Der Kaiser von Atlantis

Der Kaiser von Atlantis, oder die Tod-Verweigerung ist eine Kammeroper von Viktor Ullmann, das Libretto verfasste Ullmann unter Mitarbeit von Peter Kien, beide befanden sich damals als Häftlinge im Ghetto Theresienstadt. Das Werk wurde in den Jahren 1943 und 1944 in Theresienstadt geschaffen. Erst am 16. Dezember 1975 wurde die Oper in Amsterdam uraufgeführt.
Entstehung
Sowohl Ullmann als auch Kien waren Häftlinge in Theresienstadt. Im Sommer 1944 wurde das Werk im Rahmen der Freizeitgestaltung geprobt, aber nach der Generalprobe abgesetzt, dieser Vorgang ist heute nicht mehr rekonstruierbar, wie Herbert Thomas Mandl berichtete, der zu dieser Zeit in Theresienstadt als Sekretär der jüdischen Selbstverwaltung arbeitete und selbst den Probenprozess mitverfolgte.[1]
Ullmann und Kien starben im Konzentrationslager Auschwitz. Ullmann vertraute seine Manuskripte zwei seiner Mitgefangenen an, die überlebten: Emil Utitz, einem ehemaligen Professor für Philosophie an der Deutschen Universität in Prag, der als Bibliothekar des Lagers wirkte, und an Hans Günther Adler, von ihm hatte Ullmann einige von seinen Dichtungen vertont. Die Oper wurde erstmals 1975 von De Nederlandse Opera im Bellevue Zentrum[2] in Amsterdam gespielt, auf der Grundlage einer Ausgabe von Kerry Woodward, der auch musikalischer Leiter der Aufführung war.
Fassungen
Die Produktion der Uraufführung wurde im Jahr 1976 in Brüssel und Spoleto wiederholt, diese Einrichtung wurde auch für die erste amerikanische Aufführung im April 1977 von der San Francisco Opera (Theater Frühling) verwendet. Am 18. Mai 1977 präsentierte das New Opera Theater New York seine Premiere im Lepercq Raum mit der Brooklyn Academy of Music. Alle diese Ausführungen wurden von Woodward durchgeführt.
Im Jahr 1981 erarbeiteten Michael Graubart und Nicholas Till eine Ausgabe, die der von Hans Günther Adler geretteten Partitur weit getreuer folgte. Sie verwarf nicht alle Entscheidungen von Woodward. Die Ausgabe von Graubart und Till war die Grundlage für die britische Premiere vom 15. Mai 1981 bis zum Studio Theatre of Morley College in London und den Vorstellungen im Imperial War Museum im Mai 1985.

Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Partitur wurde von 1992 bis 1998 durch Ingo Schultz gemacht auf Grundlage von Dokumenten und Berichten von überlebenden Künstlern aus Theresienstadt: Karel Berman (dem Sänger der Partie des Todes der Theresienstädter Proben und dessen Rollenbuch der Oper), Herbert Thomas Mandl (Violinist in Produktionen von Ullmann in Theresienstadt) sowie Paul Kling (Geiger und Konzertmeister der Theresienstädter Proben der Oper[3]). Zum ersten Mal waren somit überlebende Musiker des Lagers an einer Produktion beteiligt. Darauf legte der Regisseur Herbert Gantschacher größten Wert, denn die Ausgabe erarbeitet von Schultz mit Berman, Kling und Mandl war die Grundlage der Produktion von ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater, die in Österreich (Klagenfurt, Hallein, Wien 1993–2001), in der Tschechischen Republik 1993 in Prag im Národní Památník (Musiktheaterproduktion des Jahres 1993 in der Tschechischen Republik[4]), sowie 51 Jahre nach der Generalprobe 1995 in Theresienstadt, ferner 1998 im Prager Messepalast, außerdem in Deutschland (Hellerau, Dresden 1994), Schweden (Stockholm, Kulturhuset 1995), Kanada (National Arts Centre Ottawa[5][6],[7] Montreal 1994–1996) und in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 1998, darunter ein Auftritt im United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C.[8] und Los Angeles Museum of the Holocaust im American Legion Gebäude in Hollywood unter der Schirmherrschaft von E. Randol Schoenberg, dem Enkel des Komponisten Arnold Schönberg.[9]
1989 und 2000 spielte die Neuköllner Oper in Berlin eine Fassung von Winfried Radeke.[10] 1992 gab es am Staatstheater Saarbrücken eine Produktion von Ullmanns Werk, die vom Schott-Verlag betreut wurde. Die Originalversion benutzte auch der Regisseur Tibor Egervari[11] 1998 für seine Inszenierung in Halifax (Nova Scotia / Kanada).[12] Andere erfolgreiche Vorstellungen wurden von der City Opera Vancouver (2009), der Long Beach Opera (2009), der Boston Lyric Opera (2011), Dioneo Opera (London, 2011), durch die English Touring Opera in London und anderen Städten in Großbritanniens (2012) und der Staatsoper Berlin (2013) produziert. In Italien wurde das Werk 2002 am Teatro Massimo in Palermo inszeniert, im Jahr 2003 in Batesville (Regisseur Giuseppe Bruno, Übersetzung des Librettos ins Italienische von Valerio Valoriani), im Jahr 2004 beim Festival dei due mondi in Spoleto (Regisseur James Conlon) sowie am 11. März 2010 in Barletta (Regie: Paul Candido), am 27. September 2012 im Teatro Verdi in Muggia und am 2. Oktober 2012 in Risiera di San Sabba bei Triest, dem einzigen Konzentrationslager auf italienischem Staatsgebiet (Regie: Lino Marrazzo, Leitung: Davide Casali, Bühnenbild: Endree Kosturi). Die Gruppe "Opera Moderne, NYC" und die "Schlüterwerke" brachten 2012 diese Oper in New York heraus (Regie: Markus Kupferblum). Diese Produktion war dann 2013 auch in Wien zu sehen in der Maria Theresienkaserne, die 1941 erbaut wurde und der Waffen-SS als Stützpunkt diente.
Rollen
Rolle | Stimmfach | Theresienstadt Proben |
Uraufführung 16. Dezember 1975 |
Premiere in Theresienstadt (51 Jahre nach der Generalprobe) ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater am 23. Mai 1995 |
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Kaiser Overall | Bariton | Walter Windholz[13] | Meinard Kraak[14] | Steven Swanson[15] |
Der Lautsprecher | Bassbariton | Bedrich Borges[13] | Lodewijk Meeuwsen[14] | Rupert Bergmann[15] |
Ein Soldat | Tenor | David Grünfeld[13] | Rudolf Ruivenkamp[14] | Johannes Strasser[16] |
Harlekin (Pierrot) | Tenor | David Grünfeld[13] | Adriaan van Limpt[14] | Johannes Strasser[16] |
Bubikopf (Ein Mädchen) | Sopran | Marion Podolier[13] | Roberta Alexander[14] | Stefanie Kahl[16] |
Der Tod | Bassbariton | Karel Berman[13] | Tom Haenen[14] | Krassimir Tassev[16] |
Der Trommler | Mezzosopran | Hilde Aronson‐Lindt[13][17] | Inge Frölich[14] | Ingrid Niedermair[16] |
Inhalt
- Prolog
Der Lautsprecher stellt die Oper und deren Charaktere vor.
- Szene 1
Der Tod als ein abgedankter Soldat in einer Uniform der k.u.k. Wehrmacht und Harlekin, der das Leben darstellt, reflektieren über Tod und Leben. Es tritt der Trommler auf und verkündet im Namen seiner Majestät des Kaisers Overall den Krieg aller gegen alle. Der Tod zerbricht sein Schwert und verweigert seine Dienste.
- Szene 2
Von seinem Palast aus versucht der Kaiser mit Hilfe des Lautsprechers als Beobachter der Schlachten, den Krieg zu gewinnen. Doch eine seltsame Krankheit ist ausgebrochen, die Soldaten können nicht sterben. Da der Erreger dieser Krankheit nicht gefunden werden kann, verspricht der Kaiser allen das ewige Leben.
- Szene 3
Im Nahkampf stellen sich zwei Soldaten dem Kampf, wobei im Verlaufe dieses Zweikampfes sich der eine, Bubikopf genannt, als Mädchen entpuppt. Sie verlieben sich, vergeblich versucht der Trommler die beiden zur Fortführung des Kampfes zu bewegen, die Liebe der beiden siegt und beide weigern sich, des Kaisers Trommler zu folgen.
- Szene 4
Der Kaiser versucht den Krieg weiterzuführen. Eine Revolte bricht gegen Kaiser aus. Schließlich tritt der Tod dem Kaiser im Spiegelbild entgegen. Der Tod wäre bereit, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, wenn der Kaiser der erste sei, dem zu folgen. Der Kaiser nimmt Abschied und geht in den neuen Tod. Im Schlusschoral der Oper heißt die letzte Zeile als moralische Botschaft an alle: "Du sollst den großen Namen Tod nicht eitel beschwören".
Ausgabe
- Henning Brauel/Andreas Krause (Hrsg.): Der Kaiser von Atlantis oder die Todverweigerung (Partitur) bei Schott 1992.
Literatur
- Theodor Veidl: "Viktor Ullmann, der Lineare". In: Der Auftakt 9, 1929, S. 77–78.
- Spuren zu Viktor Ullmann. Mit Beiträgen von Viktor Ullmann, Herbert Thomas Mandl, Paul Kling, Dževad Karahasan, Ingo Schultz, Jean-Jacques Van Vlasselaer und Herbert Gantschacher (Hrsg. ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater / Wien: edition selene 1998), ISBN 3-85266-093-9.
- Herbert Thomas Mandl „Spuren nach Theresienstadt“ (über Theresienstadt und Viktor Ullmann) DVD, ARBOS Wien-Salzburg-Klagenfurt 2007
- Initiative Hans Krása, Verein der Freunde und Förderer der Theresienstädter Initiative e.V. (Hrsg.): Komponisten in Theresienstadt. 2. Auflage. Hamburg 2001, ISBN 3-00-005164-3.
- „Zeuge und Opfer der Apokalypse“ Ausstellungskatalog über Viktor Ullmann, Erster Weltkrieg und die Oper „Der Kaiser von Atlantis oder Die Todt-Verweigerung“ von Herbert Gantschacher, ARBOS Wien-Salzburg-Klagenfurt-Arnoldstein-Prora 2007–2008[18]
- Erich Heyduck / Herbert Gantschacher „Viktor Ullmann - Weg an die Front 1917“ DVD ARBOS Wien-Salzburg-Klagenfurt 2007.
- Hans-Günter Klein (Hrsg.): Viktor Ullmann - MaterialienHamburg 1997, ISBN 3-928770-40-3.
- Ingo Schultz: Viktor Ullmann. Leben und Werk. Kassel 2008, ISBN 978-3-476-02232-5.
- Ingo Schultz: Ullmann und andere. musica reanimata Mitteilungen Nr. 73/74, Berlin 2010, ISSN 0943-5093
- Viktor Ullmann: 26 Kritiken über musikalische Veranstaltungen in Theresienstadt. Hrsg. und kommentiert von Ingo Schultz, ISBN 3-928770-08-X, zweite Auflage. Neumünster 2011.
- Holden, Amanda (Ed.), The New Penguin Opera Guide, New York: Penguin Putnam, 2001, ISBN 0-14-029312-4.
- Conway, James, "The Emperor of Atlantis: Director's Notes" in: English Touring Opera's Autumn 2012 programme book, S. 22–23.
- Fligg, David (Ph.D.), Creativity in Adversity in: English Touring Opera's Autumn 2012 programme book, S. 24–29.
Diskografie
- Der Kaiser von Atlantis (Oper) + Hölderlin-Lieder (1943/44); Ausf.: Kraus, Berry, Vermillion, Mazura, Lippert, Gewandhausorchester Leipzig, Dir: Zagrosek; Decca 1994.
- Der Kaiser von Atlantis Ersteinspielung der Originalfassung für Kammerorchester durch ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater produziert von Studio Matouš Prag 1995.
Weblinks
- Ghetto Theresienstadt Info: Der Kaiser von Atlantis
- Siglind Bruhn: Kunst als politische Provokation: Der Kaiser von Atlantis in Terezín
- Dominik Troger: Der Kaiser von Atlantis
- Rob Barnett, Music Web International review of Studio Matouš recording, October 2003
- "The Emperor of Atlantis" - Tracks to World War I
- "Viktor Ullmann, Witness and Victim of the Apocalypse" – An Exhibition
- Reynolds, Mike, Review of 2012 English Touring Opera performance on musicalcriticism.com
- Connolly, Kate, "Viktor Ullmann's opera written in Nazi concentration camp revived in Berlin", The Guardian (London), 24. Mai 2013
- TRANS for Cultural Studies "The Limits of Virtual Reality - Viktor Ullmann - Georg Friedrich Nicolai - Andreas Latzko"
- Viktor Ullmann „The Emperor of Atlantis or The Disobidience of Death“ at the American Legion Building in Hollywood, Los Angeles reviewed by the Los Angeles Times
- Herbert Gantschacher über Viktor Ullmann, Andreas Latzko und Georg Friedrich Nicolai: The Limits of Virtual Reality or Our deal with the past and future
Nachweise
- ↑ youtube.com
- ↑ Theater Bellevue.
- ↑ austrian-canadian-council.ca
- ↑ muzikus.cz
- ↑ austrian-canadian-council.ca
- ↑ austrian-canadian-council.ca
- ↑ ncos.ca
- ↑ thefreelibrary.com
- ↑ articles.latimes.com
- ↑ Die Neukoellner Oper spielt wieder Ullmanns Kaiser von Atlantis
- ↑ ecampus.com
- ↑ austrian-canadian-council.ca
- 1 2 3 4 5 6 7 Jacobo Kaufmann: The Emperor of Atlantis in Terezin. All About Jewish Theatre; abgerufen am 15. März 2013.
- 1 2 3 4 5 6 7 Gherardo Casaglia: Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung. AmadeusOnline; abgerufen am 15. März 2013.
- 1 2 "The Emperor of Atlantis or The Disobedience of Death" - Terezín, Mai 1995
- 1 2 3 4 5 Theresienstädter Gedenkfestival 21.-23. Mai 1995 unter der Schirmherrschaft von Karel Berman.
- ↑ Karas, S. 35.
- ↑ youtube.com