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El Lissitzky

Fotografisches Selbstporträt aus dem Jahr 1914

Eliezer „El“ Lissitzky (russisch Эль Лисицкий, wiss. Transliteration Ėl' Lisickij; eigentlich Лазарь Маркович Лисицкий / Lasar Markowitsch Lissitzki   anhören?/i; * 10. Novemberjul./ 22. November 1890greg. in Potschinok, Russland; † 30. Dezember 1941 in Moskau) war ein bedeutender russischer Avantgardist und hat durch vielfältige Aktivitäten in den Bereichen Malerei, Architektur, Grafikdesign, Typografie und Fotografie sowohl theoretisch als auch praktisch maßgeblich zur Realisierung und Verbreitung konstruktivistischer Ideen beigetragen.

Leben und Werk

Nach Kindheit und Jugend in Smolensk bewarb sich El Lissitzky 1909 an der Kunsthochschule von Sankt Petersburg, wurde dort aber als Jude abgewiesen. Wie viele andere Russen in seiner Lage ging er daraufhin nach Deutschland und studierte 1909–1914 Architektur und Ingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule Darmstadt; das Studium schloss er mit dem Diplom 1915 ab.

In der Oktoberrevolution 1917 sah Lissitzky einen künstlerischen und sozialen Neubeginn für die Menschheit. Die Themen seines Werks sind stark von seiner politischen Einstellung geprägt. 1918 wurde er Mitglied der Abteilung für Bildende Künste (ISO, russisch Изобразительный Отдел) der Kulturabteilung NARKOMPROS in Moskau.

El Lissitzky übte verschiedene Lehrtätigkeiten aus, unter anderem ab 1919 an der Kunsthochschule im weißrussischen Wizebsk (vom damaligen Direktor Marc Chagall angeworben; an der Hochschule lehrte auch Kasimir Malewitsch). 1920–1921 war er Leiter der Architekturabteilung der Wchutemas in Moskau.

Die Erste Russische Kunstausstellung Berlin 1922, für deren Organisation und Gestaltung Lissitzky aktive Mitarbeit leistete und dessen Katalog seine Titelseite prägte, zeigte seine Gemälde Stadt, Proun 2c und Proun 19d sowie Buchillustrationen und weitere Werke.

Von Lissitzky erstellter Bucheinband aus dem Jahr 1922

Er prägte mit seinem Stil die Gestaltung seiner Zeit. Er war Mitbegründer des Konstruktivismus und stark beeinflusst durch den Suprematismus. Geometrische Elemente wurden in einen für jedermann verständlichen politischen Symbolismus verwandelt. In dieser Zeit entstanden auch seine experimentellen Entwürfe mit dem Namen Proun, einem Akronym für «Projekt für die Behauptung des Neuen», welches als Weiterführung des Suprematismus in die dritte Dimension verstanden werden kann. Mit seiner Ablehnung des ihn gestalterisch einschränkenden Gutenbergschen Bleisatzes sah El Lissitzky früh die Wende zum Fotosatz voraus. Seine Proun-Bilder sind Bildkompositionen aus geometrischen Figuren, die eine räumliche Wirkung auf der zweidimensionalen Fläche erzielen. Als ausgebildeter Architekt sah El Lissitzky seine Arbeit als Interaktion zwischen Architektur und Malerei. Sein Werk beeinflusste dann die De-Stijl-Bewegung und das Bauhaus.

1923 erkrankte er an Tuberkulose, die er in einem Sanatorium in Locarno behandeln ließ. In Berlin gab er mit Ehrenburg die dreisprachige Kunstzeitschrift Vešč – Objet – Gegenstand heraus. Zusammen mit Kurt Schwitters arbeitete er an der Zeitschrift Merz. Nach längerem Aufenthalt in Deutschland und der Schweiz (1921–1925) kehrte er 1925 in die Sowjetunion zurück und unterrichtete bis 1930 an der Moskauer Kunsthochschule Wchutemas in der Abteilung Stahl und Metalle.

Er pflegte Künstlerbekanntschaften mit Hans Arp (gemeinsame Arbeit an der Schrift Die Kunstismen, die 1925 veröffentlicht wurde), Kasimir Malewitsch, Jan Tschichold und Willi Baumeister. 1927–1928 bekam er den Auftrag zur Gestaltung des Abstrakten Kabinetts in der Niedersächsischen Landesgalerie Hannover. 1928 war er künstlerischer Leiter bei der Gestaltung des Sowjet-Pavillons auf der internationalen Presseausstellung Pressa in Köln.

Lissitzkys Plakat- Werbung für die Pelikan AG in Hannover, 1929

In Hannover hatte er 1922 die Kunsthistorikerin Sophie Küppers kennengelernt, 1927 heiratete das Paar und lebte in Moskau. In den 1930er Jahren war er Mitglied der Künstlerbewegung Abstraction-Création in Paris. Seit 1931 war er leitender Künstler-Architekt der ständigen Bauausstellung im Kulturpark Gorki in Moskau und ab 1932 ein ständiger Mitarbeiter als Buchkünstler für die Zeitschrift USSR im Bau.

Von 1909, dem Jahr des Studienantritts in Darmstadt, und bis zu seinem Tod am 30. Dezember 1941 (durch Tuberkulose), pendelte El Lissitzky zwischen Deutschland und Russland, weshalb auch ein Teil seines Werkes eher mit der westlichen, zumal der deutschen und holländischen Avantgarde verbunden ist, ein anderer Teil jedoch - und das gilt v. a. für die Theorie -, der östlichen, russischen Avantgarde näher steht[1].

Vermächtnis

El-Lissitzky-Allee in Schwalbach

Lissitzky beschäftigte sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Ideen; dies hatte eine große Auswirkung auf die zeitgenössische Kunst, insbesondere auf den Gebieten Grafikdesign, Ausstellungsgestaltung und Architektur. Einige seiner Werke wurden postum auf der documenta III im Jahr 1964 in Kassel gezeigt.

In Schwalbach am Taunus gestaltete 2005 der Darmstädter Künstler Gerhard Schweizer die El-Lissitzky-Allee aus 3 mal 5 Betonstelen. Im Vorübergehen erschließt sich der Text auf den 3,60 - 5,10 m hohen Säulen nach und nach.

Im Oktober 2013 wurde bekannt, dass der private Nachlass El Lissitzkys und seiner Frau Sophie Lissitzky-Küppers von dem Sohn Jen Lissitzky dem Sprengel Museum Hannover überlassen wird.[2]

Werke (Auswahl)

Lithografien

  • Proun. 1. Kestnermappe
  • Mappe zur Oper Sieg über die Sonne

beide auf Einladung und mit Unterstützung der Kestner-Gesellschaft in Hannover entstanden.

Grafische Arbeiten

  • Layout des Titelbildes des amerikanischen Kulturmagazins Broom
  • Werbekampagnen für die Pelikan AG Hannover
  • Mitarbeit an der Merz Zeitschrift von Kurt Schwitters (Nr. 8/9, 1924)
  • Leib Kwitko: Vaysrussische folksmayses, Zeichnungen L. Lissitzky, Kniga, Berlin 1923
  • Leib Kwitko: Ukraynishe folksmayses, Zeichnungen L. Lissitzky, Kniga, Berlin 1922

Publikationen

  • Die Kunstismen, (mit Hans Arp) Zürich 1925
  • SSSR's Architektur in Das Kunstblatt, Jahrgang 1925, Heft 2, S. 49 - 53.
  • Proun und Wolkenbügel. Schriften, Briefe, Dokumente. Verlag der Kunst, Dresden 1977 (Fundus-Reihe 46)

Architektur, Entwürfe

Lenin-Tribüne, 1920. Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Lenin-Tribüne
Die Idee einer Rednertribüne entstand 1920 in Witebsk, wo Lissitzky bei Marc Chagall als Professor der Höheren Kunstwerkstätten seit 1919 tätig war. Dort stellte er seinen Schülern die Aufgabe, eine Rednertribüne zu entwerfen. Der Entwurf von Ilja Grigorjewitsch Tschaschnik ist die Grundlage für die von Lissitzky 1924 weiter entwickelte Tribüne. Der Entwurf zeigt eine dynamische Anordnung von Farbflächen, die horizontal und diagonal orientiert sind. Verbunden wird dieses lineare Schema durch eine kranartige Eisenkonstruktion, welche auf einem Quadrat als Basis aufliegt. Ein verschiebbares Flächenelement lässt die Tribüne je nach Stellung offen oder geschlossen erscheinen. Ein räumlicher Eindruck wird lediglich durch die Überlagerung von Linien und Flächen erzeugt. Die die das Konzept der Tribüne bestimmende Leitidee ist die räumliche Organisation von Bewegungsabläufen, die in der Körpersprache des Agitators gipfelt. Dabei blieben die konstruktiven oder technischen Merkmale der Tribüne von sekundärer Bedeutung. Lissitzky selbst nennt die 12  m hohe Tribüne „Rednertribüne für öffentliche Plätze“. Das Temporäre des Entwurfs wird durch die Konstruktion dokumentiert – die Tribüne kann fast komplett zerlegt werden, um später an anderer Stelle wieder aufgebaut zu werden. Die diagonal ausziehbare, leiterähnliche Konstruktion mit zwei Plattformen (Warteraum für Gäste und Rednerkanzel) besaß einen gläsernen Aufzug, der die Vortragenden bzw. Gäste zu den jeweiligen Plattformen beförderte. Der Kubus, auf dem die Eisenkonstruktion aufliegt, enthält den Maschinenraum und die Fahrkanzel, die ebenfalls völlig verglast sein sollte. Eine am Ende der Eisenkonstruktion anzubringende Leinwand, die schnell zu entfalten war, diente der Verbreitung von Tagesparolen und sollte nachts als Kinoprojektionsfläche genutzt werden. Sie ist als Hinweis Lissitzkys zu verstehen, dass der Träger über sich selbst hinausweisen soll. In seiner Perspektive lässt Lissitzky das Wort Proletarier erscheinen.
Wolkenbügel
Lissitzky ersinnt in dem 1924 entworfenen Projekt Wolkenbügel eine völlig neuartige Gestalt des Bürohauses. Fasziniert von amerikanischer Ingenieurleistung kritisiert er beim „Skyscraper“ den Widerspruch zwischen moderner Konstruktion und historischer Gestaltung. Darüber hinaus lehnt er das amerikanische Hochhaus als Symbol des Kapitalismus ab. In diesem Spannungsfeld entsteht das Wolkenbügel-Projekt als Antithese zum Wolkenkratzer. Er beschäftigt sich mit einer nationalen Ausdrucksform für ein in die Struktur integriertes Hochhaus, das sich in der Betonung der Horizontalen deutlich vom „Skyscraper“ abgrenzen soll.
Räumliche Organisation: In den vertikalen Elementen, den Pfeilern, sollte die Erschließung in Form von Treppenhäusern und Aufzügen untergebracht werden, die eine direkte Anbindung an das Straßenbahnnetz und die Metrostation haben sollten. In den horizontalen Bereichen als eigentlicher Nutzfläche sollten Büros untergebracht werden, die eine gewisse Dynamik symbolisieren sollten, weil sie dem Straßenverlauf folgten.
Städtebaulich integriert sich der Wolkenbügel, indem er den Verkehr der Stadt in sich aufnimmt. Halbkreisförmig um den Moskauer Ring angeordnet geben die acht Wolkenbügel ein Bild von symbolhaften Stadttoren mit der Bedeutung von Triumphbögen einer neuen Zeit ab.
Allerdings wurde das Projekt, wie viele Entwürfe mit extremen Tragwerken, nie realisiert und ist hauptsächlich im Gebiet der Architekturtheorie anzusiedeln.

Ausstellungen

  • 1988: El Lissitzky – Retrospektive. Sprengel Museum Hannover, 24. Januar bis 10. April 1988
  • 2014: El Lissitzky – Ilya und Emilia Kabakov: Utopie und Realität. Kunsthaus Graz. [3]

Ehrungen

  • 1990: wurde eine Straße am Campus Lichtwiese der TU Darmstadt nach ihm benannt.

Galerie

Siehe auch

Literatur

  • Sophie Lissitzky-Küppers: El Lissitzky. Dresden 1967
  • Sophie Lissitzky-Küppers: El Lissitzky, Maler, Architekt, Typograf, Fotograf; Erinnerungen, Briefe, Schriften. Dresden 1976
  • J. Christoph Bürkle: El Lissitzky Der Traum vom Wolkenbügel. gta, Zürich o. J.
  • Ausstellungskatalog El Lissitzky, architect, painter, photographer, typographer. Eindhoven / Madrid / Paris 1990
  • Wilma Ruth Albrecht: EL – wie Lissitzky. Das Künstlerporträt. In: liberal, 35 (1993) 4, pp. 50–60 (ISSN 0459-1992)
  • Inge Münz-Koenen: Der Kinderbuch-Architekt El Lissitzky. In: Petra Josting, Walter Fähnders (Hrsg.): „Laboratorium Vielseitigkeit“. Zur Literatur der Weimarer Republik. Bielefeld 2005, ISBN 3-89528-546-3, S. 89–112
  • J. Christoph Bürkle: El Lissitzky. Der Traum vom Wolkenbügel. gta Verlag, Zürich 1991, ISBN 978-3-85676-034-2
  • Buch zur Ausstellung 16. Russische Avantgarde 1910–1930 Sammlung Ludwig, Köln in der Kunsthalle Köln, 16. April–11. Mai 1986 (bearbeitet und mit einer Einführung von Evelyn Weiss)
  • Margarita Tupitsyn: El Lissitzky: Beyond the Abstract Cabinet, Yale University Press and Schirmer/Mosel Verlag, 1999
  • Maria Kühn-Ludewig: Jiddische Bücher aus Berlin (1918-1936): Titel, Personen, Verlage, Kirsch, Nümbrecht, 2008 ISBN 978-3-933586-56-8
  Commons: El Lissitzky  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans-Peter Riese Zwischen Design und Wolkenbügel. Seite 81 im Von der Avantgarde in den Untergrund. Texte zur russischen Kunst 1968-2006. Wienand Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-86832-017-6
  2. Hannover bekommt Nachlass von El Lissitzky, Weser-Kurier vom 12. Oktober 2013
  3. Mitteilung zur Ausstellung, abgerufen am 21. August 2014.