktober 1961 um 11:32Uhr Moskauer Zeit über dem Testgelände „Sukhoy Nos Zone C“ bei etwa 73,8° nördlicher Breite und 54,6° östliche Länge in der Mitjuschikabucht auf der Insel Nowaja Semlja gezündet. Sie wurde von einem modifizierten Tupolew-Tu-95W-Bomber[5] in über 10.000Metern Höhe abgeworfen und durch einen Fallschirm abgebremst, um dem Flugzeug ausreichend Zeit zum Verlassen des Testgebietes zu geben. Um sie transportieren zu können, waren die Klappen des Bombenschachtes entfernt worden.[6]

Die Explosion fand in einer Höhe von etwa 4000m statt. Der Feuerball der Explosion berührte den Erdboden, der Atompilz erreichte kurzzeitig eine Höhe von ungefähr 64km. Die stabile Endhöhe dürfte zwischen 40 und 50km betragen haben. Die durch die Explosion ausgelöste Druckwelle umrundete etwa zweieinhalb mal den Globus. Die dritte Wiederankunft am Ursprungsort war hingegen nur noch mit hochempfindlichen Barographen messbar. Da mit dem Druck auch die Dichte schwankte, wurde die atmosphärische Welle als langsame vertikale Komponente von Seismographen registriert, deren träge Masse veränderlichen Auftrieb erfuhr.

Obwohl die Bombe in relativ großer Höhe gezündet wurde, regte die Explosion auch mehrere Arten seismischer Wellen mit einer Stärke von 5,8 an.[7] P-Wellen waren sogar auf der dem Testgebiet entgegengesetzten Erdseite messbar.

Literatur

  • Johannes Paulmann, Daniel Leese, Philippa Söldenwagner (Hrsg.): Ritual – Macht – Natur. Europäisch-ozeanische Beziehungswelten in der Neuzeit. Überseemuseum, Bremen 2005, ISBN 3-89946-040-5, (TenDenZen Sonderband).
Commons: Zar-Bombe  – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Die Halterungen für eine eigens angefertigte aerodynamische Verkleidung, anstelle der Originalklappen, sind noch erhalten
  2. S. J. Zaloga: The Kremlin’s Nuclear Sword. Smithsonian Institution Press, Washington und London 2002, S. 51–52.
  3. Strategie des Terrors. In: Die Zeit. 3. November 1961, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 15. Oktober 2017]).
  4. SUPERBOMBE: Irrttum vorbehalten. In: Der Spiegel. Band 46, 8. November 1961 (spiegel.de [abgerufen am 15. Oktober 2017]).
  5. Tu-95 BEAR - Russian and Soviet Nuclear Forces. Federation of American Scientists, abgerufen am 20. Januar 2016.
  6. Rainer Göpfert: „Maria“ und „Tatjana“ – Die Erprobung von Atomwaffen durch die Luftstreitkräfte der UdSSR. In: Flieger Revue Extra Nr.36. PPVMedien, Bergkirchen 2012, ISSN 2194-2641. S.18.
  7. M5.8 - Novaya Zemlya Russia. United States Geological Survey's, abgerufen am 20. Januar 2016.