Bakteriophagen
Als Bakteriophagen oder kurz Phagen (Singular Phage, der; von altgriechisch βακτήριον baktérion ‚Stäbchen‘ und φαγεῖν phageín ‚fressen‘) bezeichnet man verschiedene Gruppen von Viren, die auf Bakterien als Wirtszellen spezialisiert sind.[3] Der Wirtsspezifität entsprechend werden die Phagen in taxonomische Gruppen unterteilt, zum Beispiel in Coli-, Staphylokokken-, Diphtherie- oder Salmonella-Bakteriophagen. Mit einer geschätzten Anzahl von 1030 Virionen im gesamten Meerwasser sind Phagen häufiger als jede Art von Lebewesen und bilden das sogenannte Virioplankton.
Zu beachten: Viren sind keine Lebewesen, denn sie besitzen keinen eigenen Stoffwechsel. Sie werden von einigen Wissenschaftlern als "dem Leben nahe" bezeichnet.
Geschichte
Die Wirkung von Phagen wurde 1917 von dem Kanadier Félix Hubert d’Hérelle erstmals beschrieben.[4] Zwar hatte der Engländer Frederick Twort bereits 1915 an Staphylokokken-Kulturen Zersetzungsprozesse beobachtet, die auf die Einwirkung von Bakteriophagen zurückzuführen sind, jedoch wurde seine Veröffentlichung praktisch nicht beachtet. D’Hérelle gilt somit neben Frederick Twort als einer der Entdecker der Bakteriophagen, den sogenannten „Bakterienfressern“. Ihren Namen und ihre Entdeckung verdanken sie jedoch d’Hérelle. Parallel zu d’Hérelle postulierte der deutsche Mikrobiologe Philalethes Kuhn aufgrund von Beobachtungen der Veränderungen von Bakterienkulturen unter bestimmten Bedingungen die Existenz von Bakterienparasiten. Er bezeichnete diese als Pettenkoferien und sah die von d’Hérelle beschriebene „unsichtbare, dem Ruhrbazillus entgegenwirkende Mikrobe“ als Sonderfall dieser Parasiten an. Wie sich später herausstellte, beruhten seine Beobachtungen jedoch nicht auf der Existenz eines Bakterienparasiten, sondern lediglich auf Formveränderungen der von ihm untersuchten Bakterien.
D’Hérelle stellte sich den Bakteriophagen als ein „ultravisibles, korpuskulares Lebewesen“ vor, das in einer Grundform existiere und sich an verschiedene Wirte, also Bakterien anpasse. Tatsächlich sind Bakteriophagen nach heutigem Wissensstand hochspezialisierte Viren, die an einen spezifischen Wirt gebunden sind. Auch wenn in diesem Kontext von Wirten die Rede ist, sind nach heutiger Definition Bakteriophagen, da sie als Viren keine Lebewesen sind, keine Parasiten[5]. Die ersten Phagen, die untersucht wurden, waren sieben Phagen des Bakteriums Escherichia coli. Sie wurden in der Reihenfolge ihrer Entdeckung als Typ 1 (T1), Typ 2 (T2) und so weiter benannt.
Aufbau
Die Gestalt der Bakteriophagen wurde vorwiegend an den Phagen der T-Reihe (T-Serie) von Escherichia coli aufgeklärt. Der Coliphage T2 besteht aus einem polyedrischen Kopf von 100 nm Länge, an dem ein etwa gleich langer Schwanz sitzt. Bakteriophagen werden taxonomisch nach ihrer Morphologie, ihrem Genom und ihrem Wirt eingeteilt. So unterscheidet man DNA-Phagen mit einzelsträngiger DNA, sogenannte ss-DNA-Phagen (von engl. single-stranded), und solche mit doppelsträngiger DNA, sogenannte ds-DNA-Phagen (von engl. double-stranded). Die hier exemplarisch behandelten Escherichia coli-Phagen der T-Reihe werden zu letzterer Gruppe gezählt.
Die sogenannten T-Phagen (z. B. T4-Phage) zeichnen sich gegenüber anderen Bakteriophagen durch einen relativ komplexen Aufbau aus. Grundlegend setzen sie sich aus einer Grundplatte (9), einem Einspritzapparat (Injektionsapparat, 2) und einem Kopf (1), bestehend aus dem so genannten Kapsid (4) und der darin enthaltenen Nucleinsäure (3) zusammen. Die Module Kopf und Einspritzapparat sind durch einen Hals (Collar, 5) verbunden. Die Grundplatte (die wie Kapsid und Injektionsapparat aus Proteinen aufgebaut ist) ist mit Schwanzfibern (7) und Spikes (8) besetzt, die der Adsorption auf der Wirtszellwand dienen. Der Injektionsapparat besteht aus einem dünnen Rohr, auch Schwanzrohr (6) genannt, durch das die Phagen-DNA (3) in die Wirtszelle injiziert wird. Das Rohr wird von einer kontraktilen Schwanzscheide umhüllt, die sich während der Injektion zusammenzieht. Das Kapsid ist mit ikosaedrischer Symmetrie aus 152 Kapsomeren aufgebaut und enthält die DNA des Phagen. Aufgrund dieses Aufbaus zählen die Phagen der Gattung T4-ähnliche Viren (Familie Myoviridae) zu den strukturell komplexesten Viren.
Phagen mit einzelsträngiger DNA sind dagegen meist klein, sphärisch und schwanzlos oder filamentös. Die ebenfalls auftretenden RNA-Phagen bestehen meist (soweit bis zu diesem Zeitpunkt beschrieben) aus einer Proteinhülle, die ein einsträngiges RNA-Molekül umschließt. Der Durchmesser dieser Phagen beträgt etwa 25 nm, sie gehören also zu den kleinsten Phagen.
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E. coli-T2-Bakteriophage; Kapsid axial geschnitten
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Lysehof von Bacillus-Phage Gamma bei Bacillus anthracis, rechts unbefallene Einzelkolonie
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Synechococcus-Phage S-PM2 aus Meerwasser
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Lambda-Phage ( Escherichia-Virus Lambda); ein schematischer Querschnitt
Vermehrung
Viren benötigen mangels eines eigenen Stoffwechsels zur Reproduktion einen Wirt, im Falle der Bakteriophagen eine geeignete, lebende Bakterienzelle. Die Reproduktion lässt sich in fünf Phasen gliedern:
- Adsorption an spezifische Zellwandrezeptoren: Bei der Adsorption koppeln die Enden der Schwanzfasern an passende Moleküle (Rezeptoren) der Oberfläche des Bakteriums.
- Injektion der Phagen-Nukleinsäure in die Wirtszelle: Die phageneigene Nukleinsäure, DNA bzw. RNA, gelangt in das Bakterium. Die nun funktionslosen Proteine der leeren Phagenhülle bleiben außen auf der Oberfläche des Bakteriums zurück.
- Latenzphase: Während dieser Phase lassen sich im Bakterium keine Phagen nachweisen. Nun beginnt die Transkription des Virusgenoms, die Translation der viralen mRNA und die Replikation der Virusnukleinsäure. Dieser Vorgang dauert maximal einige Stunden.
- Produktionsphase: Nachdem die Phagengene in einer festgelegten Reihenfolge aktiv geworden sind, werden alle Virusbestandteile, Hüllproteine und Schwanzfasern, gebildet.
- Reifephase: In dieser Phase der Morphogenese erfolgt der Zusammenbau (assembly) zu reifen Phagenpartikeln. Zunächst wird ein Kopfteil, das Kapsid, gebildet. Die Proteine im Innern dienen als Platzhalter und werden später durch die Phagen-Nukleinsäure, die in das Kapsid eindringt, ersetzt. Dabei nehmen die Nukleinsäure-Fäden, gleich einem Wollknäuel, eine platzsparende Form an.
- Freisetzung: Die fertigen Viruspartikel werden durch enzymatische Auflösung der Wirtszelle befreit. Das Lysozym, welches von dem umprogrammierten Bakterium gebildet wurde, löst die bakterielle Mureinzellwand auf. Die Zelle platzt, und etwa 200 infektiöse Phagen werden frei.
Die Vermehrung verläuft bei einigen Phagenarten nicht immer nach dem oben beschriebenen, lytischen Schema ab. Bei temperenten Phagen unterscheidet man zwischen lysogenen und lytischen Vermehrungszyklen beziehungsweise Infektionszyklen. Bei einem lysogenen Zyklus wird die DNA des Phagen in das Chromosom des Bakteriums eingebaut, wodurch ein Prophage entsteht. Bei jeder folgenden Zellteilung werden die Gene des Phagen und die des Bakteriums gemeinsam verdoppelt und weitergegeben. Dieser Zyklus kann später in den lytischen Zyklus münden.
Riesenphagen
Doppelstrang-DNA-Phagen mit einer Genomgröße von mehr als 540 kbp werden als Megaphagen bezeichnet, kleinere mit mehr als 200 kbp als Jumbo-Phagen. [6] Die Autoren hatten 2018/2019 Fäkalien von Menschen in Bangladesh und Tansania, sowie von Pavianen in Afrika und Schweinen in Dänemark untersucht. Die Proben enthielten Bakterien der Gattung Prevotella (Prevotellaceae), die von einer Reihe von dsDNA-Megaphagen infiziert waren, die von den Autoren „Lak-Phagen“ (nach dem Ort Laksam Upazila, Bangladesh) genannt wurden. Die gefundenen Phagen wurden (vorläufig) als Lak-A1, Lak-A2, Lak-B1 bis Lak-B9 und Lak-C1 bezeichnet. Es könnte eine lose phylogenetische Beziehung zu „Sphingomonas Phage PAU“[7][8] (dieser Riesenphage infiziert Bakterien der Spezies Sphingomonas paucimobilis, Sphingomonadaceae) und damit zur Phagenfamilie Myoviridae bestehen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass „Lak-Phagen“ „weit verbreitet, aber bisher übersehene Mitglieder des Darm-Mikrobioms“ sind.[6][9][10][11]
Im Februar 2020 veröffentlichten Basem Al-Shayeb und Kollegen eine Analyse, die diese Untersuchungen fortführt.[12] Darin ziehen sie die Grenze für Megaphagen bei 500 kb (was offenbar Basenpaare im doppelsträngigen Fall und Basen oder Nukleotide in einzelsträngigen Fall bedeutet). Die Autoren ziehen es aber vor, alle Phagen mit mehr als 200 kb (also Jumbo-Phagen und Megaphagen) als „englisch huge phages“ (hier mit Riesenphagen übersetzt) zusammengefasst zu betrachten. Die Autoren identifizierten unter dieser Gruppe eine Reihe von zehn Kladen, für die sie folgende Namen vorschlugen: „Kabirphage“, „Mahaphage“ (darunter die Gruppe der „Lak-Phagen“), „Biggiephage“, „Dakhmphage“, „Kyodaiphage“, „Kaempephage“, „Jabbarphage“, „Enormephage“, „Judaphage“ und „Whopperphage“ (alle Namen beziehen sich auf „riesig“ oder engl. „huge“ in den verschiedenen Sprachen der Autoren).[13] Durch ihre Metagenomanalysen verschiedener Proben konnten sie 351 dsDNA-Phagensequenzen identifizieren, davon nur 3 unter 200 kb. Das größte Genom hatte eine Länge von 735 kb (ein Mahaphage, was offenbar neuer Rekord ist; der vorherige lag bei 596 kb); gewöhnliche Nicht-Riesenphagen haben im Mittel lediglich 52 kb. Einige Riesenphagen scheinen einen vom Standard abweichenden Genetischen Code zu benutzen, in dem das Stop-Codon UAG für eine Aminosäure kodiert. Die Wirte sind (meist) Bakterien der Firmicutes oder der Proteobacteria, aber auch – wie bei den Mitgliedern der Mahaphage-Gruppe mit den „Lak-Phagen“ – der Bacteroidetes. Das Genom kodiert neben den phageüblichen Proteinen für tRNAs. Die Phagen interagieren darüber hinaus im CRISPR/Cas-System (siehe CRISPR, CRISPR/Cas-Methode, Genom-Editierung): Alle bedeutenden Typen des Systems waren vertreten, die meisten Phagen schienen aber Cas-Proteine des Wirts zu benutzen um sich selbst zu schützen. Darüber hinaus schienen die Phagen das CRISPR-Immunsystem der Wirte darin zu unterstützen, konkurrierende Phagen abzuwehren. Manche Pseudomonas-infizierende Phagen kodieren auch für Anti-CRISPRs (Acrs) und Proteine, die eine Zellkern-ähnliches Kompartiment bilden, in dem der Phage sein Genom unabhängiger vom Wirt replizieren kann (siehe Viroplasma). Die Autoren sehen ihre Arbeit als einen weiteren Beleg für die weltweite Verbreitung der Riesenphagen. Sie fanden Belege, dass die Phagen zwischen verschiedenen Wirten und Ökosystemen wanderten, was eine Bedeutung für die Verbreitung von Toxin- und Antibiotikaresistenz-Genen hat. Ihre CRISPR-Werkzeuge könnten sich in Zukunft nutzenlassen, um die „Genschere“ CRISPR/Cas zu verbessern und ihre Funktionalität zu erweitern.[12][14][15][16][17][18][19]
Schwanzlose Phagen
Lange Zeit hat die Forschung nur Mitglieder der Ordnung Caudovirales betrachtet, deren Vertreter Phagen (Bakterien- und Archaeenviren) mit Kopf-Schwanz-Struktur sind. Erst in letzter Zeit sind „schwanzlose“ Phagen Gegenstand von Forschungsarbeiten geworden.Einige Vertreter sind:
Haloviren
Unter der informellen (nicht-taxonomischen) Bezeichnung Haloviren (englisch haloviruses) werden Phagen klassifiziert, die halophile Bakterien und Archaeen parasitieren. Dies sind neben der Gattung Myohalovirus[26] (Caudovirales: Myoviridae) mit der vom ICTV bestätigten Spezies Halobacterium virus phiH[27] und der vorgeschlagenen Spezies „Halorubrum phage HF2“[28][29] weitere nicht-klassifizierten ebenfalls noch unbestätigten Spezies „HF1“,[30] „HCTV-1“, „2“ und „5“, „HGTV-1“,[30] „HHTV-1“ und „2“, „HRTV-4“, „5“, „7“ und „8“(Caudovirales[30]), „HSTV-1“ (Caudovirales: Podoviridae[31])[32] und „2“ (Caudovirales: Myoviridae[31]),[33] „HVTV-1 (Caudovirales: Siphoviridae[31]),[34] „Halovirus VNH-1“ („VNH-1“, Fuselloviridae[35])[36] sowie „Haloferax tailed virus 1“ (HFTV1, Caudovirales[37]).[38]
Magroviren
Marine Archaeen der Euryarchaeota werden klassifiziert als Marine Gruppe (englisch Marine Group) II (MG-II, bestehend aus MG-IIa bis MG-IId), III (MG-III) und IV (MG-IV)[39] – die Marine Gruppe I (MG-I) bezeichnet dagegen marine Archaeen der Thaumarchaeota.[40][39][29][41][42]
Mit der ebenfalls nicht-taxonomischen Bezeichnung Magroviren (englisch magroviruses, MArine GROup II viruses) werden Phagen klassifiziert, die Euryarchaeota der ersten genannten Gruppe MG-II parasitieren. Es handelt sich um dsDNA-Viren mit einer Genomgröße von 65–100 kbp mit Kopf-Schwanz-Struktur: „Magrovirus A“, „Magrovirus B1“ und „B2“, sowie „Magrovirus C“ und (vermutet) „Magrovirus D“.[39][29]
Anwendungsgebiete
Phagen haben in Medizin, Biologie, Agrarwissenschaften, vor allem im Bereich der Gentechnologie, ein breites Anwendungsspektrum gefunden. So verwendet man Phagen in der Medizin aufgrund ihrer Wirtsspezifität zur Bestimmung von bakteriellen Erregern. Dieses Verfahren nennt man Lysotypie. Aufgrund der immer häufiger auftretenden multiplen Antibiotikaresistenzen wird zurzeit intensiv an der Anwendung von Bakteriophagen als Antibiotika-Ersatz in der Humanmedizin (siehe: Phagentherapie) geforscht. Probleme ergeben sich hierbei durch die geringe Stabilität von Phagen im Körper, da sie in recht kurzer Zeit durch Fresszellen als Fremdkörper beseitigt werden. Diese Anwendung von Phagen zur Therapie bakterieller Infektionen entdeckte Felix d’Hérelle (s. o.) lange vor Entdeckung des Penicillins und der Antibiotika. Später wurde die Phagentherapie jedoch mit der Einführung der Chemotherapie per Antibiotika als unpraktisch erachtet und geriet in Vergessenheit. D’Hérelle gründete 1934 zusammen mit dem georgischen Mikrobiologen Georgi Eliava in Georgien das Eliava-Institut für Phagenforschung, welches heute noch besteht.[43] Heute wird dort sowie am Ludwik-Hirszfeld-Institut für Immunologie und Experimentelle Therapie in Breslau (Teil der Polnischen Akademie der Wissenschaften) die Phagentherapie bei ansonsten therapieresistenten bakteriellen Infektionen durchgeführt.[2] In Deutschland ist die Anwendung zu therapeutischen Zwecken ist die bisher nicht zulässig.
Die Anwendungen in der Lebensmittelproduktion sind vielfältig; so kommt beispielsweise ein Sprühnebel aus Phagen beim Verpacken von Würstchen oder dem Aufschneiden von Käseaufschnitt zum Einsatz.[44]
In der Gentechnik werden temperente Phagen als Vektoren (z. B. der Phage λ) benutzt. Hierzu werden Phagen so präpariert, dass ihrem Genom die Gene, welche die Virulenz hervorrufen, entnommen und durch Gene ersetzt werden, die für gentechnologische Belange interessant sind, wie beispielsweise Gene, die zur Insulinproduktion benötigt werden. Diese veränderten Phagen werden nun mit geeigneten Bakterien, zum Beispiel E. coli, in Kontakt gebracht. Nach einer Überprüfung, ob das gewünschte Gen in die Erbsubstanz des Bakteriengenoms integriert wurde (man bedient sich hierzu genexprimierter Antibiotikaresistenzen, die an die zu klonierenden Wunschgene angeschlossen werden) können die modifizierten Bakterienzellen weiterkultiviert werden und das in diesem Falle produzierte Insulin isoliert werden. Ähnlich werden Phagen in der Agrartechnologie zur Transduktion bestimmter Gene in Nutzpflanzen eingesetzt. Eine wichtige Anwendung in der Biochemie ist das Phagen-Display zur Identifikation von Bindungspartnern, z. B. bei der Isolierung neuer Wirkstoffe.
Einfacher als die Nutzung von Phagen ist jedoch die Transformation freier DNA, die heutzutage überwiegend zum Transfer in die Bakterienzellen verwendet wird.
Phagen und -Bestandteile werden für die Entfernung von mikrobiellen Verunreinigungen in Lebensmitteln (z. B. per affinitätsmagnetischer Separation) sowie mit Endotoxinen kontaminierte Laborproben verwendet.[45][46] Des Weiteren ergeben sich humandiagnostische Anwendungen, vor allem im klinischen Bereich zur Dekolonisierung von pathogenen Krankenhauskeimen wie MRSA.[47][48] Durch Proteindesign lassen sich die Phagenproteine zum jeweiligen Anwendungszweck optimieren.
Möglicher wirtschaftlicher Schaden
Bakteriophagen können überall dort Schaden anrichten, wo bakterielle Prozesse dem Menschen dienen und erwünscht sind. Infektion von Milchsäurebakterien (LAB) durch Phagen aus Rohmilch ist die häufigste Ursache für verringerte oder fehlende Enzymaktivität in Starterkulturen für die Käse- oder Dickmilchproduktion.[49]
Klassifikation
Die prokarytischen Viren (Bakterien- und Archaeenviren, „Bakteriophagen“) bilden keine geschlossene Verwandtschaftsgruppe (Taxon).
Klassifikation nach Baltimore
Nach der Baltimore-Klassifikation lassen sich Phagen wie folgt gruppieren:
- dsDNA-Bakteriophagen:
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- Familie: Myoviridae
- Familie: Siphoviridae
- Familie: Podoviridae
- Familie: Tectiviridae
- Familie: Corticoviridae
- Familie: Plasmaviridae
- Familie: Lipothrixviridae
- Familie: Rudiviridae
- Familie: Fuselloviridae[50]
- Familie: Halspiviridae (mit Gattung: Salterprovirus[51] und Spezies Salterprovirus His1 alias His 1 virus[52])
- Familie: Guttaviridae
- Familie: Akkermanviridae
- Familie: Bicaudaviridae
- Familie Thaspiviridae (mit Gattung Nitmarvirus und Spezies Nitmarvirus NSV1[53] alias Nitrosopumilus maritimus virus 1)
- Familie „Autolykiviridae“ (vorgeschlagen, s. o.)
- ssDNA-Bakteriophagen:
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- Familie Finnlakeviridae
- Familie: Inoviridae[54]
- Familie: Microviridae
- Sonderfall
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- Familie Pleolipoviridae (mit Gattung Gammapleolipovirus und Spezies Gammapleolipovirus His2 alias His 2 virus, Haloarcula virus His2[55])
- dsRNA-Bakteriophagen:
-
- Familie: Cystoviridae
- ssRNA-Bakteriophagen:
-
- Familie: Leviviridae
Taxonomische Klassifizierung nach ICTV
In der Systematik der Virus-Taxonomie nach dem International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) finden sich Phagen in folgenden taxonomischen Gruppen:
Bereich | Ordnung | Familie | Morphologie | Genom | Beispiele |
---|---|---|---|---|---|
Riboviria | Levivirales | Leviviridae | unbehüllt, isometrisch[57] | ssRNA, linear | MS2, Qβ |
Mindivirales | Cystoviridae | behüllt, sphärisch | dsRNA, segmentiert | Phi6 | |
Varidnaviria | Belfryvirales | Turriviridae | behüllt, isometrisch | dsDNA, linear | STIV1 |
Halopanivirales | Sphaerolipoviridae | behüllt, isometrisch | dsDNA, linear | ||
Kalamavirales | Tectiviridae | unbehüllt, isometrisch | dsDNA, linear | PRD1 | |
Vinavirales | Corticoviridae | unbehüllt, isometrisch | dsDNA, zirkulär | PM2 | |
Duplodnaviria | Caudovirales | Ackermannviridae | unbehüllt, kontraktiler Schwanz | dsDNA, linear | ϕMAM1 |
Autographiviridae | unbehüllt, kontraktiler Schwanz | dsDNA, linear | Acintetobacter-Phage P2 | ||
Myoviridae | unbehüllt, kontraktiler Schwanz | dsDNA, linear | T4, Mu, P1, Coliphage P2 | ||
Siphoviridae | unbehüllt, nichtkontraktiler Schwanz (lang) | dsDNA, linear | λ, T5, HK97, N15 | ||
Podoviridae | unbehüllt, nichtkontraktiler Schwanz (kurz) | dsDNA, linear | T7, T3, Φ29, P22 | ||
Monodnaviria | Haloruvirales | Pleolipoviridae | behüllt, pleomorph | ssDNA, zirkulär / dsDNA, zirkulär / dsDNA linear | HHPV1, HRPV1 |
Petitvirales | Microviridae | unbehüllt, isometrisch | ssDNA, zirkulär | ΦX174 | |
Tubulavirales | Inoviridae | unbehüllt, filamentös | ssDNA, zirkulär | M13 | |
nicht zugeordnet | Ligamenvirales | Lipothrixviridae | behüllt, stabförmig | dsDNA, linear | AFV1 |
Rudiviridae | unbehüllt, stabförmig | dsDNA, linear | SIRV1 | ||
nicht zugeordnet | nicht zugeordnet | Ampullaviridae | behüllt, flaschenförmig | dsDNA, linear | ABV |
Bicaudaviridae | unbehüllt, zitronenförmig | dsDNA, zirkulär | ATV | ||
Clavaviridae | unbehüllt, stabförmig | dsDNA, zirkulär | APBV1 | ||
Finnlakeviridae | dsDNA | FLiP[58] | |||
Fuselloviridae | unbehüllt, zitronenförmig | dsDNA, zirkulär | |||
Globuloviridae | behüllt, isometrisch | dsDNA, linear | |||
Guttaviridae | unbehüllt, ovoid | dsDNA, zirkulär | SNDV, APOV1 | ||
Plasmaviridae | behüllt, pleomorph | dsDNA, zirkulär | L2-Phage | ||
Portogloboviridae | behüllt, isometrisch | dsDNA, zirkulär | |||
Spiraviridae | unbehüllt, stabförmig | ssDNA, zirkulãr | |||
Tristromaviridae | behüllt, stabförmig | dsDNA, linear | TTSV1 |
Die Mitglieder der Familie Picobirnaviridae (Ordnung Durnavirales) scheinen ebenfalls Bakterien zu infizieren, keine Säugetiere.[59]
Eine weitere vorgeschlagene Phagenfamilie sind die „Autolykiviridae“ (dsDNA).[21]
Einzelnachweise
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- ↑ Ed Yong: A Huge Discovery in the World of Viruses, auf: The Atlantic vom 20. Februar 2020
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- ↑ Daniela Albat: Phage mit rekordgroßem Genom entdeckt, auf: scinexx vom 18. Februar 2020
- ↑ Jan Osterkamp: Anti-CRISPR soll CRISPR besser machen, auf: Spektrum.de vom 16. Januar 2020
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- ↑ Scientists Find New Type of Virus in World’s Oceans: Autolykiviridae, auf: sci-news vom 25. Januar 2018
- ↑ Forscher entdecken ein mysteriöses Virus, das die Ozeane dominiert, auf: business insider vom 29. Januar 2018
- ↑ Never-Before-Seen Viruses With Weird DNA Were Just Discovered in The Ocean, auf: sciencealert vom 25. Januar 2018
- ↑ NCBI: Autolykiviridae (family) – unclassified dsDNA viruses
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Weblinks
- Aufbau und Vermehrung mit Animation
- Bakteriophagen und Phagentherapie: Fragen und Antworten im Überblick, Informationen des Leibniz-Instituts DMSZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH) in Braunschweig
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zu Bakteriophagen
- Webseite des Eliava-Instituts
- Phagentherapie am Ludwik-Hirszfeld-Institut für Immunologie und Experimentelle Therapie, Breslau
- Phagentherapie gegen Lungenentzündung, Forschungsprojekt in Paris
- Phagoburn, EU-Forschungsprojekt zur Phagentherapie bei Brandverletzten
- „Bakterienfresser“ statt Antibiotika, VDI-Nachrichten, 25. September 2015
- Heilende Viren – Infektionen bekämpfen mit Bakteriophagen Radiosendung, Bayern 2, 29. September 2012, abgerufen am 25. September 2015
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Aufbau und Infektionszyklus von Phage T4. 1: Bindung an Bakterium, 2. Injektion der Phagen-DNA, 3. Synthese von Phagen-Komponenten, 4. Zusammenbau neuer Phagen, 5. Platzen des Bakteriums, Freisetzung infektiöser Phagen. | Eigenes Werk | Guido4 | Datei:11 Hegasy Phage T4 Wiki D CCBYSA.png | |
Bacillus anthracis Lysehof durch Gamma-Phagen rechts unbefallene Einzelkolonie | Übertragen aus de.wikipedia nach Commons durch ×× mithilfe des CommonsHelper . Dieses Medium stammt aus der Public Health Image Library (PHIL), mit der Identifikationsnummer #1883 der Centers for Disease Control and Prevention . Hinweis: Nicht alle PHIL-Bilder sind gemeinfrei; überprüfe unbedingt den Urheberrechtsstatus und die Nennung der Autoren und Inhaltsanbieter. العربية Deutsch English македонски slovenščina +/− | Datei:Bacillus anthracis Lyse.jpg | ||
Structure of Bacteriophage T4. Head Tail Nucleic acid Capsid Collar Sheath Tail fiber Spikes Baseplate | Y_tambe's file | user:Y_tambe | Datei:Bacteriophage structure.png | |
T-Coliphage Längsschnitt | Eigenes Werk ( Originaltext: Selbst gezeichnet ) | Leonhard von Welser | Datei:Bakteriophage T2 geschnitten.png | |
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Negative stain electron micrograph of the gamma phage from which the PlyG lytic enzyme was cloned for use to control B. anthracis. | Powledge TM: New Antibiotics—Resistance Is Futile. PLoS Biol 2/2/2004: e53. doi:10.1371/journal.pbio.0020053 | (Photograph courtesy of Vincent Fischetti and Raymond Schuch, The Rockefeller University.) | Datei:Gamma phage.png | |
Schematischer Querschnitt durch einen Lambda-Phagen (Familie: Drexlerviridae, Morphotyp: Siphoviren) | Diese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet: Lambda-Phage-01.jpg : | Lambda-Phage-01.jpg : Gleiberg derivative work: Hic et nunc | Datei:Lambda-Phage-01.png | |
bacteriophage lysogenic and lytic cycle | Phage2.JPG Tevenphage.svg | Phage2.JPG : Suly12 Tevenphage.svg : Adenosine (original); en:User:Pbroks13 (redraw) derivative work: Marek M ( talk ) | Datei:Lysogenic and lytic cycle.svg | |
A Transmission Electron Microscope Image of the Synechococcus Phage S-PM2 | The Third Age of Phage. Mann NH, PLoS Biology Vol. 3/5/2005, e182 doi:10.1371/journal.pbio.0030182 | (Image: Hans-Wolfgang Ackermann) | Datei:Phage S-PM2.png |